Sie ist mein neuestes Fundstück aus der Schattenwelt des Architekturberufs: die Beschaffenheitsvereinbarung. Dahinter steckt eine Kostenobergrenze, die in Verträgen zwischen Auftraggeber:in und Architekt:in festgehalten wird. Das ist erstmal nachvollziehbar: Wenn eine Kommune oder eine Privateperson nur ein begrenztes Budget hat, erscheint es verantwortungsvoll, dessen Einhaltung als Bedingung in den Vertrag zu schreiben.
Zu kurz kommt bei einer Beschaffenheitsvereinbarung oft der Fakt, dass neben einem falschen Kostenansatz in der Planung auch viele weitere Faktoren die tatsächlichen Bausummen beeinflussen. Da wären beispielsweise die schwankenden Angebots- und Materialpreise von Firmen oder auch Unvorhergesehenes beim Bauen, etwa in der Gründung oder insbesondere beim Umbau in der Substanz des Bestands.
Konstenobergrenze ausdrücklich widersprechen
Auf diese Weise könne eine Beschaffenheitsvereinbarung eine Vielzahl von Bauherrenrisiken vermeintlich ohne Weiteres auf den Architekten verschieben, schreibt Axel Plankemann, „selbst dann, wenn der Architekt die Kostenrisiken selbst weder beeinflussen kann noch zu vertreten hat.“
Die Benennung einer Kostenobergrenze bedürfe zwar grundsätzlich zweier übereinstimmender Willenserklärungen, wie David Mattern und Frederik Ulbrich erläutern. Allerdings sei der Bundesgerichtshof bei der Annahme solcher Absprachen durchaus großzügig, „und lässt bereits die Kommunikation von Kostenvorstellungen des Bauherrn genügen, sofern der Architekt diesen nicht ausdrücklich widerspricht.“
Mit ausreichend Puffer planen
Architekt:innen können dem Wunsch einer absoluten, nicht verrückbaren Kostenobergrenze natürlich nachkommen. Meine Idee wäre zum Beispiel, mit ausreichend Puffer bei den Kosten und beim Raumprogramm zu planen. So kann man zum Beispiel frühzeitig einen Teil des Gebäudes als potenzielle Streichposition anlegen, um bei steigenden Preisen dort wieder Ausgaben einzusparen.
Ein wirklicher Albtraum ist die Beschaffenheitsvereinbarung bisher noch nicht, vielmehr eine Herausforderung, die einen erhöhten Planungsaufwand darstellt. Aus meiner Sicht droht die Horrorszene erst, wenn zur festen Kostenobergrenze ein festes Raumprogramm kommt, das vor Planungsstart durch den/die Auftraggeber:in bereits festgelegt wurde.
Den eigenen Spielraum wahren
Es bleibt dadurch kaum Spielraum, die Kostenentwicklungen aufzufangen. Besonders heikel wird es, weil sich aus einer Beschaffenheitsvereinbarung die Verpflichtung ergibt, so lange umzuplanen, bis das Budget wieder eingehalten wird – natürlich ohne Bezahlung des Mehraufwands. Das Honorar bleibt wie die Kostenobergrenze unverändert.
Damit ist die Wanderung des Risikos von den Auftraggeber:innen zu den Planenden vollendet. Aus meiner Sicht, bietet dieses Modell Bauherren maximalen Komfort und Planungsbüros das versteckte Risiko der Insolvenz. Es ist also Vorsicht geboten: Ich als Architekt würde mich auf Kostenobergrenzen nur einlassen, wenn mir vertraglich ausreichend Spielraum bei den Qualitäten und beim Raumprogramm zugestanden wird. Falls die Bauherrin mithilfe einer Beschaffenheitsvereinbarung dennoch zum festen Preis eine vorher definierte Qualität und Größe wünscht, ist vielleicht der Katalog mit den Gartenhäusern doch das richtige.
Wichtiger Hinweis: Diese Kolumne ist ein persönlicher Erfahrungsbericht des Autors. Sie ist kein juristischer Ratgeber. Für rechtssichere Auskünfte wenden sich Architekt:innen bitte an ihre Architektenkammer.
Fabian P. Dahinten ist Architekt und Partner bei Lengfeld & Wilisch Architekten, Darmstadt, studierte Architektur an der Hochschule Darmstadt, engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Lorenz Hahnheiser und Luisa Richter.
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Liebe (junge) Kolleg*innen,
aus aktueller Erfahrung mit dem Vertragsentwurf eines Projektsteuerers in einem EU-weiten Vergabeverfahren für ein größeres kommunales Projekt, kann ich nur Jedem raten, alles was nach „Kostenobergrenze“ und „Vertragsfristen“ riecht, vor Unterschrift oder Anerkennung im VgV-Verfahren mit dem Haftpflichtversicherer oder einem Baurechtsanwalt zu klären.
Hier werden mittlerweile von halbgaren Projektsteuerern Vertragsunterlagen generiert, die nicht einmal ein halbwegs informierter Generalübernehmer unterschreiben würde.
Es ist traurig, dass unser Berufsstand als Treuhänder des Bauherren von Halbwissenden und oft nur selbst ernannten Besserwissern im Namen des Bauherren in die Falle gelockt wird.