Von Johanna Lentzkow
Ob Neubau oder Umnutzung, ein Ziel eines jeden architektonischen Eingriffs ist es, einen positiven Einfluss auf sein Umfeld zu haben, also die vorherige Situation zu verbessern. Leichtfertig echten städtischen Freiraum wegzunehmen, weil schlichtweg Platz für ein Gebäude ist, ist auch schon für den fiktiven Entwurf im Studium kritisch zu hinterfragen. Nicht mehr genutzte Bestandsgebäude hingegen bieten nicht nur im Entwurf, sondern auch im echten Leben für Planer:innen eine qualitative Möglichkeit, ökonomisch und ökologisch zu handeln. Und Leerstand gibt es beim genaueren Blick auf die Stadt en masse.
Was also tun mit obsolet gewordenen Immobilien in der Stadt?
Projekt „kleinerbauen“ an der TUM: Umnutzung geistlichen Leerstands
Mit dieser Thematik hat sich der Lehrstuhl „Architektur und Holzbau“ der TU München im vergangenen Wintersemester beschäftigt. Aufgabe war es, eine zeitgemäße Umnutzung und Architektur für zwei evangelische Kirchenbauten in Augsburg zu finden und die großen Räume dadurch kleinteiliger zu bespielen. „Gerade Kirchen bieten ein großes Potenzial. Die Mitgliederzahlen sinken, der Raum ist schlichtweg zu groß“, meinte meine Kommilitonin Katrin Wolf zu mir.
„Um ihr stadtprägendes Bild aber zu erhalten, liegt es nahe, nach adäquaten Lösungen zu suchen, damit die Gebäude weiter genutzt werden.“ Ob künftig Markthalle, musikpädagogisches Zentrum oder Mehrgeneartionenwohnen – die kreativen Vorschläge für eine Umnutzung können von einem großartigen Raumgefühl profitieren.
Mehr bezahlbare und klimagerechte Wohnungen
Ein Bereich, der vom Leerstand dringend Gebrauch machen kann, ist der Wohnungsbau. Das Bauministerium hat ein klares Ziel vor Augen: 400.000 neue Wohnungen pro Jahr bauen, davon 100.000 Sozialwohnungen. In welchem Ausmaß kann der Bedarf mit den zielführenden Strategien Innenentwicklung und Nachverdichtung gedeckt werden, bevor neues Bauland erschlossen werden muss? Wie viel Wohnraumpotenzial bietet Deutschland in urbanen Lagen?
Die Deutschlandstudie 2019, durchgeführt von der TU Darmstadt und dem Pestel Institut, setzt genau an diesem Punkt an: Allein mit Deutschlands Nichtwohngebäuden bietet sich ein Potenzial von 1,3 Millionen Wohnungen durch die Umnutzung von Büroleerstand, die Aufstockung von Supermärkten oder den Umbau von Malls und Parkhäusern. Natürlich muss die Verdichtung klug vonstattengehen, sodass sie der urbanen Qualität keinen Abbruch tut.
Die Potenziale des städtischen Leerstands auszuschöpfen kann also sowohl spannende Synergien erzeugen als auch Krisen lösen.
Johanna Lentzkow absolvierte ihren Bachelor an der Hochschule Darmstadt und setzt nun ihr Architekturstudium an der Technischen Universität in München fort.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Fabian P. Dahinten, Johanna Ziebart und Lorenz Hahnheiser.
Wie sind Eure Erfahrungen als Architektur-Studierende oder Berufseinsteiger? Hinterlasst uns einen Kommentar auf dieser Seite oder schreibt uns unterDAB-leserforum@handelsblattgroup.com
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: