Gestalt geändert – Außenbereichs-Privileg verwirkt
Ein Eigentümer beseitigte den kompletten Dachstuhl eines landwirtschaftlichen Gebäudes im Außenbereich und veränderte dadurch wesentlich die äußere Gestalt dieses Gebäudes. Damit wurde nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen dessen vorgesehene Nutzungsänderung unzulässig. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit solcher Nutzungsänderungen nennt § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB: Das Vorhaben muss einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz dienen und die äußere Gestalt muss im Wesentlichen gewahrt bleiben. Dabei erfasst der Begriff der äußeren Gebäudegestalt nicht nur die äußere Form des Gebäudes und die wesentlichen, sein Erscheinungsbild prägenden Elemente seiner äußeren Gestaltung. Von den die äußere Gestalt bestimmenden Gebäudeteilen (Außenwände, Dach) müssen auch zumindest wesentliche Teile erhalten bleiben. In dem entschiedenen Fall hatte der Genehmigung eine Bauvorlage zugrunde gelegen, nach der der Dachstuhl erhalten bleiben sollte. Da das Dach im Regelfall ein für die äußere Gestaltung wesentliches Gebäudeelement darstellt, blieb gemäß dem Urteil bei seiner Beseitigung die äußere Gestalt des Gebäudes nicht mehr im Wesentlichen gewahrt. Der Bauherr konnte sich nicht mehr auf die Privilegierung seines Vorhabens berufen. Ob eine Verwertung der Restsubstanz noch wirtschaftlich sinnvoll war, war rechtlich unerheblich – ebenso, aus welchen Gründen der Dachstuhl beseitigt worden war. Wenn ein Bauherr seine Planung zunächst darauf aufbaut, dass die vorhandene Bausubstanz in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben weiterverwendbar ist, sich dies aber als Fehleinschätzung erweist, dann hat er deren Folgen selbst zu tragen.
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.10.2011, 2 A 2794/10
Privilegierte Vorhaben müssen ortsgebunden sein
Im Außenbereich sind ortsgebundene gewerbliche Betriebe privilegiert zulässig. Die „Ortsgebundenheit“ ist nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aber nur anzunehmen, wenn der Betrieb nach seinem Gegenstand und seinem Wesen ausschließlich an der fraglichen Stelle betrieben werden könne. Es genüge nicht, dass sich ein Standort aus Gründen der Rentabilität anbiete oder gar aufdränge. Deshalb habe die Genehmigungsbehörde zu Recht der Betreiberin einer Schiffswerft die Baugenehmigung verweigert, um eine im Außenbereich gelegene, als privilegiert genehmigte Bootslagerhalle zeitweilig als Parkhaus für rund 250 Kraftfahrzeuge nutzen zu dürfen. Ferner plante sie den Bau von Schotter-unterlegten Parkplätzen für etwa 750 Kraftfahrzeuge auf der Freifläche zwischen der Halle und einem Hafenschutzdamm. Die geplanten Stellplätze sind hauptsächlich für die Fahrzeuge von Gästen vorgelagerter Inseln gedacht, die im nahen Hafen mit Fährschiffen übersetzen und ihre Fahrzeuge auf dem Festland zurücklassen. Wegen der mangelnden Ortsgebundenheit ist das Vorhaben nicht privilegiert. Das Bundesverwaltungsgericht verwies auch auf öffentliche Belange, die ihm entgegenstünden. Durch die zeitweilige Umnutzung der Halle drohe die Verfestigung und Erweiterung einer Splittersiedlung wegen der Nutzung der Freifläche neben der Halle (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB). Nicht nur die Errichtung einer neuen, sondern auch die zeitweise Umnutzung einer vorhandenen, in einem anderen Sinn privilegiert genehmigten baulichen Anlage könne die unerwünschte Verfestigung einer Splittersiedlung auslösen – etwa dadurch, dass ein sogenannter Berufungsfall geschaffen werde. Da sich auch andere Flächen für eine solche Nutzung anböten und deshalb von anderer Seite Druck auf den Außenbereich ausgeübt werden würde, erforderten nach Ansicht des Gerichts die öffentlichen Belange, schon den ersten Ansätzen entgegenzutreten.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.4.2012, 4 C 10/11n
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: