Die letzte „Werkstadt für Klimagerechte Lehre“ befasste sich mit den Spannungsfeldern der Lehre. Am 18. Juli in München wurde tiefer ins Detail geschaut und diskutiert, welche Methodik es dafür braucht. Die Entscheidung, welches Fachwissen transportiert werden soll, ist nur der Anfang. Mit gezielter Didaktik lassen sich neben den klassischen Fachkenntnissen wie Entwerfen, Zeichnen oder Präsentieren auch Soft Skills wie Kommunikation, Haltung oder selbstständiges Denken vermitteln. Doch Lehrende an Architektur-Fakultäten sind in der Regel keine ausgebildeten Didaktiker:innen.
Aufmerksame und gut organisierte Lehrende
Die eingeladenen Lehrenden beschrieben ihre Erfahrungen auf unterschiedliche Weise: Weil viele Studierende nebenher arbeiten, seien sie zeitlich eingeschränkt. Lehrende, die wertschätzend mit den zeitlichen Kapazitäten umgehen und gut organisiert sind, machen besonders konzentrierte Arbeitsphasen möglich, brachte Matthew Crabbe ein.
Während eines Referats oder einer Präsentation auch als Lehrende:r aufmerksam zu sein, die Studierenden ernst zu nehmen, zuzuhören und nicht das eigene Handy während der Präsentation zu zücken, ist Julia Köpper wichtig. So schaffe sie ein Arbeitsverhältnis auf Augenhöhe.
Für Hanna Noller soll es in der Lehre nicht darum gehen, viele kleine Kopien seiner selbst zu schaffen, sondern die Studierenden im selbst denken zu unterstützen und sie dazu zu animieren, Verantwortung zu übernehmen.
Aus dem weiteren Diskurs ließen sich sieben Forderungen beziehnungsweise Empfehlungen ableiten:
1. Progressive Module gut bewerben
Progressive Module bilden nicht immer das klassische Entwerfen ab. Das kann verunsichern. Studierende wollen ihre Semester gut nutzen und wählen im Zweifel Module, bei denen sie wissen, woran sie sind. Eine gute Ankündigung des Moduls ist darum wichtig. Lehrstühle, die sich mit bestimmten Inhalten und Methodiken profilieren, haben es hierbei leichter.
2. Gemeinschaftsgefühl schaffen
Der Kurs geht los: neue Leute, neues Thema. Um den Mut zu finden sich und Neues auszuprobieren, braucht es Vertrauen in der Gruppe. Besonders am Anfang des Kurses ist es darum wichtig, einen zu Raum schaffen, in dem der Kurs ein gemeinschaftliches Gefühl entwickeln kann. Dafür müssen nicht unbedingt Kennenlern-Spiele herhalten. Im Rahmen des Studiums sind vielleicht eine gemeinsame Ortsbegehung, eine Fahrradtour oder einfach ein Kasten Limo und etwas Zeit zum Zusammensitzen passender.
3. Eigenständig Wissen bergen lassen
Besuchen, beobachten, Dinge finden: Eigenständig lokales Wissen zu bergen, ist grade am Beginn des Kurses ein guter Einstieg, damit Studierende gleich anfangen, selbstständig zu denken, statt Wissen nur zu reproduzieren. Hierfür können Spaziergänge und Kartierungen genutzt werden.
4. Klimagerechtes Entwerfen ausprobieren
„Learning by doing“ ist in den Studiengängen der architektonischen Disziplinen möglich. Dieses großartige Potenzial, kann durch Design-Build-Projekte, durch Eingriffe in den öffentlichen Raum oder reale Aufgaben und Kolloquien mit Nutzer:innen von Architektur geschöpft werden. Auch im alltäglichen Studium gilt das Credo: Im Modellbau gewöhnt man sich entweder an den Trugschluss, Materialien seien grenzenlos vorhanden – oder man nimmt den erstmal unpraktischeren, dafür nachhaltigeren Weg und erforscht, welche Alternativen es zu den fossilen Klassikern gibt.
5. Zwischen Restriktionen und Visionen balancieren
Das Spannungsfeld zwischen Realismus und Idealismus lässt sich nicht leicht bewältigen. Berufseinsteiger:innen sollen nicht aus allen Wolken fallen, wenn sie auf die eingefahrenen Verhältnisse der Berufsrealität stoßen. Andererseits braucht es Vordenker:innen, die sich trauen neue Wege zu gehen. Neben guten fachlichen Argumenten, sollten dafür Kommunikationsstrategien beherrscht werden. Beispielsweise in Rollenspielen können Studierende die Positionen unterschiedlicher Akteur:innen aushandeln. Das kann theatral stattfinden, es kann aber auch im rollenbasierten Entwurfsprozess ausgetragen werden.
6. Zusammen reflektieren und evaluieren
Die Evaluation am Ende des Semesters: Allzu oft nehmen nur wenige Studierende Teil und die Ergebnisse verwehen im Wind. Besonders bei neuen Inhalten und Methoden ist zu erwarten, dass nicht alles glatt läuft. Das ist in Ordnung – wichtig ist nur, dann reagieren zu können. Dafür sollte die Reflexionskultur von Beginn des Semesters an geübt werden. Es lohnt sich, sich auch während des Semesters auf Augenhöhe über die Lehrveranstaltung auszutauschen und Spielräume einzuräumen, den Semesterablauf bei Bedarf zu korrigieren. Das kann zum Beispiel wöchentlich im großen gemeinsamen Kreis stattfinden. Zusätzlich ist auch anonyme Kritik zu ermöglichen.
7. Netzwerke knüpfen
Um Ideale wie die Bauwende in den Berufsalltag zu tragen, hilft der Rückhalt von Gleichgesinnten. Während des Studiums solche Netzwerke zu knüpfen, hilft entscheidend. Studierende können sich diese Räume selbst schaffen, durch eigene Diskussionsformate, oder Strukturen wie nexture+. Lehrende können in diesem Sinne als Abgabeleistung einfordern, dass Studierende Projekte bestehender Initiativen mit ihren Gestaltungs- und Organisationsfähigkeiten unterstützen.
Zur nächsten Werkstadt dazu-zoomen
Zur nächsten Werkstadt geht es erst wieder am 18. Oktober in Kassel ab zwölf Uhr. Hier wird die erste Version des Handlungskatalogs präsentiert und entwickelt. Interessierte können sich hier dazu-zoomen.
nexture+ lädt sieben Mal zu einer „Werkstadt“ ein, um die überfällige Transformation der Hochschulen strukturell zu beschleunigen. Lorenz Hahnheiser ist Co-Organisator und Co-Moderator der Reihe „Werkstadt für klimagerechte Lehre“.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten und Luisa Richter.
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