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Aufhebung einer Ausschreibung: was ist zu beachten?

Unter welchen Voraussetzungen eine Aufhebung möglich ist und welche Haftungsrisiken für Architektinnen und Architekten bestehen, die öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe beraten

29.09.20206 Min. Kommentar schreiben

Von Klaus Greb

Idealerweise endet eine Ausschreibung mit der Erteilung eines Zuschlages an einen der Bieter. Es kann jedoch vorkommen, dass der Auftraggeber die Ausschreibung bereits vorher beenden möchte. Hierfür muss er sie aufheben, was ihm im Falle von Bauleistungen grundsätzlich unter den Voraussetzungen des § 17 VOB/A möglich ist. Wie so oft, wenn etwas nicht so läuft wie ursprünglich geplant, stellt sich nach der Aufhebung einer Ausschreibung gegebenenfalls die Frage, ob einem der Beteiligten ein Schaden entstanden ist – und weiter, wer dafür geradestehen, also Schadensersatz leisten muss.

Aufhebung einer Ausschreibung

Die Voraussetzungen für eine Aufhebung sind über alle Vergabeordnungen hinweg ähnlich gestaltet. Deshalb kann man sich beispielhaft an § 17 VOB/A orientieren. Dort sind drei alternative Tatbestände aufgeführt.

  • Nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A ist eine Aufhebung möglich, wenn kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsanforderungen entspricht. Hiervon geht man zum Beispiel aus, wenn alle Angebote preislich im Vergleich zu der vom Auftraggeber selbst ordnungsgemäß durchgeführten Kalkulation unangemessen hoch oder unangemessen niedrig sind. Als unangemessen gilt ein Preisabstand von etwa 20 Prozent.
  • In Nr. 2 ist die Möglichkeit der Aufhebung für den Fall geregelt, dass die Vergabeunterlagen grundlegend geändert werden müssen. Diese Notwendigkeit muss von außen einwirken und für den Auftraggeber grundsätzlich unvorhersehbar gewesen sein; hierunter fallen etwa Kürzungen von Finanzmitteln, Bauverbote oder Gesetzesänderungen, die dazu führen, dass das Vorhaben nicht wie geplant realisiert werden kann.
  • Nr. 3 schließlich ist eine Generalklausel. Hier werden „andere schwerwiegende Gründe“ erfasst, wie zum Beispiel eine erhebliche Änderung der politischen Verhältnisse.

Wenn ein Auftraggeber den obigen Vorgaben entsprechend aufhebt, ist die Aufhebung rechtmäßig und auch ein Schadensersatzanspruch nicht gerechtfertigt.

Darüber hinaus sieht die Rechtsprechung aber auch Aufhebungen als möglich an, die außerhalb des Anwendungsbereichs von § 17 VOB/A liegen. Die Aufhebung ist dann zwar rechtswidrig, weil nicht vom Gesetz gedeckt, muss von den Bietern aber dennoch hingenommen werden. Den Bietern stehen in solchen Fällen allerdings Schadensersatzansprüche gegen den Auftraggeber zu. Derartiges kommt beispielsweise in Betracht, wenn die Vergabestelle selbst verschuldet bei der Aufstellung der Wertungskriterien gegen Vergaberecht verstößt und eine vergaberechtskonforme Wertung der Angebote dann nicht mehr möglich ist (vgl. BGH, NZBau 2011, 498).

Schadensersatz für Bieter

Eine Grundlage für Schadensersatzansprüche aus vergaberechtlichem Fehlverhalten ist vor allem im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zu suchen. Basis ist das sogenannte vorvertragliche Vertrauensverhältnis beziehungsweise das Rücksichtnahmegebot gemäß § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 in Verbindung mit §§ 280, 282 BGB (vgl. BGH, NZBau 2011, 498). Es geht um ein „vorvertragliches“ Verhältnis, weil der Auftraggeber mit Beginn der Ausschreibung bei jedem Beteiligten das berechtigte Vertrauen auslöst, er werde sich im Vergabeverfahren an die rechtlichen Vorschriften halten. Hierzu zählen unter anderem die Regelungen zur Aufhebung wie in § 17 VOB/A.

Der Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich nur das sogenannte negative Interesse (vgl. BGH, NZBau 2014, 310). Damit sind die Bieter so zu stellen, als sei das Vertrauen in die ordnungsgemäße Durchführung des Vergabeverfahrens nie geweckt worden (vgl. Oetker, in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2019, § 249, Rn. 129). Es können demnach nur die Kosten für die Vorbereitung und die Teilnahme an der Ausschreibung ersetzt werden.

Das sogenannte positive Interesse kann ein Bieter hingegen lediglich ersetzt verlangen, wenn er den Zuschlag bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens hätte erhalten müssen (vgl. BGH, NZBau 2008, 137). Bei positivem Interesse ist der Bieter so zu stellen, wie er stünde, wenn ihm der Auftraggeber den Zuschlag erteilt hätte (vgl. BGH, NJW 1998, 2901). Damit umfasst der Schadensersatzanspruch auch den entgangenen Gewinn.

Haftung bei falscher Beratung

Möglicherweise kann der Auftraggeber Regress für den von ihm an einen Bieter entrichteten Schadensersatz oder eine Freistellung von noch zu zahlendem Schadensersatz von einem auf seiner Seite mitwirkenden Architekten verlangen. Das könnte zu einem Thema werden, falls eine (später als rechtswidrig erkannte) Aufhebung der Ausschreibung auf einer fehlerhaften Beratung, also einer Pflichtverletzung durch den Architekten beruht.

Die Ansprüche eines Auftraggebers wegen Schlechterfüllung der vertraglichen Pflichten zur ordnungsgemäßen Unterstützung bei der Vergabe folgen grundsätzlich aus § 280 Abs. 1 BGB (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2014, 644). Der Anspruch ist auf das zuvor beschriebene positive Interesse gerichtet. Es sind also neben dem an den Bieter geleisteten Schadensersatz auch eventuelle Mehrkosten und höhere Bieterpreise einer zweiten Vergabe ersatzfähig, weil diese bei einer ordnungsgemäß durchgeführten ersten Vergabe nicht entstanden wären.

Beispiel: Rechenfehler führt zu Aufhebung

Dazu ein Fallbeispiel. In einem vom OLG Saarbrücken entschiedenen Fall hatte der Auftraggeber ein Ingenieurbüro damit beauftragt, für die öffentliche Ausschreibung zum Ausbau einer Ortsdurchfahrt Ingenieurleistungen zu erbringen. Diese umfassten sowohl die Vorbereitung als auch die Mitwirkung an der Vergabe. Bei der Kostenkalkulation wurde der zu erwartende Preis aufgrund eines Rechenfehlers des Ingenieurbüros zu niedrig angesetzt. Als die Bieter bei der Vergabestelle ihre Angebote einreichten, lagen diese preislich alle über der Kalkulation. Der Auftraggeber ging daher davon aus, dass kein einziges unter wirtschaftlichen Aspekten annehmbares Angebot eingereicht wurde, und entschied sich dazu, die Ausschreibung wegen Vorliegens eines schwerwiegenden Grundes aufzuheben.

Eine Bietergemeinschaft, die in der Ausschreibung das niedrigste Angebot eingereicht hatte, wandte sich hiergegen gerichtlich und der Auftraggeber wurde zu Schadensersatz verpflichtet. Denn schließlich war das Angebot der Bietergemeinschaft eigentlich nicht zu hoch, sondern die Vergabestelle war von zu niedrigen Kosten ausgegangen. Dass es dazu kam, lag aber an dem Fehler des Ingenieurbüros. Deshalb konnte der Auftraggeber von diesem auch den gezahlten Schadensersatz ersetzt verlangen. Da jedoch in einer darauf folgenden zweiten Ausschreibung ein niedrigerer Preis erzielt werden konnte als in der ersten Ausschreibung, musste der Auftraggeber dies auch auf seinen Schadensersatzanspruch anrechnen (vgl. OLG Saarbrücken, BauR 2011, 709).

Fehler von Fachplanern

Eine Haftung von Architekten besteht aber laut Rechtsprechung unter anderem nicht, wenn Fehler in Ausschreibungsunterlagen von Dritten verursacht wurden. Ist in dem Architektenvertrag vorgesehen, dass eine bestimmte Planungsleistung von einem Fachplaner zu erbringen ist, so kann der Auftraggeber grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass der beratende Architekt lediglich durch Übermittlung der Vergabeunterlagen Verantwortung für die Leistungen des Fachplaners übernehmen wolle (vgl. OLG Karlsruhe, NZBau 2007, 451). Führt ein solcher Fehler zu einer rechtswidrigen Aufhebung einer Ausschreibung, kann folglich auch kein Schadensersatz vom Architekten gefordert werden.

Dr. Klaus Greb ist Fachanwalt für Vergaberecht und Justiziar der Architektenkammer Berlin

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