Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Aller Anfang ist: schwer/leicht“ im Deutschen Architektenblatt 02.2021 erschienen. Rund um Studium und Berufsstart geht es außerdem wöchentlich in unserer Nachwuchs-Kolumne.
Von Simone Kraft
Der Krisenmodus ist zum neuen Normal geworden. Nach einem harten Winter schon fast vergessen ist, mit welchem Kraftakt während des ersten Lockdowns im Frühjahr vergangenen Jahres die Umstellung auf digitales Arbeiten und Lernen innerhalb kürzester Zeit vollzogen wurde. Mittlerweile wird an den Hochschulen zunehmend routinierter online studiert. Dennoch entfällt gerade für angehende Architektinnen und Architekten – ganz abgesehen vom Verlust an sozialer Interaktion – mit der persönlichen Betreuung ein ganz gewichtiger Teil des Studiums, eine maßstäbliche Betrachtung von Entwürfen lässt sich digital kaum herstellen.
Prüfungen wegen Corona verschoben
Unter diesen Bedingungen haben viele Studierende ihre eigentlich im Sommersemester anstehenden Abschlussprüfungen verschoben – nicht nur aus Sorge um die technischen Risiken im Prüfungsablauf selbst (nicht alle haben bestes WLAN, nicht jeder ist mit dem entsprechenden Equipment ausgestattet), sondern vor allem auch mit Blick auf die Unsicherheit, was danach kommt. Wie soll man sich einen coronakonformen Start ins Berufsleben vorstellen? Wie funktioniert digitales Arbeiten in einem Büro? Macht ein Berufsstart im Homeoffice Sinn?
Berufsstart in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bringt dauerhaft Nachteile
Die Sorge ist verständlich. Internationale Studien belegten schon vor der Pandemie, dass Berufseinsteiger in wirtschaftlich kritischen Zeiten benachteiligt sind: Sie werden später häufiger arbeitslos, verdienen weniger und machen weniger Karriere. Spürbar sei dies noch bis zu zehn Jahre nach dem Berufseinstieg, betroffen seien insbesondere Hochschulabgänger, so 2019 eine Veröffentlichung des Institute for Economic Policy Research der Universität Stanford.
Architekturbüros suchen weiterhin
Den meisten geht es derzeit aber erst einmal um eine kurzfristigere Perspektive – und darum, ob man überhaupt einigermaßen problemlos einen guten Job bekommt. Das hat im vergangenen Jahr bei einem Großteil der Absolventen geklappt, hört man immer wieder aus der Branche. Zwar habe das Suchen hin und wieder etwas länger gedauert, der Markt sei gefühlt schlechter geworden, jedoch immer noch gut. Schwieriger ist eher die Art des Abschlusses, Bachelorabsolventen scheinen weniger gut unterzukommen (was allerdings ein grundsätzliches Problem ist und nicht mit der aktuellen Krise zusammenhängt).
Architekten und Architektinnen werden gesucht, die Büros haben, nach einer teilweisen Schockstarre im „Lockdown-Frühling“, als alle ins Homeoffice gingen und Baustellen stillstanden, wieder zu tun und brauchen Mitarbeiter. Noch fehlen allerdings belastbare Zahlen, es gibt keine Untersuchungen zur derzeitigen Situation auf dem Architektur-Arbeitsmarkt. Wir haben daher direkt bei Absolventen und Büros nachgefragt.
Neuzugänge auch in der Krise
Aus Düsseldorf berichtet Britta Salinger, Personalleiterin von RKW Architektur +, dass eigentlich keine Veränderungen spürbar seien: „Wir freuen uns, dass die Auftragslage weiterhin so gut ist, dass sich der Personalbedarf während der Coronazeit nicht verändert hat. Wir suchen weiterhin qualifizierte Absolventen zur Festanstellung. Die Resonanz auf unsere Ausschreibungen und die Anzahl der Initiativbewerbungen hat sich auch nicht verändert.“ Vielmehr merke man sogar derzeit keine Entspannung auf dem Architektenarbeitsmarkt. Xaver Egger von sehw architektur aus Berlin kann gar sagen: „Wir sind in der Krise weiter gewachsen und haben mit Neueinstellungen positive Erfahrungen gemacht.“
Bei Behnisch in Stuttgart wiederum ist man zunächst zurückhaltender geworden. „Das vergangene Jahr hat uns in Bezug auf Neueinstellungen und Personalfragen schon etwas vorsichtig werden lassen“, so Partner Stefan Rappold. Die Situation habe sich mittlerweile wieder so gefestigt, dass man derzeit zuversichtlich in die Zukunft schaue. „Wir konnten durch Wettbewerbsgewinne neue Aufträge erzielen und sind mit unserem Büro in Stuttgart heute in der glücklichen und sehr komfortablen Situation, dass wir uns perspektivisch wieder personell verstärken können – unabhängig davon, ob Berufseinsteiger oder Architektinnen mit Erfahrung.“
Teamgefühl auch im Homeoffice
Alle betonen, wie wichtig besonders in der aktuellen Zeit das Arbeiten im Team, das Vertrauen in das Büro und ein zuverlässiges Miteinander seien – digital wie präsent. Man habe Lösungen entwickelt, um sowohl vor Ort als auch im Homeoffice arbeiten zu können, und achte darauf, dass das Gruppengefühl nicht verloren gehe. Gerade für Neueinsteiger im Büro versucht man bei RKW + daher, dafür zu sorgen, dass präsent gearbeitet werden könne. „Um eine gute Integration in das Team und eine erfolgreiche Einarbeitung zu gewährleisten, arbeiten die Berufseinsteiger begleitet von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen im Büro, selbstverständlich unter Einhaltung aller Hygiene-Sicherheitsmaßnahmen“, erläutert Britta Salinger. „Auch wenn die virtuelle Zusammenarbeit in den Teams sehr gut funktioniert, sind wir der Meinung, dass der persönliche Kontakt gerade in der Anfangszeit sehr wichtig ist.“
Beim Berufsstart stärker an die Hand nehmen
So handhaben es auch die Berliner von sehw architektur. Sie nehmen neue Kollegen stärker als sonst an die Hand, berichtet Xaver Egger: „Die Willkommensgeste ist intensiver, die Einführung in Arbeitsprozesse und Qualitätsmanagement detaillierter als sonst, die Kolleginnen und Kollegen sind sehr hilfsbereit. Digitale Meetings sind gerade für Nicht-Native-Speaker nicht ganz einfach, aber wir achten darauf, dass niemand kommunikativ abgehängt wird.“
Kein Rundgang durchs neue Büro
Doch auch den kompletten Start aus dem Homeoffice gibt es, wie Stefan Rappold berichtet: „Obwohl wir seit einiger Zeit keine hundertprozentige Präsenz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Büro haben, waren wir in den vergangenen Monaten in der Lage, neue Kolleginnen und Kollegen in unser Büroleben zu integrieren. Der Berufsstart und die ersten Tage im Büro haben sich sicherlich verändert; oftmals gab es gar keinen ersten Tag im Büro, sondern die Arbeit begann von zu Hause aus. Die ‚klassische‘ Einführung mit einem Rundgang durchs Büro, mit einer kleinen Vorstellungsrunde war und ist so nicht mehr uneingeschränkt möglich. Vorgestellt und eingeführt wurde online, Laptop und Monitor waren somit für einige Zeit die einzige Möglichkeit, miteinander in Kontakt zu treten.“
An Aufträgen fehlt es nicht
Die neue Art der Zusammenarbeit funktioniert auch, da beide Seiten sich darauf einlassen. Die Absolventin Duygu Özdemir zum Beispiel hat im Frühjahr 2020 ihren Master am KIT Karlsruhe gemacht und ist nach einer kurzen Pause in die Bewerbungsphase gestartet. Seit Herbst arbeitet sie in ihrem Wunschbüro Echomar in Oberkirch bei Offenburg – vor Ort im Großraumbüro, wobei allen bewusst ist, dass es sehr schnell wieder zu Änderungen kommen kann. „Der Büroalltag ist stark geprägt durch Corona, da viele Termine online stattfinden, man mit Masken rumläuft, sobald man seinen Platz verlässt, und es keine gemeinsamen Pausen gibt“, erzählt Özdemir. „Aber an Aufträgen fehlt es nicht, ganz im Gegenteil. Es boomt, könnte man fast sagen, und man kommt gar nicht hinterher. Wenn mal Mitarbeiter coronabedingt ausfallen, kann es problematisch werden.“ Auch von Kommilitonen weiß sie, dass viele nach spätestens einem Monat Suche eine Stelle gefunden haben, wenn auch nicht unbedingt im Wunschbüro.
Hochschulen reagieren flexibel
Von den Hochschulen wiederum gibt es wenig Rückmeldung zum Thema. Generell pflegt man dort, durchaus verständlich, wenig bis gar keinen Kontakt zu Absolventen, wenn diese einmal den universitären Raum verlassen haben. Erhebungen und Umfragen gibt es zu den Abläufen in der Lehre mit Corona, jedoch nicht zum „Leben danach“. Während des Corona-Jahres reagierte man von Hochschulseite bewusst flexibel und kooperativ, Abschlüsse konnten verschoben werden und auch bei den Pflichtpraktika wurde Flexibilität bewiesen. An der Hochschule Karlsruhe etwa wurde das Vorpraktikum verkürzt, da die Studierenden Probleme hatten, in einem Büro oder Baubetrieb unterzukommen; nachzuweisen waren im Sommersemester nur noch zwei statt drei Monate. Vorstellbar sind, bei Bedarf, noch weitere Kürzungen.
Absolventen unter sich im Austausch
Unter den Studierenden selbst besteht mehr Austausch. Unter normalen Umständen treffe man sich auch nach dem Abschluss immer wieder mit Alumni bei Feiern und bringe sich auf den neuesten Stand, berichtet Aysen Gök von der Architekturfachschaft der htw saar. Das falle natürlich aktuell weg. Dennoch: „In der Regel bekommen wir, die noch studieren, schon mit, welche Absolventen von uns wo unterkommen.“ Alles in allem schätzt sie die Situation überraschend erfreulich ein: „Gerade machen wir uns trotz der Krise keine allzu großen Sorgen um den Berufsstart – auch wenn sich die Situation natürlich schnell wieder ändern kann.“
Rund um Studium und Berufsstart: die Nachwuchs-Kolumne
Wenn Sie am Ball bleiben möchten, was den Architektur-Nachwuchs bewegt, empfehlen wir die DAB-Nachwuchs-Kolumne. In ihr schreibt Absolvent Fabian P. Dahinten wöchentlich mit einem Augenzwinkern darüber, was er als Architektur-Absolvent derzeit so erlebt. Als Mitgründer des Nachwuchs-Netzwerks nexture+ ist er immer bestens informiert, was seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter diskutieren und auf die Beine stellen. Lesen Sie hier nützliche Tipps für die Jungen und spannende Einblicke für die, ähäm, „Alten“.
Weitere Beiträge finden Sie in unserem Schwerpunkt Jung.
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: