Schon beim ersten Schritt in das Atrium verspürt man den Idealismus der jungen Generation auf dem Nachwuchsarchitekt:innentag 2024. Nachhaltigkeit, innovative Bauweisen, Stadtplanung, die das Miteinander stärkt – all das schwebt wie eine verheißungsvolle Aura über den Diskussionen.
In den Impulsvorträgen geht es um Visionen für eine bessere Architekturwelt, in den diskussionsorientierenten Workshops um konkrete Ansätze. Doch in den Gesprächen mit Kolleg:innen, die den ersten Karriereschritten noch nahestehen, verdunkelt sich das Bild.
Wenn Ideale auf die Realität prallen
Ein Vortrag auf dem Nachwuchsarchitekt:innentag 2024 über ressourcenschonende Bauweisen bringt die Euphorie ins Wanken. Jemand fragt, was diese Prinzipien bringen, wenn sie im Alltag an der Realität scheitern. Die Antwort: nervöses Schweigen.
Das Studium hat uns beigebracht, in Utopien zu denken – von Projekten, die ökologisch, sozial und gestalterisch Maßstäbe setzen. Aber der Büroalltag? Der dreht sich oft um Deadlines, Budgetkürzungen und Bauherren, die Nachhaltigkeit als unnötige Mehrkosten abtun.
FOTOSTRECKE: Veranstaltungsort war mit der Peter Behrens School of Arts (PBSA) die Architekturfakultät der Hochschule Düsseldorf.
Ingo Lammert / Architektenkammer NRW
Kreativität geht verloren
Als ich das hörte, musste ich an meinen Berufseinstieg denken. Die ersten Entwürfe waren voller Stolz, doch die Umsetzung zeigte mir schnell, wo die Grenzen liegen. Kreativität? Sie verliert sich in einem Wust aus Regularien und „optimierten“ Prozessen. Nachhaltigkeit? Funktioniert nur, wenn sie billig und schnell ist. Kein Wunder, dass so viele junge Kolleg:innen ihre Begeisterung verlieren, noch bevor die Karriere richtig begonnen hat.
Ein System, das zermürbt
Es ist keine Überraschung, dass diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die auf dem Nachwuchsarchitekt:innentag 2024 thematisiert wurde, frustrierend ist. Gerade in den ersten Jahren fühlen sich viele Nachwuchsarchitekt:innen wie Zahnräder in einer Maschine, die sie nicht beeinflussen können (lest hierzu auch Lorenz‘ Kolumne zum Nachwuchsreport über die Arbeitsbedingungen der Jungen). Ihr Engagement läuft ins Leere, ihre Motivation wird von realistischen Zwängen untergraben.
Und die etablierten Büroinhaber? Sie kämpfen an einer anderen Front, gegen fallende Honorare und eine Gesetzeslage, die es schwer macht, über das Minimum hinauszugehen.
Ein Weckruf, der zum Handeln auffordert
Doch der Nachwuchsarchitekt:innentag 2024 war nicht nur eine Bühne für die Miseren unserer Branche. Er war auch ein Aufruf, Dinge anders zu machen. Die Architektenkammern, oft als schwerfällig wahrgenommen, scheinen langsam aufzuwachen. Die geplante Einführung einer bundesweiten Fortbildungsordnung speziell für Berufseinsteiger ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ebenso die Idee, jungen Architekt:innen eine stärkere Stimme zu geben – zum Beispiel in den Kammervorständen.
Aber Worte allein reichen nicht. Was wir wirklich brauchen, so ein Fazit auf dem Nachwuchsarchitekt:innentag 2024 (hier übrigens der große Nachbericht aus dem DAB): Strukturen, die Kreativität und Nachhaltigkeit fördern. Die Rahmenbedingungen, unter denen wir arbeiten, müssen sich ändern – und zwar radikal. Der Nachwuchs braucht nicht nur Zugang zu Ressourcen und Netzwerken, sondern auch das Gefühl, dass ihre Ideale in der Praxis überleben können.
Der Nachwuchsarchitekt:innentag 2024 zeigt Chancen auf
Die nächste Generation ist bereit, für ihre Visionen zu kämpfen – das hat der Nachwuchsarchitekt:innentag 2024 gezeigt. Die Frage ist nur: Hört man ihr wirklich zu? Und sind wir Planenden generationenübergreifend bereit, uns zu verändern?
Denn wenn wir weiterhin so tun, als könnten wir die Zukunft mit den Werkzeugen von gestern bauen, dann verlieren wir nicht nur die Talente von heute – wir verlieren die Chance, die Architektur von morgen wirklich besser zu machen.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team im wöchentlichen Wechsel. Unsere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten, Luisa Richter-Wolf und Lorenz Hahnheiser.
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