In Gestaltungsverfahren mit öffentlicher Beteiligung liegt ein besonderes Potenzial: Bürger:innen können aktiv an der Gestaltung ihrer unmittelbaren Umwelt mitgestalten. Leider funktioniert das nur selten, denn es ist nicht leicht den gegenwärtigen Zustand unserer gebauten Umwelt zu hinterfragen und trotz den Herausforderungen, Unmöglichkeiten und Hemmnissen eine räumliche Vision zu formulieren. Ohne architektonische Vorbildung ist das schwer möglich. Ließe unsere Welt sich nicht viel demokratischer entwickeln, wenn in der Schule gelernt wird, räumlich und gestalterisch zu denken?
Baukulturelle Bildung muss früh anfangen
Wann wenn nicht in der Schule könnten in der Breite der Gesellschaft die Fähigkeiten und der Mut gestärkt werden, sich auf gestalterischer Ebene in der eigenen Stadt einzubringen? Dann könnten Laien viel selbstverständlicher in Prozesse einbezogen werden. Dieser Unterrichtsinhalt lässt sich im Übrigen wunderbar mit den Schulgesetzen aller Bundesländer in Einklang bringen: Alle halten Fest, dass junge Menschen mit dem Durchlaufen der Schullaufbahn zu mündigen Bürger:innen werden sollen.
Demokratische Erfolgserlebnisse in Beteiligungsverfahren
Der Politikunterricht kann in diesem Sinne zwar das Know-how über die Möglichkeiten vermitteln, als Bürger:in in unserer Demokratie zu agieren. Zu viele verlassen die Schule aber mit einem Gefühl der politischen Ohnmacht. Zu viele glauben nicht, dass sie etwas Relevantes bewirken können und sehen den gelegentlichen Wahlzettel als einzige Möglichkeit demokratischen Mitwirkens – wenn überhaupt.
Beteiligungsverfahren sind urdemokratisch. Teilhabe wäre möglich, aber sie wird häufig nicht gut angenommen. Auf der einen Seite müssen die Verfahren viel besser werden. Auf der anderen Seite würde es helfen, wenn die Bürger:innen die Selbstsicherheit besäßen, hier ihren Teil beitragen zu können. Das Gefühl mitgestalten zu können, ist sehr selbstermächtigend und wichtig für eine funktionierende Demokratie.
Baukulturelle Bildung in der Schule: ein richtiger Schritt
Noch werden selten architektonische Inhalte in Schulen angeboten, sei es im Politik-, Gesellschafts- oder Kunstunterricht. Um dazu zu ermutigen haben viele Architektenkammern Projekte zur baukulturellen Bildung etabliert. Immer wieder finden auch Schüler:innenwettbewerbe statt. Zuletzt waren die Berliner Schüler:innen beim Wettbewerb „Meine Vertikale Stadt“ gefragt, Visionen für ihren Kiez zu entwickeln.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Fragen, wie mit den steigenden Bodenpreisen auf der einen und der Zersiedelung auf der anderen Seite umgegangen werden kann, keinesfalls bloß den Erwachsenen überlassen werden sollte.
Lorenz Hahnheiser hat sein Bachelor-Architektur Studium an der Leibniz Universität Hannover abgeschlossen, nutzt die Zeit vor dem Master für erste Bauerfahrungen und engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten und Johanna Ziebart.
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genau dieses habe ich mir vorgestellt: liebe Schüler, bringt mal einen oder mehrere Schuhkartons mit… übereinandergestapelt, je wilder, desto besser, etwas Grünlametta davor… fertig. Was haben die Schüler gelernt? NICHTS! Es ist im Ergebnis ein Revival der 60er/70er Jahre, der Stadt von gestern, ohne erlebbare Außenräume im Stadtgefüge. Keine Vermittlung von Gliederung, Proportionen, überschaubaren Maßen, Fassadengestaltung, gemischter Infrastruktur… Bei der vorbereitenden Sitzung zum Thema hatte ich bereits angemahnt, das moderne Prinzip der Europäischen Stadt zu thematisieren, auf der Grundlage der Charta von Leipzig 2007/2020, Informationsmaterial dazu durfte ich nicht verteilen… Eine komprimierte Version dieser Informationen habe ich inzwischen veröffentlicht.
‚ARCHITEKTUR FÜR DEN MENSCHEN? Eine Wahrnehmungsschule am Beispiel Berlin‘, EuropaBuch Verlag
Hubertus Müller
Dip.-Ing. Architekt / Oberstudienrat Bildende Kunst a.D. mit 40 Dienstjahren