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Zurück Nachwuchs-Kolumne #111

Faszination Alltag: der andere Blick auf die Dinge

Ein paar Semester Innenarchitektur machen unerwartete Dinge mit uns Studierenden. So habe ich mir unbewusst auch im Alltag die unreflektierte Wahrnehmung abtrainiert. Dinge einfach bloß schön finden, war früher. Heute weiß ich selbst bei banalen Gegenständen, warum sie mir gefallen – oder auch nicht

13.07.20223 Min. Kommentar schreiben

Von Johanna Naara Ziebart

Ein Geländer, ein Wasserhahn ein voller Mülleimer. Auf den ersten Blick haben diese drei Dinge nichts miteinander gemein. Was sie verbindet? Sie alle haben es in meinen Instagram Account geschafft. Dinge im Alltag, an denen man normalerweise vorbeiläuft, wirken manchmal wie kleine Gemälde oder bewusste Kompositionen. Manchmal scheint die Sonne besonders schön darauf oder wirft einen interessanten Schatten. Vor Allem fasziniert mich das Zusammenspiel von Farben, die manchmal zufällig aufeinandertreffen.

Im Alltag die Augen offen halten

Zum Beispiel standen letztens meine dunkelblauen Adiletten auf dem hellblauen Badvorleger, zusammen mit den rosa Fliesen der Badewanne und den weißen Bodenfliesen war das ein Foto wert. Wenn ich wenig zu tun habe oder prokrastinieren will, dann wandle ich solche Bilder in Farbkompositionen um, damit fülle ich jetzt sogar einen eigenen Instagram Account @theeverydaycolor.

Meine Schwester hat mich mal dabei beobachtet, wie ich den Fensterrahmen fotografiere und sich gefragt, warum ich das mache. Und ich frage mich, warum sie das offensichtlich Schöne daran nicht sieht. Deswegen übersetze ich meine Bilder in Farben, damit Andere auch sehen was ich sehe. Das Faszinierende im Alltag.

Unendliche Inspirationsquelle

Eigentlich entwickelt der Mensch eine sich langsam einschleichende Blindheit im Alltag, um schneller auf Veränderungen reagieren zu können. Alles was man regelmäßig sieht, nimmt man nicht mehr genau wahr und blendet es schließlich aus. Ich glaube, ich kann das nicht mehr. Das Innenarchitekturstudium hat mich darauf konditioniert. Man lernt wahrzunehmen, zu beobachten und zu entdecken und das immer wieder aufs Neue.

Der Alltag ist eine Inspirationsquelle und jeder neue Tag bringt wieder neue Bilder. Das gleiche Objekt, der gleiche Raum sieht an einem Regentag anders aus als an einem Sonnentag und morgens anders als abends. Irgendwann braucht man Pinterest und Instagram nicht mehr, um Inspiration zu suchen, man findet sie direkt vor der Nase.

Schönheit lässt sich erfassen

Für einen Entwurf oder gestalterische Arbeit generell, muss man dann nur noch wissen, warum man etwas so findet wie man es findet und es in eine eigene Formensprache übersetzen. Eine Professorin von mir wollte nicht, dass wir immer sagen, dass wir etwas schön finden. Was sie damit meint, ist dass wir etwas schön finden dürfen aber auch erläutern müssen, warum das so ist. Das Erklärenkönnen lernt man dann auch nach und nach. Aber wer bei Instagram postet, wird zum Glück selten nach dem Warum gefragt. Das Faszinierende im Alltag darf einfach für sich stehen.


Johanna Naara Ziebart studiert Innenarchitektur an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold und setzt sich auch bei nexture+ für Innenarchitektur ein.

Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Fabian P. Dahinten, Johanna Lentzkow und Lorenz Hahnheiser.

Wie sind Eure Erfahrungen als Architektur-Studierende oder Berufseinsteiger? Hinterlasst uns einen Kommentar auf dieser Seite oder schreibt uns unter DAB-leserforum@handelsblattgroup.com.

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