Dass es nach dem Studium nicht unbedingt klassisch ins Architekturbüro gehen muss und es durchaus Berufsalternativen gibt, habe ich bereits in einer vorigen Kolumne thematisiert. Was ich dabei aber außer Acht gelassen habe, ist die Möglichkeit, nach dem Studium in die öffentliche Verwaltung oder in die private Wirtschaft zu gehen – ein interessanter Weg, der nach der Strukturbefragung der Bundesarchitektenkammer 2022 auch finanzielle Anreize bietet. In diesem Zusammenhang bin ich auf das Baureferendariat gestoßen, das auf diesen Weg optimal vorbereitet.
Was ist das Baureferendariat?
Das Baureferendariat ist ein zweijähriges Traineeprogramm der staatlichen Hochbauverwaltungen. Es hat zum Ziel, Referendar:innen hinsichtlich verwaltungsrechtlicher, verwaltungstechnischer sowie organisatorischer und managementbezogener Fähigkeiten zu qualifizieren. Somit können sie später leitende Funktionen in öffentlichen Bauverwaltungen übernehmen, aber auch vergleichbare Positionen in der Privatwirtschaft. Das Referendariat richtet sich an Diplom- und Masterabsolvent:innen technischer und naturwissenschaftlicher Studiengänge und ist wie ein zweiter Master im Bereich Verwaltung anzusehen.
Das Architekturstudium reicht oft nicht
Aus der Kammerbefragung der BAK im Jahr 2020 ging hervor, das Studium habe Berufseinsteiger:innen nur unzureichend in den Bereichen Baurecht, Bauleitung und Koordination, Wirtschaftlichkeit und Terminplanung ausgebildet. Diesem Kompetenzdefizit sagt das Baureferendariat den Kampf an: Das Traineeprogramm vermittelt Wissen in den Bereichen Führung und Organisation, Baurecht, Verwaltungsrecht und Verwaltungshandeln.
Ich hatte die Möglichkeit mit drei Referendar:innen der Senatsbauverwaltung Berlin zu sprechen. Auf meine Frage, was die Beweggründe für diesen Weg gewesen sind, antwortet Lara Jensen: „Schon im Studium fand ich die Schnittstelle zwischen öffentlichem Bauen und den politischen Entscheidungen, die dahinterstehen, spannend. Das wollte ich genauer verstehen, deswegen das Referendariat.“
Was lernt man im technischen Referendariat?
Als Brücke zwischen Ausbildung der Hochschulen und den Anforderungen der Arbeitgeber:innen gestaltet sich das „technische Referendariat“ interdisziplinär mit anderen Fachrichtungen: Zum einen arbeiten Referendar:innen praktisch in Dienststellen der Verwaltung mit und bekommen hier Einblicke in Arbeitsinhalte, Verwaltungs- und Arbeitsabläufe. Darüber hinaus werden sie in Lehrgängen und Seminaren zu verschiedensten Fachgebieten geschult, wie zum Beispiel:
- Rechtsgrundlagen,
- Ausschreibung,
- Managementmethoden,
- Führung,
- Finanzwesen.
„Das Referendariat öffnet mit Exkursionen und Hospitationen viele Türen! So konnten wir zum Beispiel drei Wochen beim Landesdenkmalamt hospitieren. Das ist natürlich super, um deren Sichtweisen zu verstehen und überhaupt diese Bereiche kennenzulernen – eine Möglichkeit, die sich im späteren Berufsleben vielleicht nicht so einfach ergibt“, sagt Alice Leben.
Die Referendariate werden je nach Bundesland in den Bereichen Architektur, Städtebau, Stadtbauwesen und Landespflege angeboten. Bei der Vergütung gibt es zwischen den Bundesländern durchaus Unterschiede. Sie reicht von 1.570 € brutto bis zu 2.719 € brutto im Monat. Wenn sie das Staatsexamen am Ende erfolgreich bestanden haben, dürfen die Absolvent:innen den Titel „Bauassessor:in“ beziehungsweise „technische:r Assessor:in“ tragen und können sich für die Einstellung im Beamten- oder Angestelltenverhältnis bewerben. Häufig werden sie in der Besoldungsgruppe A13 eingestellt, was dem Einstieg in den höheren Dienst entspricht, dann aber schnell zu A14 befördert.
Übrigens hatten im letzten Jahrgang alle Absolvent:innen bereits vor Abschluss des Referendariats eine Arbeitsplatzzusage.
Welche Berufschancen hat man nach dem Baureferendariat?
Das Aufgabenspektrum ist sehr abwechslungsreich und reicht von der Bearbeitung und Verantwortung für unterschiedliche Großprojekte in den Behörden bis zum Vorbereiten und Mitwirken bei fachpolitischen Entscheidungsprozessen. Daneben können Bauassessor:innen auch in Architektur- und Planungsbüros sowie in der gewerblichen Wirtschaft leitende Positionen einnehmen.
„Mit der Expertise aus dem Baureferendariat habe ich gemerkt, dass der größte Gestaltungsspielraum eigentlich vor der Arbeit im Architekturbüro liegt und diese Arbeit nur einen kleinen Teil des Bauwesens ausmacht. Das wird in der Uni kaum vermittelt“, merkt Jerónimo Haug an. Das Bauwesen allumfassend mit seinen Systemen und auch politischen Zusammenhängen kennenzulernen, sieht er als großen Vorteil der Aufbauqualifikation.
Bauämter brauchen mehr Fachkräfte
Die Bundesarchitektenkammer hat in einem Positionspapier die besondere Bedeutung des Baureferendariats benannt und betont die exzellenten Berufschancen für Bauassessorinnen und Bauassessoren. Es besteht bereits ein Mangel an qualifiziertem Nachwuchs im öffentlichen Dienst, der durch den demographischen Wandel künftig noch verstärkt wird. Somit steigt der Bedarf an qualifizierten Führungskräften in der Verwaltung, wie sie das Baureferendariat ausbildet.
Man sieht: Es gibt viele Gründe, um mal einen genaueren Blick auf das Baureferendariat zu werfen!
Info-Website zum Baureferendariat
Die Bundesarchitektenkammer beantwortet online die wichtigsten Fragen zum Baureferendariat: zu den Voraussetzungen, zu Inhalt, Ablauf und Dauer der Ausbildung und zu den Perspektiven danach. Infomaterial der Bauverwaltungen vieler Bundesländer ist hier gebündelt an einem Ort zu finden, ergänzt durch Links zu den Stellenportalen des Bundes und der Bundesländer.
Johanna Lentzkow absolvierte ihren Bachelor an der Hochschule Darmstadt und setzt nun ihr Architekturstudium an der Technischen Universität in München fort.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Fabian P. Dahinten, Luisa Richter und Lorenz Hahnheiser.
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Höchstalter 40!
Ist das nicht Altersdiskriminierung?
Alles andere wäre Vernunftsdiskriminierung. Natürlich ist es richtig, diese Gratisqualifizierung nur denen zuteil werden zu lassen, die noch lange etwas zurückgeben können. Es müsste allerdings noch viel mehr Referendarstellen der Länder geben.