Dr. Markus Wessel, Hans Christian Schwenker
Mängelansprüche des Bestellers eines Bauwerkes – und auch des Auftraggebers eines Architektenwerkes – verjähren abweichend von der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist innerhalb von fünf Jahren nach Abnahme der Werkleistung. Hat der Unternehmer jedoch arglistig einen Mangel verschwiegen, verjähren die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist. Diese beträgt nach neuer Rechtslage seit dem 1. Januar 2002 zwar nur drei Jahre, beginnt aber erst am Ende des Jahres, in dem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat, und beträgt höchstens zehn Jahre. Aufgrund des subjektiven Momentes kann somit die in absoluten Zahlen kürzere allgemeine Verjährungsfrist weit später ablaufen als die besondere fünfjährige.
Anspruchssteller versuchen daher nach Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist regelmäßig, den Eintritt der Verjährung in Abrede zu stellen. Dies ist möglich, indem Arglist des Schuldners behauptet wird. Zudem wendet der BGH seit 1992 die Figur des Organisationsverschuldens an. Diese Grundsätze führen, was Beginn und Dauer der Verjährungsfrist anbelangt, zu einer Gleichsetzung mit Arglist und so ebenfalls zu einer regelmäßigen Verjährungsfrist, die früher 30 Jahre betrug.Sowohl im Baubereich wie auch bei der Architektenhaftung haben die Oberlandesgerichte im Bestreben, Anspruchsstellern auch nach Ablauf der Verjährungsfrist Ansprüche zuzusprechen, die Figur des Organisationsverschuldens großzügig angewendet und so konturenlos werden lassen. Dem ist der BGH entgegengetreten. Seine Leitsätze:1.a) Der Werkunternehmer, der ein Bauwerk arbeitsteilig herstellen lässt, muss die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um sachgerecht beurteilen zu können, ob das Bauwerk bei Ablieferung mangelfrei ist. Unterlässt er dies, so verjähren Gewährleistungsansprüche des Bestellers – wie bei arglistigem Verschweigen eines Mangels – erst nach 30 Jahren, wenn der Mangel bei richtiger Organisation entdeckt worden wäre.
1.b) Diese Organisationspflicht ist keine vertragliche Verbindlichkeit gegenüber dem Besteller, sondern eine Obliegenheit des Unternehmers.
1.c) Dem Unternehmer kann eine Obliegenheitsverletzung nicht allein deshalb angelastet werden, weil sein Nachunternehmer die Herstellung des ihm übertragenen Werks seinerseits nicht richtig organisiert. Eine Zurechnung über § 278 BGB kommt nicht in Betracht.
2. Soweit Leistungen zur Herstellung von Bauteilen an einen Nachunternehmer vergeben werden, die der Unternehmer mangels eigener Fachkunde oder Lizenzierung nicht selbst vornehmen kann, genügt der Unternehmer grundsätzlich seinen Obliegenheiten, wenn er den Nachunternehmer sorgfältig aussucht. (BGH, Urteil vom 11.10.2007 – VII ZR 99/06)
Sachverhalt
Die Klägerin ließ von der Beklagten ein Turnhallendach errichten. Dabei wurde eine Konstruktion von 30 Nagelplattenbindern verwendet nach einem von der T-AG entwickelten System, die auch die Statik erstellte. Die Nagelplattenbinder ließ die Beklagte von der H-KG fertigen, einem in diesem Bereich anerkannten Fachunternehmen. 1983 wurde das Werk abgenommen, allerdings ohne Beteiligung der H-KG. Im August 2000 stürzte das Hallendach ein, weil die Statik der Nagelplattenbinder teilweise unzureichend war. Denn sie war abweichend von der Statik der T-AG so konstruiert worden, dass die notwendige Lastübertragung verhindert wurde.
Im anschließenden Schadensersatzprozess berief sich die Beklagte auf Verjährung. Das Berufungsgericht hielt das für unbegründet, weil die Beklagte sowohl für eigenes als auch für Organisationsverschulden zu haften habe. Sie könne sich nicht damit entlasten, dass bei der Nachunternehmerin keine Kontrolle der fertiggestellten Binder auf Übereinstimmung mit der von der T-AG gefertigten Statik stattgefunden habe. Denn sie sei verpflichtet gewesen, entweder selbst die Herstellung der Binder zu überwachen oder dies mangels eigener Fachkenntnis durch Dritte durchführen zu lassen.
Entscheidung
Der BGH sieht das anders. Anknüpfungspunkt für die dreißigjährige Verjährung sei die Verletzung der Organisationspflicht des mit der Herstellung beauftragten Unternehmers. Dieser könne sich seiner vertraglichen Offenbarungspflicht bei Ablieferung des fertigen Werkes nicht dadurch entziehen, dass er sich unwissend hält oder sich keiner Gehilfen bei der Erfüllung dieser Pflicht bedient. Er ist daher gehalten, den Herstellungsprozess angemessen zu überwachen und das Werk vor Abnahme auf Mangelfreiheit zu überprüfen, und er muss die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um sachgerecht beurteilen zu können, ob das fertiggestellte Werk bei Ablieferung den vertraglichen Vereinbarungen entspricht und keine Fehler aufweist.
Neu an dem Urteil ist, dass der BGH nun eine Einschränkung der selbst gesetzten Zurechnungsmaßstäbe vornimmt. Bei der Organisationspflicht handele es sich nicht um eine vertragliche Verbindlichkeit gegenüber dem Besteller, sondern „vielmehr“ um eine Obliegenheit, deren Verletzung zu einer für den Unternehmer nachteiligen Verjährung führe. Es liege im eigenen Interesse des Unternehmers, seinen Betrieb so zu organisieren, dass er sich nicht dem Vorwurf aussetze, durch Arbeitsteilung von vornherein „verhindert“ zu haben, arglistig zu werden.
Die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats zur Gleichstellung von arglistigem Verhalten und einer Organisation, die Arglist „verhindert“, schaffe keinen neuen vertraglichen Haftungsgrund mit dreißigjähriger Verjährung, sondern schließe (nur) Lücken im Bereich der Verjährung bei Arglist. Und eine solche Obliegenheitsverletzung könne dem Unternehmer nicht allein deshalb angelastet werden, weil sein Nachunternehmer die Herstellung des ihm übertragenen Werkes seinerseits nicht richtig organisiert habe. Eine Zurechnung komme nicht in Betracht, weil sich der Unternehmer regelmäßig nicht des Nachunternehmers zur Erfüllung seiner eigenen Organisationspflichten im Rahmen der dargestellten Obliegenheit bediene.
Die ordnungsgemäße Organisation des Herstellungsprozesses beim Nachunternehmer sei regelmäßig allein dessen Angelegenheit und werde nicht im Fremdinteresse durchgeführt. Welche Obliegenheiten aber den Unternehmer bei der Überwachung des Herstellungsprozesses und der Überprüfung der fertiggestellten Leistung treffen, sei – wiederum – eine Frage des Einzelfalls und müsse sich im Wesentlichen danach richten, dass der Besteller durch die arbeitsteilige Herstellung keinen Nachteil in Bezug auf die Verjährung seiner Gewährleistungsansprüche erleiden solle.
Grundsätzlich könne die dreißigjährige Verjährung aber nur dann „eingreifen“, wenn der Unternehmer durch seine Organisation eine durch Arglist begründete verlängerte Verjährung vermeide. Der Einsatz eines Nachunternehmers allein soll allerdings dafür noch nicht genügen. Eine Organisationspflicht könne grundsätzlich nur in Bezug auf den Teil des Herstellungsprozesses angenommen werden, den der Unternehmer organisieren könne. Dazu gehöre regelmäßig nicht eine Organisation der Herstellung, die vom Nachunternehmer in eigener Verantwortung und außerhalb des Einflussbereichs des Unternehmers vorgenommen werde.
Auf den hier zu entscheidenden Einzelfall bezogen heißt das dann: Soweit Leistungen zur Herstellung von Bauteilen an den Nachunternehmer vergeben werden, die der Unternehmer mangels eigener Fachkunde oder sogar mangels Lizenzierung nicht selbst vornehmen kann, besteht für ihn grundsätzlich keine Möglichkeit, den Herstellungsprozess außerhalb der Baustelle zu überwachen oder sonstigen Einfluss auf dessen Organisation zu nehmen. Der Unternehmer genügt seinen Organisationspflichten in diesen Fällen, wenn er den Nachunternehmer sorgfältig aussucht.
Auf dieser Grundlage hat somit das Berufungsgericht, wie der BGH feststellt, „rechtsfehlerhaft“ eine dreißigjährige Verjährung wegen Organisationsmängeln angenommen. Der BGH weist die Klage daher wegen Verjährung ab.
Schlussfolgerungen
Das Urteil ist, was die Dauer der Verjährungsfrist angeht, nach der Rechtslage bis Ende 2001 ergangen. Es soll verhindert werden, dass der Unternehmer sich durch arbeitsteilige Organisation der Offenbarungspflicht hinsichtlich etwaiger Mängel entzieht, unabhängig von der Schwere und Augenfälligkeit der Mängel. Voraussetzung der Organisationshaftung ist aber die Verletzung einer Organisationspflicht, die dem Unternehmer auch bei arbeitsteiliger Leistungserstellung auferlegt, sicherzustellen, dass aufklärungspflichtige Mängel dem Besteller spätestens bei Abnahme offenbart werden.
Daraus folgt, dass Fehler des Unternehmers, mit denen sich nicht die typischen Gefahren einer arbeitsteiligen Organisation verwirklichen, zu keiner Verlängerung der Verjährungsfrist führen können.
Um die Organisationspflichtverletzung in den Rechtsfolgen der Arglist gleichzustellen, muss sie gleichsam selbst arglistig sein: Die Gleichstellung rechtfertigt sich daraus, dass sich der Unternehmer durch die arbeitsteilige Organisation der Arglisthaftung entzieht. Die Pflichtverletzung, die zur Verlängerung der Verjährungsfrist führt, muss daher zielgerichtet sein, sodass dem Unternehmer der Vorwurf gemacht werden kann, er habe die Arglisthaftung wissentlich „vermieden“. Bestandteil der Organisationspflicht ist, Subunternehmeraufträge nur an sorgfältig ausgesuchte Unternehmer zu vergeben; in der Beauftragung unqualifizierter Subunternehmer kann eine Organisationspflichtverletzung liegen.
Für die fehlerhafte Organisation des Subunternehmers haftet der Unternehmer allerdings nicht, sofern er diesen sorgfältig ausgesucht hat. Des Weiteren muss er auch keinen Einfluss auf die Organisation des Nachunternehmers nehmen. Hat der Unternehmer einen ordnungsgemäß ausgesuchten Subunternehmer beauftragt, hat er keine weiteren Pflichten, soweit dessen Leistung außerhalb seines Einfluss- und Organisationsbereiches liegt.
Diese Feststellungen des BGH sind auf den Architektenvertrag übertragbar. So wird man bei einem Architekten, der für die Bauüberwachung einen anderen Architekten als Subarchitekten einschaltet, nicht mehr von einem Organisationsverschulden ausgehen können, wenn der Subarchitekt eine Pflichtwidrigkeit begeht.
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