Eigentlich fahre ich ganz gern Fahrrad … Die Betonung liegt hier auf „eigentlich“. In einem Vorort von Berlin aufgewachsen, war das Fahrrad immer die beste Möglichkeit, um zur Schule, zu Freunden oder überall anders hinzukommen. Als ich dann nach Berlin gezogen bin, hatte ich viele Jahre kein Fahrrad. Abgesehen davon, dass mir ein Fahrrad geklaut worden ist, macht es einfach keinen Spaß, in der Berliner Innenstadt Fahrrad zu fahren.
Zu schmale oder kaputte Radwege
Die Radwege sind oft sehr schmal und ich sehe vor meinem inneren Auge wie jemand die Autotür aufmacht und ich drüber hänge. Oder es sind solche Huckelpisten, dass man eher Slalom fährt, als schnell an sein Ziel zu kommen. Und dann steht man an jeder zweiten Ampel, weil die Schaltung nicht für Radfahrer optimiert ist.
Kopenhagen und Utrecht als Fahrradvorbilder
Letztes Jahr machte ich in Kopenhagen Urlaub. Und dort war es ein Vergnügen, mit dem Fahrrad die Stadt zu erkunden. Auch auf unserer Exkursion im letzten Jahr in den Niederlanden haben wir Utrecht komplett mit dem Fahrrad besichtigt, und es war selbst in einer großen Gruppe spaßig.
In Kopenhagen wird seit den Siebzigerjahren aktiv daran gearbeitet, das Fahrrad als wichtigstes innerstädtisches Verkehrsmittel zu etablieren. Sogar eine „dänische Botschaft für das Fahrradfahren“ hat sich gegründet, um das Radfahren in der Welt zu fördern und die Erfahrungen, die in Dänemark gemacht wurden, zu verbreiten.
Neun wichtige Punkte für Fahrradfreundlichkeit
Die Seite der „Fahrradbotschaft“ von Dänemark zählt neun Punkte auf, die für eine starke Radinfrastruktur sprechen und den Weg dorthin aufzeigen:
- Das Fahrrad ist ein eigenständiges, wertvolles Verkehrsmittel und sollte als solches behandelt werden.
- Radfahren kann Mobilität für alle bieten.
- Eine starke Fahrradkultur erfordert langfristiges politisches Engagement und Prioritätensetzung.
- Geschützte Radwege tragen zu sicheren Bedingungen für Radfahrende in den Städten bei.
- Eine starke Fahrradkultur erfordert einen integrierten Ansatz.
- Radfahren reduziert CO2-Emissionen, Umweltverschmutzung, Verkehrsstaus und Zivilisationskrankheiten.
- Radfahren ist ein Teil der zukünftigen Mobilität und der Smartcity.
- Internationale Kooperationen können den Ausbau des Radverkehrs beschleunigen.
- Radfahren trägt zu lebenswerteren und lebensfreundlichen Städten bei.
Fahrradfahren in Berlin: Lücke zwischen Theorie und Praxis
So weit so gut. Rein theoretisch kennen wir viele dieser Aussagen. Im Radverkehrsplan des Landes Berlin aus dem Jahr 2021 sind viele Ziele festgehalten, die sich mit den genannten Empfehlungen überschneiden. So werden als Vorteile des Verkehrsmittels Fahrrad aufgezählt: die Umweltfreundlichkeit, die Gesundheitsförderung, der Faktor des Platzsparens, der Kostenfaktor und eine allgemeine Attraktivitätssteigerung der Stadt. Traurig daran ist, dass der Plan erst 2021 veröffentlich wurde.
Wenn in Kopenhagen in den Siebzigerjahren ein Umdenken stattgefunden hat: Sind wir in Deutschland dann 2075 passend zum Deutschlandtakt mit einem guten Radwegenetz ausgestattet? Kann ich dann endlich zum Renteneintritt sicher durch Berlin mit dem Fahrrad fahren? Das kann doch wohl nicht unser Ernst sein! Auch wenn der Radverkehrsplan sich als Ziel eine Steigerung der Radwege um 23 Prozent bis 2030 setzt: Von diesem Umbau bemerke ich bislang fast nichts.
Kopenhagens Stadtarchitektin macht auch das Fahrrad stark
Wir brauchen wohl dringend einen neuen Job in Deutschland, den es anderswo schon gibt: Camilla van Deurs ist seit Februar 2019 Stadtarchitektin von Kopenhagen. Beim DAT 2023 sagte sie sinngemäß, dass wir das Rad nicht neu erfinden müssen, weil andere bereits vor uns ausprobiert und gelernt haben, was funktioniert und was nicht. Wir dürften gern abgucken und ein bisschen kopieren, was unsere Nachbarn gemacht haben, lud die Stadtarchitektin uns ein.
Klar, wir müssen die Prinzipien ohnehin in jeder Stadt an die Gegebenheiten vor Ort anpassen. Also fangen wir endlich an!
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team im wöchentlichen Wechsel. Unsere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten, Luisa Richter-Wolf und Lorenz Hahnheiser.
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