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Baubegleitende Qualitätskontrolle statt Bauüberwachung?

Fälle sogenannter baubegleitender Qualitätskontrollen nehmen zu. Architekten erhoffen sich neue Geschäftsfelder, Bauherren hingegen möchten auf eine Bauüberwachung verzichten, um Kosten zu sparen. Was steckt hinter diesen Angeboten?

23.01.20247 Min. Kommentar schreiben

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Viel Haftung, wenig Leistung, wenig Geld“ im Deutschen Architektenblatt 01-02.2024 erschienen.

Von Patrick Holtmann

Wie immer die baubegleitende Qualitätskontrolle (BBQK) auch genannt wird, beispielsweise Baucontrolling oder Bauherrenberatung, sie ist nicht gesetzlich definiert. Leitbilder, welche Leistungen typischerweise zu erbringen sind, fehlen.

Auch die Architektenkammern geben keine Orientierungshilfen dazu heraus, wohl auch um dieses Geschäftsmodell nicht noch zu fördern. Leistungsanbieter versprechen (mit Unterschieden im Detail) die Prüfung der Bauqualität und eine frühzeitige Mängelfeststellung.

Günstiger aber weniger Leistung

Dass die BBQK erheblich weniger Leistungen umfasst und deswegen weniger kosten soll als die „klassische“ Bauüberwachung, wird als Verkaufsargument gegenüber dem Bauherrn eingesetzt oder von diesem angefragt. Ob das Argument trägt und ob das Angebot lukrativ ist, ist kritisch zu hinterfragen.

Auch wenn die HOAI sicher kein Vertragsrecht ist, insbesondere keine Leistungspflichten definiert, sind die in der HOAI näher bezeichneten Grundleistungen zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Auftrags typischerweise erforderlich. Es handelt sich um das in Standardfällen durchzuführende Arbeitsprogramm bei solchen Planungen. Ordnungsgemäße Erfüllung bedeutet in diesem Zusammenhang die Herbeiführung des Werkerfolgs, also das Entstehenlassen eines mangelfreien Gebäudes.

Was ist eine Baubegleitende Qualitätskontrolle?

Ein Blick in die Anlage 10.1 HOAI (für das Leistungsbild Gebäude und Innenräume) und in die dort aufgeführten Grundleistungen der Leistungsphase 8 offenbart bereits, dass die BBQK bestenfalls Teile der Grundleistungen zu den Buchstaben a) und b) abdeckt.

Im Rahmen der Baubegleitenden Qualitätskontrolle werden regelmäßig nicht erbracht:

  • Koordinierungsleistungen,
  • Kostenkontrollen,
  • das Aufstellen, Fortschreiben und Überwachen eines Terminplans,
  • gemeinsame Aufmaße mit ausführenden Unternehmen usw.

Ebenso regelmäßig wird der Leistungsumfang weiter dadurch begrenzt, dass lediglich stichprobenartige Kontrollen zu genau definierten Zeitpunkten des Bauablaufs erfolgen sollen.

Will hingegen der Architekt, der die klassische Bauüberwachung erbringt, das volle Honorar für die Leistungsphase 8 erhalten, wird er in der Regel weder auf in der Anlage 10 genannte Teilleistungen verzichten noch sich mit stichprobenartigen Kontrollen begnügen können, Letzteres jedenfalls dann nicht, wenn es sich um schadensträchtige Gewerke handelt.

Bereits dies zeigt, dass die BBQK gegenüber der klassischen Bauüberwachung einen erheblich geringeren Leistungsumfang hat. Im Ausgangspunkt steht einer üblicherweise geringeren Vergütung für eine BBQK damit auch eine deutlich reduzierte Leistung gegenüber.

Lohnt sich die Baubegleitende Qualitätskontrolle für Bauherren?

Der Bauherr spart einen (teilweise) nicht unerheblichen Teil der Vergütung. Er muss dafür aber wesentliche Aufgaben, die für ein erfolgreiches Bauvorhaben erforderlich sind, selbst erbringen, anderweitig beauftragen oder hinnehmen, dass sie fehlen.

Gerade Koordinationsleistungen und die Kontrolle wirtschaftlicher Rahmendaten sind dabei Aufgaben, die Bauherren regelmäßig aus fachlichen Gründen nicht abdecken können, sodass hier der Verzicht auf die Bauüberwachung die Wahrscheinlichkeit erheblich erhöht, dass das Bauvorhaben weder in zeitlicher noch finanzieller Hinsicht so zum Abschluss gebracht werden kann, wie es geplant war.

Da selbst im Hinblick auf die Leistungsqualität die BBQK erheblich hinter der Bauüberwachung zurückbleibt, steigt zudem das Risiko, dass das Bauvorhaben mangelhaft errichtet wird. Die „Ersparnis“ wird damit durch einen zeit- und kostenintensiven Nachlauf erkauft, der für die Herstellung des mangelfreien Objektzustands erforderlich wird.

Lohnt sich die Baubegleitende Qualitätskontrolle für Architekten?

Welche Haftungsfolgen sich aus der BBQK ergeben können, hängt vom individuell vertraglich übernommenen Pflichtenkreis ab. Die Anbieter der BBQK wollen ihre Leistungen als Dienstleistung, also ohne die dem Werkvertragsrecht immanente Erfolgshaftung, verstanden wissen.

Trotz aller sprachlichen Kreativität heißt es im Ergebnis meist: Der Leistungserbringer haftet nach den Vorschriften des Werkvertragsrechts. Denn es kommt nicht auf die Bezeichnung, sondern auf den rechtlichen Gehalt des Vertrags an.

Gerichtsurteile zur Baubegleitenden Qualitätskontrolle

Bislang ergangene Entscheidungen sind eindeutig:

  • Wer eine stichprobenhafte Baukontrolle verspricht, haftet für das Erkennen der bei der jeweiligen Begutachtung erkennbaren Mängel (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2001, Az.: VII ZR 475/00).

  • Wer ein Bauvorhaben als „Controller“ stichprobenartig gutachterlich begleitet, haftet hinsichtlich des geschuldeten Erfolgs gemäß den für einen bauaufsichtsführenden Architekten geltenden Maßstäben (OLG Dresden, Urteil vom 26. Oktober 2000, Az.: 7 U 1524/00).

  • Wer Feststellungen zu Bautenständen abgibt, die Grundlage für die finanzierenden Banken werden sollen, haftet auch gegenüber diesen Banken vertraglich für inhaltlich falsche Feststellungen (BGH, Urteil vom 10. März 2005, Az.: VII ZR 220/03 und Urteil vom 25. September 2008, Az.: VII ZR 35/07).

  • Der Baubetreuer, der sich verpflichtet, Handwerkerleistungen auf Übereinstimmung mit den Plänen und ordentliche mangelfreie Arbeit – „gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit dem Architekten“ – zu überwachen, haftet für die unterlassene Überwachung von mangelhaften Verfüllarbeiten (OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. Mai 2009, Az.: 22 U 184/08).

  • Die Tätigkeit eines Qualitätskontrolleurs, der im Zusammenhang mit der Errichtung eines Bauwerks mit der Vornahme mehrerer „Audits“ und einer darauf beruhenden Zertifizierung beauftragt wird, ist als werkvertragliche Tätigkeit einzustufen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 12. September 2017, Az.: 10 U 77/17).

Haftung beschränken nicht möglich

Damit haftet jeder Leistungserbringer, wenn er typische Elemente einer Bauüberwachung übernimmt, wozu die Qualitätskontrolle regelmäßig zählt, ebenso wie ein bauüberwachender Architekt – allerdings für wesentlich geringere Vergütung.

Versuche, die Haftung mit Haftungsbegrenzungsklauseln zu beschränken, funktionieren im Regelfall nicht, denn Klauseln, die (auch) die Haftung bei Verletzung von „Kardinalspflichten“ oder bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Verhalten ausschließen, sind meist unwirksam. Eine Kardinalspflicht ist praktisch jede für die Vertragsbeziehung relevante Pflicht.

Bauüberwachung und zusätzliche Baubegleitende Qualitätskontrolle?

Auch eine allgemeine Beschränkung der Haftung auf eine bestimmte Summe oder auf die Höhe des Honorars ist in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam. Von wenigen, in der Praxis aber kaum relevanten Ausnahmen individuell ausgehandelter Klauseln abgesehen, wird daher eine Haftungsbeschränkung nicht wirksam vereinbart werden können.

Soll der Architekt dem Bauherrn die zusätzliche Beauftragung einer BBQK an einen Dritten anraten? Unter Haftungsgesichtspunkten sollte er das wohl tun. Es spricht nämlich viel dafür, dass ein solcher Dritter als Controller auch gesamtschuldnerisch neben dem bauüberwachenden Architekten haftet.

Das OLG Celle hat mit Urteil vom 11. März 2020 (Az.: 14 U 32/16) bereits für den Projektsteuerer ausgeführt, dass dieser, wenn er typische Architektenziele der Bauüberwachung und eine Qualitätskontrolle der Ausführungsleistung übernimmt, gesamtschuldnerisch neben dem Architekten auf Schadensersatz haftet.

Für den Controller wird nichts anderes gelten, wenngleich dies stets auch von den individuellen vertraglichen Vereinbarungen abhängen wird. So hat das OLG Stuttgart (Beschluss vom 12. September 2017, Az.: 10 U 77/17) eine Gesamtschuld zwischen dem bauüberwachenden Architekten und dem Controller verneint, wenn sich der Controller nicht dazu verpflichtet, Mängel der Bauplanung und -ausführung zu vermeiden, sondern lediglich solche bereits entstandenen Mängel aufzudecken.

Ob sich der Controller – wie der überwachende Architekt – auf § 650 t BGB mit der Folge berufen kann, dass in solchen Fällen zunächst der bauausführende Unternehmer in Anspruch genommen werden muss, ist bislang nicht entschieden. Dies dürfte aber jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn die Schwerpunkte der vom Controller übernommenen vertraglichen Verpflichtungen Grundleistungen der Leistungsphase 8 sind. 

Baubegleitende Qualitätskontrolle: Vorteile für niemanden

Die BBQK ist weder für die Mehrzahl der Bauherren noch für die Anbieter eine sachgerechte Alternative zu einer Bauüberwachung nach Leistungsphase 8. Architekten sollten dem Bauherrn raten, die komplette Bauüberwachung zu beauftragen und für weniger nicht zur Verfügung stehen, da die BBQK gerade nicht dazu geeignet ist, die Herstellung des Bauvorhabens in qualitativer, zeitlicher und finanzieller Hinsicht sicherzustellen. Sie kann allenfalls zusätzlich erfolgen.

Der Architekt als Controller muss sich darüber im Klaren sein, dass er auch bei der BBQK einen werkvertraglichen Erfolg schuldet und damit in gleicher Weise wie ein bauüberwachender Architekt haftet. Vertragliche Gestaltungen, die dieses Risiko vermindern können, sind kaum denkbar. Die reduzierte Vergütung für die BBQK ist vielfach kein angemessenes Äquivalent für das Haftungsrisiko.


Patrick Holtmann ist Rechtsanwalt und Notar mit Amtssitz in Hamm. Er ist bei Heimann Hallermann Rechtsanwälte in Hamm ­Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Generalsekretär des Deutschen Baugerichtstags e. V.

 

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