
Was bleibt am Ende für wen vom Kuchen übrig?
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Es gehören mehr als nur kreative Entwürfe dazu, um Architekt oder Architektin zu sein. Auch Kommunikation, Konstruktion und – ja – Betriebswirtschaft gehören dazu. Während das Studium uns vor allem lehrt, Gebäude zu entwerfen, zu konstruieren und zu gestalten, fehlt es an praktischen betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten.
Brauchen Architekturbüros BWL?
Nur wer sich mit den wirtschaftlichen Aspekten des Berufs auseinandersetzt, kann ein Architekturbüro langfristig erfolgreich führen.
Ein Beispiel verdeutlicht die Problematik: Wieso ist der Stundenlohn eines Angestellten so viel niedriger als der Stundensatz, den das Büro deiner Auftraggeberin berechnet? Eine einfache Rechnung hilft, das besser zu verstehen. Wenn man diese Frage weiterdenkt, wird die Komplexität hinter den Zahlen schnell deutlich.
Die Rechnung hinter den Zahlen
Beginnen wir mit einer einfachen Rechnung, die die Grundlage für die Diskrepanz zwischen Bruttogehalt und dem Stundensatz an den Auftraggeber erklärt. Angenommen, die Mitarbeiterin erhält ein durchschnittliches Bruttogehalt von 45.000 Euro pro Jahr. Bei einer 40-Stunden-Woche kommen wir auf etwa 2.000 Stunden im Jahr.
Doch das ist nur die Theorie, denn Urlaubstage, Krankheitstage und Feiertage reduzieren die tatsächliche Arbeitszeit. Nehmen wir an, der Mitarbeiter nimmt 30 Urlaubstage und hat zehn Krankheitstage im Jahr, was rund 320 Stunden ausmacht. Im Endeffekt werden also nur etwa 1.600 Stunden tatsächlich gearbeitet.
Rechnen wir das weiter:
- 45.000 € / 2.000 Stunden = 22,50 € pro Stunde (theoretischer Stundenlohn)
- 45.000 € / 1.600 Stunden = 28 € pro Stunde (tatsächlicher Stundenlohn)
Doch das ist noch nicht alles: Die Arbeitgeberin muss zusätzlich auch Sozialabgaben zahlen, was den „realen“ Stundensatz weiter anhebt. Bei rund 22 Prozent an Sozialabgaben steigt der Betrag auf insgesamt 54.900 € pro Jahr.
- 54.900 € / 1.600 Stunden = 34 € pro Stunde (inklusive Sozialabgaben)

Gehalt in Architekturbüros nach Bürogröße, Daten aus der Mitgliederbefragung der Architektenkammern.
Reiß & Hommerich / BAK
Gemeinkosten und der wahre Stundensatz
Jetzt kommen die Gemeinkosten ins Spiel. Diese setzen sich aus den Betriebskosten des Büros zusammen: Miete, Büroausstattung, Softwarelizenzen, Versicherungen und auch das Team im Büro, das nicht direkt an Projekten arbeitet – etwa das Controlling, die Verwaltung oder die Kommunikation. Diese Gemeinkosten müssen ebenfalls in den Stundensatz einfließen.
Die Gemeinkosten werden häufig über einen Faktor berechnet. Je nach Größe des Büros variiert dieser Faktor zwischen 2,5 und 3,3. In unserem Beispiel gehen wir von einem Faktor von 2,9 aus. Das ergibt:
- 34 € pro Stunde x 2,9 = 98,60 € pro Stunde
Damit haben wir alle Kosten abgedeckt, die das Büro trägt, um eine:n Mitarbeiter:in zu beschäftigen. Doch es bleibt noch eine wichtige Ergänzung: Der Gewinn und das Risiko. Ein Zuschlag von etwa 10 Prozent für Wagnis und Gewinn ist notwendig, um sicherzustellen, dass das Büro auch bei einem Projektverlust nicht in die roten Zahlen gerät.
Ein Stundensatz von über 100 Euro
Am Ende kommen wir auf einen Stundensatz von über 100 Euro, den das Büro dem Auftraggeber in Rechnung stellen muss, um alle Kosten zu decken und langfristig profitabel zu bleiben. Die Rechnung hinter dem Stundensatz ist alles andere als trivial. Sie zeigt deutlich, wie viele Faktoren – von Sozialabgaben bis hin zu Gemeinkosten – in den Preis einfließen, den ein Architekturbüro für seine Dienstleistungen berechnen muss.
Es ist leicht, den Eindruck zu bekommen, dass der hohe Stundensatz einfach das Ergebnis von „Profitgier“ ist. Aber in Wahrheit ist er notwendig, um alle laufenden Kosten zu decken und das Büro langfristig funktionsfähig zu halten.

Honorarumsatz in Abhängigkeit von der Bürogröße, Daten aus der Mitgliederbefragung der Architektenkammern.
Reiß & Hommerich / BAK
It’s the economy, stupid
Wer in der Architekturbranche erfolgreich sein möchte, muss neben der Kreativität und dem technischen Wissen auch ein gutes Verständnis für Betriebswirtschaft entwickeln. Nur so können Architekturbüros nicht nur ihre Entwürfe umsetzen, sondern auch ihre wirtschaftliche Basis sichern. In einer Welt, in der Zahlen genauso wichtig sind wie Entwürfe, ist es entscheidend, beide Seiten zu verstehen und zu meistern – nicht nur beim Stundensatz.
Hier findet ihr übrigens weitere Informationen zu Gehältern, Umsätzen und viele andere Daten, die die Mitgliederbefragung der Architektenkammern ergeben haben.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team im wöchentlichen Wechsel. Unsere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten, Luisa Richter-Wolf und Lorenz Hahnheiser.
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Sehr geehrte Damen und Herren,
erstmal vielen Dank für den Artikel. Die Zahlen stimmen mit meinen Erfahrungen überein. Jedoch fragt man sich wie so manches „ausgehandeltes “ Honorar (vor allem seit Wegfall der Honoraruntergrenzen) überhaupt auskömmlich sein kann. Gerade heute noch mit einem Kollegen gesprochen, der mir von einem regelrechten Preiswettbewerb, ausgeschrieben von einer Kommune berichtete, wo man erst bei 50% des Mindestsatzes eine Chance hätte. Gerade kleinere Büros kommen dadurch immer mehr in Bedrängnis, der Selbstausbeutung ist Tür und Tor geöffnet. So manch einer, der die Möglichkeit hat auszusteigen, tut dies auch. Die größeren Büros haben es wohl etwas besser.
Aber wer kümmert sich um die „kleineren“ Aufgaben? Dachausbau, Umbau, kleinere Mehrfamilienhäuser etc. ? Wenn man die Tendenzen z.B. in Baden-Württemberg sieht, wo man wohl in naher Zukunft kleinere Bauanträge ohne Architekt und ohne Haftpflichtversicherung stellen kann, muss einen das sehr sorgenvoll in die Zukunft schauen lassen. Als wenn das Negativbeispiel aus dem Handwerk durch Wegfall der Meisterpflicht nicht genug gelehrt hätte. Wir haben in der Vergangenheit immer mehr an Boden verloren, im Einfamilienwohnhausbau durch die Einheitsbrei-Fertighaushersteller, im größeren Wohnhausbau durch die Bauträger mit angestellten Architekten, im Gewerbebau in ähnlicher Ausprägung. Wir haben meiner Meinung nach auch viel verloren, weil die künstlerische Seite in unserem Beruf in der Wahrnehmung beherrschend ist. Verlässliche Kalkulationen und eine gewisse Kostensicherheit hat man in der öffentlichen Wahrnehmung nicht unbedingt mit unserer Tätigkeit in Verbindung gebracht. Da hätte man gegensteuern müssen, auch in der Ausbildung schon. Nun, wo geht es noch hin, was bleibt uns freien Architektinnen und Architekten?
Kollegiale Grüße
Frank Wieland Rothenpieler Dipl.Ing. Architekt AKNW BDB