In Bremen realisierte das junge Büro Wirth Architekten ein Mehrfamilienhaus, das vorbildlich mit dem vorhandenen, herausfordernden Grundstück umgeht. In der Entwurfsphase kam den Brüdern Jan und Benjamin Wirth die Bereitschaft zugute, sich dem „fast schon pathologischen Understatement“ der Hansestadt zu widersetzen. Und während der Umsetzung überzeugte das großformatige Bausystem KS-QUADRO mit der wirtschaftlichen, präzisen Verarbeitung komplexer Grundrisse.
Das innerstädtische Grundstück der Tektum Holding in Bremen könnte auf den ersten Blick durchaus als Investoren-Traum beschrieben werden: Zum Weserstadion und dem namensgebenden Fluss sind es nur wenige Meter und auch das bevorzugte Kultur- und Ausgehareal – in der Hansestadt als „Viertel“ bekannt – liegt nur einen Steinwurf entfernt. Allerdings wird die „Hulsbergspitze“ gleich von drei Straßen eingerahmt, die direkt vor dem Gebäude von zwei weiteren sowie einer Straßenbahnhaltestelle ergänzt werden. Was als Standort für die einstige Tankstelle und das darauffolgende Restaurant zweifelsohne optimal war, stellt die Wohnarchitektur vor Herausforderungen.
Leuchtturm an der Straßenkreuzung
Wirth Architekten ließen sich jedoch nicht abschrecken und entwickelten einen Entwurf, der die Jury des Realisierungswettbewerbes durch sein elegantes Spiel mit den Limitationen überzeugte. „Für uns war von vornherein klar, dass das Gebäude keine ‚Rückseite‘ haben sollte“, erzählt Benjamin Wirth. Der Grundriss lässt an ein Dreieck mit schräg abgeschnittenen Spitzen denken und sorgt dafür, dass das Gebäude aus jeder Perspektive eine etwas andere Erscheinung entwickelt, ohne eine Seite besonders hervorzuheben.
Die Grundform sowie die exponierte Lage am Knotenpunkt unterschiedlicher Straßen verleihen dem Gebäude einen Leuchtturm-Charakter, der durch die Höhe noch verstärkt wird: Mit sechs Geschossen, die nach oben hin unregelmäßig zurückspringen und unterschiedliche Balkonflächen ausbilden, überragt der Wohnbau viele der umliegenden Häuser. Jedoch war es den Architekten wichtig, kein „UFO“ zu erschaffen, das ohne Bezug zur Umgebung allein für sich steht. Vielmehr waren sie überzeugt, dass die Hulsbergspitze ebenso Aushängeschild wie Vermittlerin sein muss. Denn der Baustein liegt zwischen einer zurückgesetzten Zeile aus klassischen Bremer Reihenhäusern und einem direkt am Bürgersteig stehenden 70er-Jahre-Bau. Damit muss er nicht nur zwischen verschiedenen Typologien, sondern auch zwischen vier bis fünf Geschossen Höhenunterschied vermitteln. Aus diesem Grund sind die Rücksprünge nach hinten besonders ausgeprägt und die Abschrägung der Gebäudekanten zitiert die Form der zahlreichen Erker des Altbau-Bestands. Nach vorne präsentiert sich der Baustein dagegen mit einer geraden Fassade über alle Etagen hinweg. Das Fassadenmaterial greift ein Gestaltungselement auf, das in der Hansestadt regelmäßig bei prominenten oder öffentlichen Gebäuden zu erkennen ist, variiert das Bekannte aber durch eine helle, freundlichere Farbgebung.
Einfache Lösung für komplexe Grundrisse
Was alle Seiten des Solitärs gemein haben, sind großzügig dimensionierte Fenster und Loggien, die seinen städtischen, nahbaren Charakter unterstützen. Urban ist auch die Mischnutzung, die durch eine Bäckerei im Erdgeschoss entsteht. Darüber stapeln sich zunächst vier, später zwei und zuletzt eine einzige Wohnung pro Etage. Größen zwischen 30 und 160 m2 mit Grundrissen von anderthalb bis fünf Zimmern sollen Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen im Gebäude zusammenführen.
Zwei Herausforderungen prägten die Umsetzung des Entwurfs, für beide erwies sich die Wahl des Wandbaustoffs als wichtiger Lösungsbaustein. Für das gesamte Gebäude kam das großformatige Bausystem KS-QUADRO zum Einsatz. Neben Eigenschaften wie hoher Tragfähigkeit bei schlanken Wänden, ressourcenschonender Herstellung und einem hervorragenden Brandschutz, sind es auch die Schallschutzqualitäten, die Kalksandstein von KS-Original zur zuverlässigen Basis im mehrgeschossigen Wohnungsbau machen. Zusammen mit entsprechend ausgelegten Fenstern konnte so trotz der verkehrsreichen Lage ein angenehmes Geräuschniveau im Inneren realisiert werden.
Die zweite Herausforderung ergab sich aus der Frage nach der Umsetzung des Grundrisses: „Bei jedem schrägen Strich hat man Sorge, dass es die Bauabläufe stört oder auf der Baustelle Probleme macht“, so der Architekt. Doch auch hier kamen die Stärken des Bausystems KS-QUADRO zum Tragen, das nach einem Baukastenprinzip aufgebaut ist. Ein Regel- und zwei Ergänzungsformate sowie Ergänzungssteine verknüpfen die Vorteile großer Formate hinsichtlich rationeller Verarbeitung und schnellem Baufortschritt mit einem Höchstmaß an Flexibilität. „Für uns geht es immer um die Schnittmenge zwischen wirtschaftlicher Auslastung, zukunftsfähiger Bauweise und dem ästhetischem Gesamterlebnis. Und hier konnte Kalksandstein die Bedingungen, die das Haus mit sich bringt, einfach am besten abbilden“, erklärt Wirth abschließend.
Benjamin Wirth über die Ursprünge von Wirth Architekten, das hanseatische Understatement und den Reiz des einfachen Bauens: https://www.projekt-weiss.blog/artikel/wider-den-willen-zum-gewoehnlichen
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