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Was tun bei Baustopp des ­Bauunternehmens?

Lieferschwierigkeiten, Personalmangel, Preissteigerungen – wann ein Bauunternehmen seine Leistung einstellen kann, wann höhere Gewalt besteht und was Architekten dann beachten müssen

26.10.20237 Min. Kommentar schreiben

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Was tun bei Baustopp des Bauunternehmens?“ im Deutschen Architektenblatt 11.2023 erschienen.

Von David Mattern und Frederik Ulbrich

Architekten kommen häufig mit der Leistungseinstellung von Bauunternehmen in Berührung. Da damit auch Haftungsrisiken für den Architekten verbunden sein können, ist zu beleuchten, welchen Beitrag der Architekt zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten zu leisten hat. Mögliche Gründe für die Einstellung von Leistungen: Zunächst ist das Recht auf Leistungsverweigerung in Betracht zu ziehen.

Die für Bauverträge wichtigste Variante ist die sogenannte Nichterfüllungseinrede gemäß § 320 Abs. 1 BGB. Hiernach ist die nicht vorleistungspflichtige Vertragspartei zur Verweigerung ihrer Hauptleistung (zum Beispiel Zahlung der Vergütung) berechtigt, soweit der Vertragspartner seine Hauptleistung (zum Beispiel Erstellung und Übergabe der Ausführungsplanung) nicht ordnungsgemäß erbringt.

Störung und Behinderung

Ein weiterer möglicher Umstand ist die „externe“ Störung des Bauunternehmers. Aufgrund der sogenannten Behinderung können Hemmung, Verzögerung oder Unterbrechung des Bauablaufs eintreten. Solche Störungen sind nahezu immer mit Kostensteigerungen und/oder Terminverzögerungen verbunden. Wie sich ein solcher störender Sachverhalt auf den Bauablauf auswirkt und ob ein Anspruch auf Ausführungsfristverlängerung besteht, bemisst sich maßgeblich danach, wem die Behinderung zugerechnet werden kann oder ob diese durch „höhere Gewalt“ zustande kam.

Vernachlässigte Mitwirkung

Die bekannteste Konstellation ist die Vernachlässigung von Mitwirkungsobliegenheiten durch den Bauherrn (§ 642 BGB oder bei Vereinbarung der VOB/B § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 VOB/B). Typische vom Bauherrn erwartete Mitwirkungshandlungen sind die rechtzeitige Bereitstellung des Baugrundstücks, die Beschaffung von Genehmigungen, die pünktliche Beistellung der erforderlichen Planungen oder die ordnungsgemäße und termingerechte Leistung etwaiger Vorgewerke.

Baustopp wegen Beschaffungsengpässen

Kann Baumaterial wegen eines Verbots aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen dauerhaft nicht mehr beschafft werden, entfällt die Leistungsverpflichtung des Bauunternehmers wegen Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB). Auf einem globalisierten Markt wird dies in der Praxis allerdings so gut wie nie der Fall sein, da stets eine Bezugsquelle oder ein vergleichbares Fabrikat zur Verfügung steht.

Liegt kein Entfallen der Leistungspflicht vor, so mag der Bauunternehmer aber bei Lieferschwierigkeiten ein Interesse daran haben, die vereinbarten Ausführungsfristen zu verlängern, um drohenden Verzug und damit einhergehende Schadensersatzansprüche des Bauherrn abzuwenden. Er wird erklären, zum Beispiel wegen des Kriegs in der Ukraine und der daraus resultierenden Umstände an der Lieferung und damit auch an seiner Werkleistung nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) VOB/B behindert zu sein.

Doch war das Ereignis bei Vertragsschluss bekannt, so nimmt der Bauunternehmer das Beschaffungsrisiko in Kauf. Ein Anspruch auf Verlängerung der Ausführungsfristen scheidet aus. Zu einem anderen Ergebnis kann man gelangen, wenn das Ereignis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unvorhersehbar war. Pandemie und Ukrainekrieg sind dann klassische Fälle „höherer Gewalt“.

Verlängerungsprüfung

In der weitergehenden Verlängerungsprüfung werden allerdings hohe Anforderungen an die Darlegung der Behinderung und ihrer Auswirkungen gestellt. Die abstrakte Möglichkeit von Erschwernissen reicht nicht aus. Der Bauunternehmer muss durch eine sogenannte bauablaufbezogene Darstellung konkret darlegen, wie sich der unvorhersehbare und schwerwiegende Umstand auf den Bauablauf und auf die Materialbeschaffung auswirkte. Diese Anforderung wird in der gerichtlichen Praxis häufig nicht erfüllt.

Baustopp wegen Fachkräftemangels

Der allgemein bekannte Fachkräftemangel rechtfertigt keinen Personalnotstand auf der Baustelle, da der Auftragnehmer mit Vertragsschluss grundsätzlich das Risiko der Beschaffung und die Verantwortung für die personelle Besetzung übernimmt. Der demografische Wandel stellt keinen Behinderungstatbestand dar.

Baustopp wegen Materialpreissteigerung

Verlangt der Bauunternehmer hingegen eine Verhandlung über eine Preisanpassung wegen Materialpreissteigerung (bei Fehlen von vertraglichen Preisanpassungsmechanismen mit dem Verweis auf die Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB), ist stets zu prüfen, worin die Ursache der Preisentwicklung liegt und ob das Ereignis bekannt war. Zur Covid-19-Pandemie hat der BGH in einem mietrechtlichen Fall entschieden, dass die Geschäftsgrundlage von diesem Ereignis betroffen sei, da sich politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen gravierend geändert haben (BGH, Urteil vom 12. Januar 2022, Az.: XII ZR 8/21).

Nach der baurechtlichen Literatur vermögen auch die Folgen des Ukrainekriegs die Geschäftsgrundlage eines Bauvertrags zu stören. Eine Anpassung des vereinbarten Preises wegen Materialpreissteigerungen ist denkbar, wenn ein Festhalten am Vertrag für den Bauunternehmer zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Die Unzumutbarkeitsprüfung ist im Hinblick auf die Gesamtbeauftragung und nicht nur auf einzelne Bestandteile des Leistungsverzeichnisses zu prüfen.

Wo die Grenze zu ziehen ist, wird weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur festgelegt, da sich die Zumutbarkeitsschwelle nach einer Vielzahl von Faktoren (Vorhersehbarkeit der Preisentwicklung, vertragliche Risikoverteilung, Möglichkeit der Vermeidbarkeit von Risiken, etc.) bemisst. In gravierenden und insbesondere gut dokumentierten Fällen ist dem Bauherrn anzuraten, in die Verhandlung einzutreten, um dem Bauunternehmer die Möglichkeit zu nehmen, bereits aus der Ablehnung eines Verhandlungstermins ein Leistungsverweigerungsrecht ableiten zu wollen.

Pflichten von Architekten bei einem Baustopp

Als Sachwalter des Bauherrn wird der Architekt nicht selten mit den vorgenannten Konstellationen konfrontiert und aufgefordert, zur Berechtigung der (angedrohten) Leistungseinstellung Stellung zu nehmen. Der Architekt hat den Bauherrn schon aus Selbstschutz darüber aufzuklären, dass dort, wo die Rechtsberatungspflicht des Architekten besteht, nur rechtliche Grundzüge der Beratung geschuldet sein können.

Der Architekt hat die Besonderheiten der Vertragsunterlagen des Bauherrn mit den bauausführenden Unternehmern zu kennen und durch Auslegung seine Schlüsse zu ziehen. Die vereinbarten Termine und der geschuldete Personaleinsatz sind vom Architekten zu überwachen.

Im Hinblick auf das Thema Leistungseinstellung besteht in Leistungsphase 8 die Verpflichtung, die Ansprüche des Bauherrn durch die Dokumentation des Bauablaufs, insbesondere der Ursachen einer Bauablaufstörung, zu sichern. Behinderungsanzeigen der Projektbeteiligten sind zu überprüfen und bei überschaubaren Fällen als Sachwalter des Bauherrn zu beantworten. Sieht sich der Architekt in rechtlicher Hinsicht nicht gewappnet, sollte die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts empfohlen werden.

Besonders wichtig ist hier: Nimmt der Architekt zu rechtlichen Fragen des Bauherrn Stellung, so haftet er für die Richtigkeit seiner Ausführungen (ohne entsprechenden Versicherungsschutz). Hierbei ist es völlig irrelevant, ob er hierzu verpflichtet oder berechtigt war. Eine jede Antwort sollte daher trotz des vorherrschenden Drucks auf der Baustelle unter Berücksichtigung dieses Umstands erfolgen.

Terminanpassungen im Bauablauf

Verschieben sich die Termine mit den Projektbeteiligten, ist es Aufgabe des Architekten, den Terminplan anzupassen. Die Behinderung eines Baubeteiligten kann aber auch auf die zwischen Architekt und Bauherrn vereinbarten Vertragsfristen durchschlagen.

Ein zeitliches Anordnungsrecht des Bauherrn ohne vertragliche Vereinbarung besteht nicht. Wird der Architekt etwa im Fall eines Baustellenstillstands an der Leistungserbringung (Bauüberwachung) gehindert und ist ein Leistungszeitraum für Leistungsphase 8 vereinbart, sollte dieser gegenüber dem Bauherrn in jedem Fall entsprechend den Anforderungen von § 6 Abs. 1 VOB/B die Behinderung anzeigen. Liegt eine Behinderung vor, verschieben sich die Ausführungsfristen um den Behinderungszeitraum – unter Berücksichtigung einer Anlaufphase für die Wiederaufnahme der Arbeiten, wenn die Leistung länger eingestellt wird.

Häufig besteht Streit über die Gründe einer Behinderung. Verursachungsbeiträge werden im Streitfall zumindest auch reflexartig dem Architekten zugewiesen und tatsächliche Verantwortlichkeiten erst Jahre später im Verlauf eines Gerichtsverfahrens aufgeklärt. Um die beiderseitige Ungewissheit auszuräumen, sollte zugunsten einer weiteren guten Zusammenarbeit auch noch nach dem Vertragsschluss eine ergänzende Vereinbarung über den Bauzeitenplan und gegebenenfalls neue Vertragstermine geschlossen werden, wenn die Positionen nicht zu weit auseinanderliegen.

Der Architekt sollte diesen Moment nutzen, um auch eine rechtssichere Regelung über seine mit der Beschleunigung oder Verlängerung der Bauzeit eintretenden Mehraufwendungen mit dem Bauherrn zu treffen, denn auch Letzterer wird ein erhebliches Interesse an der Vereinbarung neuer Termine haben.

Dr. David Mattern und Frederik Ulbrich sind Fachanwälte für Bau- und Architektenrecht bei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte in Hamburg. Dr. David Mattern ist außerdem Co-Autor des „Praxishandbuchs Architektenrecht. Praxisbeispiele, Mustervertrag, Musterbriefe“


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