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Zurück Nachwuchs-Kolumne #199

Architekturwettbewerb: gute Ideen um drei Uhr nachts?

In kaum einer anderen Branche gibt es etwas Vergleichbares wie bei uns den Architekturwettbewerb. Über einen ambivalenten Spagat zwischen kreativer Leidenschaft und Selbstausbeutung.

Von: Fabian P. Dahinten
Fabian P. Dahinten schreibt über den Einstieg ins Berufsleben, über...

17.04.20243 Min. Kommentar schreiben
Nachthimmel mit Vollmond, Sternen und Wolken
Wenn alles schläft und einer wacht, um großartige Räume zu kreieren, dann steht wohl ein Architekturwettbewerb an.

Es ist drei Uhr nachts uns ich sitze auf der Couch, umschwärmt von meinen zwei Katzen, die sich vollends über meine Anwesenheit freuen. Sie umkreisen mich, um das Streicheldefizit über den Tag einzufordern. Ich verbringe aktuell viel Zeit im Büro. Grund dafür ist unter anderem der Architekturwettbewerb, an dem ich zusammen mit einem ganzen Team arbeite. Eine spannende Aufgabe und eine große Chance für mich und unser Büro.

Architekturwettbewerb: Anreiz ohne Ende

Das Prinzip Architekturwettbewerb soll nicht nur die Baukultur stärken, sondern (vor allem bei prominenten Bauvorhaben) dafür sorgen, dass aus einer Auswahl von vielen Konzepten am Ende der beste Entwurf gebaut wird. Während die Auftraggeber oft anführen, wie teuer solche Verfahren sind, unterstreichen Fachleute immer wieder die Relevanz des Architekturwettbewerbs zur Qualitätssicherung.

Es ist auch tatsächlich wunderbar, sich immer wieder in einem Zeitraum von drei Monaten mit neuen Aufgaben und Typologien zu beschäftigen. Jede Aufgabe ist anders, und im Gegensatz zu realen Projekten läuft ein Architekturwettbewerb nur Wochen statt Jahre. Manchmal bezeichne ich Architekturwettbewerbe als Fingerübung, um zwischen Zeitplänen, Kosten, Protokollen und Rechnungen auch beim Entwerfen fit zu bleiben.

Dutzende Büros lösen die gleiche Aufgabe

Doch nun ist es drei Uhr nachts am Wochenende und ich zweifle. Mündet das Prinzip Architekturwettbewerb nicht eigentlich für uns in die Selbstausbeutung? In Hoffnung auf den Auftrag bearbeiten zeitgleich oft 20 bis 25 Büros die gleiche Aufgabe (bei offenen Wettbewerben noch viel mehr). Kein Bearbeitungshonorar deckt auch nur im entferntesten die Kosten, die im Büro entstehen, während die Leistungen für eine Abgabe stetig mehr werden. Flächenberechnung, A/V-Verhältnis, oder vielleicht sogar gleich eine GIF-Berechnung? Braucht man einen 1:50-Schnitt, um eine Konzeptidee zu vermitteln? Nein. Man braucht auch keine sechs A0-Pläne und keine 25 Arbeiten, um eine gute auszuwählen.

Wir brauchen neue Spielregeln für Wettbewerbe

Ich möchte nicht auf Architekturwettbewerbe verzichten, doch es braucht dringend ein paar Spielregeln mehr, die einerseits die Qualität der Architektur durch ein solches Verfahren sichern aber andererseits auch die Architekt:innen vor Selbstausbeutung und Selbsthingabe schützen: Denn natürlich möchte ich den besten Entwurf kreieren und später bauen. Da denke ich lieber noch einmal mehr über die Form oder die Funktionen nach. Und die Einladung zu einem Architekturwettbewerb werde ich auch sicher nicht leichtfertig zurückweisen, sind diese doch ein wichtiges Mittel, um an Projekte mit Relevanz zu kommen.

Weil ich Freude daran habe, zu entwerfen, sitze ich hier am Wochenende um drei Uhr nachts – um mich wie viele andere mal wieder an einem Architekturwettbewerb zu beteiligen. Selbst müde und übernächtig, schauen meine Katzen mich an, die den Tag über vor allem geschlafen haben. Ich zweifle, ob es richtig ist, mitzuschwimmen und dabei Ideen, Herzblut sowie kreative Schaffenskraft zu verschenken.


Fabian P. Dahinten ist Architekt und Partner bei Lengfeld & Wilisch Architekten, Darmstadt, studierte Architektur an der Hochschule Darmstadt, engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+.

Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Lorenz Hahnheiser und Luisa Richter.

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