Von Jutta Heinkelmann
In welchem Spannungsfeld Architekten bei der Normung stehen, brachte Barbara Ettinger-Brinckmann auf der ersten Regionalkonferenz Normung in München auf den Punkt: „Es ist ein Fluch, weil angesichts der Vielzahl der Normen und anderer Standards eine teils kaum zu beherrschende Häufung an anerkannten Regeln zu beachten ist. Aber es ist auch ein Segen, denn mit den Normen haben wir definierte Parameter für die Umsetzung unserer Entwürfe. Wenn wir diese einhalten, können wir uns grundsätzlich darauf verlassen, dass unsere Planung und unsere Objektüberwachung technisch korrekt sind, was zumindest eine gewisse Rechtssicherheit gibt“, so die BAK-Präsidentin.
Damit traf sie einen Punkt, über den sich auch die über 100 Teilnehmer der Konferenz lebhaft austauschten. Unter dem Motto „Mit Normen Zukunft gestalten!“ hatten die Bundesarchitektenkammer und die Bayerische Architektenkammer eingeladen, kritische Fragen zu diskutieren: Sind Normen unentbehrlich? Erleichtern sie das Planen und Bauen? Reduzieren Normen das Risiko und bieten Sicherheit? Behindern sie die Kreativität?
Wie viel Normung wir wirklich brauchen, hinterfragte auch Christine Degenhart, Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer. Und wie müssen die als erforderlich erkannten Normen beschaffen sein? Sie forderte, Normen sollten sich auf das wirklich Essenzielle und Grundsätzliche konzentrieren und sich an den Erfordernissen der Praxis orientieren. Über 800 Seiten schwere Abdichtungsnormen oder die unterschiedlichen Aussagen zu Art und Erfordernis schwellenloser Übergänge in den verschiedenen Normenwerken machten den Architekten das Leben schwer.
Barbara Ettinger-Brinckmann verwies in diesem Zusammenhang auf die nun veröffentlichte Normungsroadmap Bauwerke und die darin formulierte zukünftige strategische Ausrichtung der Normung im Bereich Bauen und Gebäude: Normung muss relevant, klar, eindeutig, zielorientiert, transparent, lesbar, anwendbar, rechtssicher, wirtschaftlich und schließlich auch noch europäisch sein. Aufgabe der Architekten sei es nun, an der Umsetzung dieser Strategie maßgeblich mitzuwirken. Auch sie schloss sich der Meinung an, dass Norminhalte zunächst auf wesentliche Planungsanforderungen reduziert werden müssen. Denn aus Praxissicht ist eine Norm dann gut, wenn sie dem Planungsprozess angepasst, in der Praxis anwendbar und in der Zusammenarbeit mit genehmigenden Stellen und Baubeteiligten eindeutig und klar ist.
Auch Matthias Witte, Geschäftsführer des DIN-Normenausschusses Bauwesen, sieht das Bauwesen aktuell vor großen Herausforderungen, da es Veränderungen im Hinblick auf technischen Fortschritt, Fachkräftemangel, Demografie, Klimawandel, Energiewende und Digitalisierung begegnen muss. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, benötige der gesamte Sektor verlässliche und aktuelle Rahmenbedingungen für das Planen, Bauen und Betreiben von Bauwerken, so Witte. Wie die BAK-Präsidentin konstatiert: Normung ist eine echte Herkules-Aufgabe!
2.500 Normen
sind für die Arbeit der Architekten derzeit relevant. In über 60 DIN-Gremien wirkt der Berufsstand bereits mit. Aktive Normenarbeit und -politik ist jedoch nur im engen Verbund der sechzehn Länderarchitektenkammern zu schaffen. Deshalb sind alle Architektinnen und Architekten, die hierbei unterstützen möchten und können, herzlich willkommen, mitzuwirken.
Interessierte melden sich bitte unter normung@byak.de