Die Inflation hat auch vor den Preisen für Lebensmittel nicht Halt gemacht. Trotzdem ist der Wunsch nach regional erzeugten (Bio-)Produkten weiterhin groß. Eine Lösung hierfür, schon seit einiger Zeit in aller Munde, ist das sogenannte „Urban Gardening“ oder „Urban Farming“. Der städtische Gartenbau bietet eine Möglichkeit, den begrenzten Platz in der Stadt zu nutzen und ihn sogar essbar zu gestalten.
Vom Schrebergarten zur essbaren Stadt
Vorgängerkonzepte, die erstmalig den städtischen Obst- und Gemüseanbau proklamierten, sind im frühen 19. Jahrhundert aufkommenden Schrebergärten sowie die Community Gardens in den USA in den 1970er Jahren gewesen. Auch in Krisenzeiten, wie nach dem Zweiten Weltkrieg, besann man sich gezwungenermaßen zurück auf das Gärtnern in der Stadt.
Urban Gardening erfährt in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung: größtenteils angetrieben vom steigenden Bewusstsein für die Klimakrise. Damit verbunden ist der Wunsch, Emissionen durch verkürzte Transportwege einzusparen und dem Effekt von Wärmeinseln in der Stadt entgegenzuwirken. Die kanadische Stadt Victoria B.C. fördert die neue Form des Lebensmittelanbaus stark. In Deutschland gilt Andernach in Rheinland-Pfalz als Vorreiter der Idee einer „Essbaren Stadt“. Viele weitere Städte folgen bereits (Darüber schreibe ich in meiner nächsten Kolumne).
Städtischer Leitfaden zum erfolgreichen Urban Gardening
Mit Hilfe vielfältiger Programme und zahlreicher Subventionspakete unterstützt Victoria B.C. die städtische Landwirtschaft. Auf kostenlosen Informationsveranstaltungen können Interessierte erfahren, wie man eigene Lebensmittel anbaut, kompostiert, Obstbäume pflegt oder Bestäuber in seinen Garten einlädt. Ein Leitfaden erweitert das Wissensrepertoire zusätzlich: Beispielsweise erklärt er, welche platzgestalterischen Maßnahmen das Urban Gardening ergänzen oder auch wie Dächer und Innenhöfe zu Gemeinschaftsgärten und städtischen Bauernhöfen umfunktioniert werden können.
Die Stadt im Süden von Vancouver Island stellt zudem leere Grundstücke und ungenutzte städtische Flächen zur Bewirtschaftung zur Verfügung. Damit sollen auch einkommensschwache Haushalte einen Zugang zu frischen, selbsterzeugten Lebensmitteln bekommen. Hierfür bietet sie eigens gezüchtete Setzlinge und Bodenbaumaterialien an.
Öffentliches Abstandsgrün beackern
Den für mich spannendsten Aspekt, den die Hauptstadt der Provinz British Columbia anbringt, ist die Möglichkeit des Boulevard Gardenings: Hierbei geht es um die Transformation der grasbewachsenen Abstandsstreifen zwischen Grundstück und Straße. Sie sind Eigentum der Stadt und sollen zu Gärten mit ökologischen Vorteilen werden.
Gut hierbei ist, wie klein die bürokratischen Hürden gehalten werden: Es wird zwar gefordert, „anzurufen, bevor man gräbt“, um sicherzustellen, dass Versorgungsleitungen nicht beschädigt werden, jedoch ist für die Anlage eines Boulevardgartens keine Genehmigung der Stadt erforderlich, solange man sich an die Richtlinien hält. Sie besagen zum Beispiel, wie groß die Pflanzen maximal werden dürfen, dass die dort erwirtschaftete Ernte nicht verkauft werden darf und sie machen Vorschläge für die Art der Bepflanzung.
Workshops und Bildungsangebote zur Gartenarbeit
Lokale Organisationen, wie zum Beispiel das Compost Education Center oder der Imkerverband der Hauptstadtregion unterstützen das Urban Gardening in Victoria B.C. zusätzlich und bieten Workshops zur Gartenarbeit, Ratgeber für Bestäuber und Bildungsangebote rund um den kleinbäuerlichen ökologischen Landbau an. Die Umsetzung fußt also auf ganzheitlicher Expertise und hat so eine nachhaltige und zugleich optisch ansprechenden Stadtgestaltung zum Ergebnis.
Johanna Lentzkow absolvierte ihren Bachelor an der Hochschule Darmstadt und setzt nun ihr Architekturstudium an der Technischen Universität in München fort.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Fabian P. Dahinten, Luisa Richter und Lorenz Hahnheiser.
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