„Nichts geht mehr“, sagt ein Außenreporter im TV-Bericht, während ein Bahnsteig ohne Züge und Anzeigen mit Streikmitteilungen gezeigt wird. Anschließend kommen Vertreter:innen von Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen vor die Kamera, die die Gegenseite jeweils als verhandlungsunwillig und deren Angebot für den Tarifvertrag als ungenügend bezeichnen.
Der immergleiche TV-Beitrag endet mit ein paar Stimmen von gestrandeten Reisenden, die zwischen genervten Gesichtsausdrücken zuweilen auch Verständnis für die Angestellten zum Ausdruck bringen. In meiner vorigen Kolumne habe ich geschrieben, dass solch ein Szenario auch in unserer Branche möglich wäre.
Was, wenn die Planenden streiken?
Streiks kennen wir alle und ich erfreue mich der ausbleibenden Kreativität der Berichterstattung ein jedes Mal. Wie sähe wohl solch ein Beitrag aus, wenn die Baustellen stillstehen, davor Planende mit Schildern und Trillerpfeifen stehen und für bessere Arbeitsbedingungen und einen neuen Tarifvertrag demonstrieren?
Hanna Binder würde dieses Bild gefallen. Die stellvertretende Bezirksleiterin der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) in Baden-Württemberg sucht und organisiert Angestellte in Architektur- und Stadtplanungsbüros, die sich für bessere und einheitliche Arbeitsbedingungen in einem neuen Tarifvertrag einsetzen möchten.
Wie ein Tarifvertrag funktioniert
Arbeitnehmer:innen organisieren sich in Gewerkschaften, Arbeitgeber:innen in Verbänden. Vertreter:innen beider Seiten handeln aus wie die Arbeitsbedingungen gestaltet werden sollen. Die Ergebnisse halten sie im Tarifvertrag fest: Gehalt, Altersvorsorge, Urlaub und weiteres. Das schafft Transparenz und Fairness. Gleiche Arbeit wird gleich bezahlt und für alle ist erkenntlich, wo man sich einordnet. Ganz ohne individuelle Verhandlungen.
Vorbei ist also die Zeit, in der man das latente Gefühl hat, dass die Kollegin oder der Kollege möglicherweise für eine vergleichbare Tätigkeit besser entlohnt wird.
Wann ein Tarifvertrag bindend ist
Das gilt auch für die Architektur: „Sobald ein Arbeitnehmer bei Verdi ist und der Arbeitgeber in der Vereinigung Asia, ist der Tarifvertrag bindend“, sagt Hanna Binder. Dies bringe insbesondere für mittlere Büros Vorteile, da so individuelle Verhandlungen wegfallen.
Die Vorteile für Arbeitnehmer:innen: Ein Gewerkschaftsmitglied erhält arbeits- und sozialrechtlichen Schutz und Beratung. Hinzu kommen Austausch und Vernetzung mit anderen Angestellten über Büros hinweg.
Arbeitnehmer und Arbeitgeberinnen müssen sich organisieren
Den bestehenden Tarifvertrag erhält man übrigens direkt und kostenlos als Verdi-Mitglied. Dieser ist jedoch schon zwei Jahre alt, denn die letzte Verhandlungsrunde blieb ohne Abschluss. Laut Verdi soll die Anzahl Architekt:innen und Stadtplaner:innen, die Mitglieder bei Verdi sind, vor den nächsten Verhandlungen noch erhöht werden, ebenso wie die Anzahl der Mitglieder im Arbeitgeberverband.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team im wöchentlichen Wechsel. Unsere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten, Luisa Richter-Wolf und Lorenz Hahnheiser.
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