Dieser Kommentar ist unter dem Titel „Fachkräfte fürs Gemeinwohl“ im Deutschen Architektenblatt 12.2023 erschienen.
Stadtplanung, Raumplanung und Städtebau sind Fachdisziplinen, die in ihrem Wirken durch Rahmensetzung, Planungs- und Gestaltungsvorgaben, Initiierung und Begleitung von Projektentwicklungen sowie Moderationen von bürgerschaftlichen Verfahren eine herausragende Rolle für die bauliche und räumliche Entwicklung unserer Städte und Regionen haben. Die Stadtplanung ist immer dem Gemeinwohl verpflichtet.
Die Berufsgruppe der Stadtplanerinnen und Stadtplaner ist die jüngste der vier in der Bundesarchitektenkammer und den Länderarchitektenkammern vertretenen Fachrichtungen.
Berufsbezeichnung „Stadtplaner“ ist geschützt
Der Berufsstand ist in allen Architektenkammern anerkannt. Jedoch scheint der Schutz der Berufsbezeichnung in der öffentlichen Wahrnehmung nicht verankert zu sein. Öffentlichen wie privaten Auftraggeberinnen ist häufig nicht das Erfordernis der Eintragung in eine Stadtplaner-Liste bekannt.
Eine einheitliche Etablierung der vierten Fachrichtung „Stadtplanung“ und ihrer Belange ist in den 16 Bundesländern leider nicht gegeben. 2023 sind bundesweit insgesamt etwa 7.500 Stadtplanerinnen und -planer bei den Architektenkammern eingetragen – sehr viele in Nordrhein-Westfalen und in Bayern sowie in Baden-Württemberg und in Hessen, vergleichsweise wenige in Brandenburg, im Saarland, in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt.
Auch große Bundesländer ohne Stadtplanungs-Studium
Bemerkenswert ist auch, dass sowohl in Mecklenburg-Vorpommern als auch in Niedersachsen und Bayern keine Möglichkeit zu einem Stadtplanungsstudium besteht – und dies bei einem anhaltend hohen Bedarf. Denn in den öffentlichen Verwaltungen ist die personelle Situation äußerst unzureichend. Stellen werden erst gar nicht mehr besetzt oder, anstatt mit Masterabsolventinnen, mit Fachfremden oder Bachelorabsolventen. Die privaten Planungsbüros sind ebenso vom Fachkräftemangel betroffen und haben bereits seit vielen Jahren mit einem „Aderlass“ in Richtung öffentlicher Verwaltung zu kämpfen.
Stadtplanung steht vor großen Herausforderungen
Dabei steht die Stadtplanung vor den größten Herausforderungen seit 50 Jahren: Die Energie- und Mobilitätswende, Klimaschutz und Klimaanpassung unserer gebauten Umwelt, nachhaltige Siedlungsentwicklung sowie digitale und sozial-ökologische Transformation müssen auf den Weg gebracht werden. Diese Komplexität erfordert ein generalistisches Ausbildungs- und Planungsverständnis. Eine ganzheitliche Vorgehensweise sowie teamorientierte, inter- und transdisziplinäre fachgebietsübergreifende Zusammenarbeit sind unverzichtbar. Stadtplanerinnen und -planer werden in diesen Prozessen mehr als bisher zu gesellschaftlich unverzichtbaren Koordinatoren.
Eine qualifizierte Ausbildung, ein ganzheitliches Planungsverständnis, interdisziplinäres Arbeiten, aber auch die kritische Auseinandersetzung mit der digitalen Transformation prägen unseren Berufsalltag. Künstliche Intelligenz durchdringt zunehmend auch stadtplanerische Prozesse, Smart Cities werden zur Realität.
Mehr Stadtplanung in den Architektenkammern
Die Architektenkammern sind gefordert, Chancen und Risiken der Disziplin Stadtplanung im Blick zu behalten. Synergetische Bündelung, Zusammenarbeit sowie Online-Angebote in der Fort- und Weiterbildung der Länderkammern leisten hierzu einen wichtigen Beitrag, genauso wie niedrigschwellige Beteiligungsprojekte wie „Architektur und Schule“, denen grundsätzlich ein stadtplanerischer Ansatz vorangestellt werden sollte.
Nutzen wir in den Länderkammern, ob im Ausschuss Stadtplanung oder in Strategie- oder Arbeitsgruppen, die Möglichkeit, stadtplanerische Fragestellungen aufzugreifen und Position zu beziehen. Damit bringen wir eine dem Gemeinwohl verpflichtete Stadtplanung nach vorne. Berufspolitische Stärke braucht gemeinsames Handeln!
BAK-Ausschuss Stadtplanung
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