Teil 2 der dreiteiligen DAB-Recht-Reihe: Bauvertragsrecht
Text: Arndt Kresin
In Teil 1 dieser Reihe wurde darauf hingewiesen, dass mit der Reform erstmals seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) im Jahr 1900 spezielle Regelungen für das Bau- und Architektenrecht in das BGB eingeführt werden. Noch vor dem Inkrafttreten der Reform am 1. Januar 2018 werden jedoch die kritischen Stimmen lauter. Einzelne Regelungen, wie etwa das unten erläuterte einseitige Anordnungsrecht des Bestellers/Auftraggebers, erscheinen aus Sicht eines Auftraggebers eher sperrig für die Praxis. Die Reform ist jedoch im Ganzen durchdacht und strukturiert und berücksichtigt die Interessen von Auftraggeber und Auftragnehmer gleichermaßen. Erst die Anwendung wird zeigen, wie sich einzelne Vorschriften bewähren.
Der Bauvertrag ist gemäß § 650 a BGB ein Vertrag über „die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon“. Auch die Instandhaltung eines Bauwerks unterliegt dem Bauvertrag, „wenn das Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung ist“. Das Bauvertragsrecht wird zukünftig in §§ 650 a bis 650 h BGB geregelt.
Einseitiges Anordnungsrecht des Bestellers
Bislang existiert im Gesetz kein Recht für den Besteller (also den Auftraggeber), den Leistungsinhalt einseitig durch Anordnung zu ändern. Für den Bauvertrag und über Verweise für den Verbraucherbau- sowie den Architekten- und Ingenieurvertrag wird nun in §§ 650 b, c BGB ein solches Anordnungsrecht geschaffen. § 650 b Abs. 1 BGB bestimmt zunächst, welche Änderungen der Auftraggeber inhaltlich einseitig anordnen kann. Zulässig sind (1): Änderungen des vereinbarten Werkerfolgs, sofern sie für den Unternehmer (das heißt Auftragnehmer) zumutbar sind (§ 650 b Abs. 1 Satz 2 BGB), sowie (2): Änderungen, die zur Erreichung des (unverändert) vereinbarten Werkerfolgs notwendig sind.
Bevor der Auftraggeber allerdings die Änderung einseitig anordnen darf, haben die Parteien über die Änderung an sich und die sich daraus ergebende Vergütungsanpassung Einvernehmen anzustreben (Kooperationspflicht). Dabei ist der Auftragnehmer verpflichtet, ein Angebot über die Mehr- oder Mindervergütung zu erstellen. Trägt der Auftraggeber die Planungsverantwortung (zum Beispiel, weil er die Ausführungsplanung zu erstellen hat), trifft den Auftragnehmer diese Pflicht erst, nachdem ihm der Auftraggeber die erforderliche geänderte Planung zur Verfügung gestellt hat. Einigen sich die Parteien nicht binnen 30 Kalendertagen nach Zugang des Änderungsbegehrens, kann der Auftraggeber die Änderung in Textform (§ 126 b BGB) einseitig anordnen. Dazu genügen lesbare Erklärungen, die auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden (insbesondere schriftliche Erklärung, Fax, E-Mail).
Im Gegenzug hat der Auftragnehmer Anspruch auf eine Anpassung seiner Vergütung gemäß § 650 c Abs. 1 BGB. Diese berechnet sich für den infolge einer Anordnung vermehrten oder verminderten Aufwand nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für Allgemeine Geschäftskosten (insbesondere Verwaltungskosten), Wagnis und Gewinn. Eine Berechnung nach einer vereinbarungsgemäß hinterlegten Urkalkulation ist möglich. Diese Vorgehensweise beinhaltet jedoch lediglich die widerlegbare Vermutung, dass sie die tatsächlich erforderlichen Kosten widerspiegelt, § 650 c Abs. 2 BGB. Im Bauvertrag nach BGB werden, anders als bei einem Vertrag mit vereinbarter VOB/B, die vertraglichen Preisbestandteile also nicht in Nachträgen gemäß § 650 c BGB fortgeführt.
Vorläufiger Anspruch auf 80 Prozent der Vergütungsanpassung
Kommt bei einer solchen Anordnung keine Einigung über die Vergütung zustande, ist der Auftragnehmer berechtigt, für die ausgeführte angeordnete Leistung bis zu 80 Prozent seines Angebots zur Vergütungsanpassung vorläufig in einer Abschlagsrechnung geltend zu machen, § 650 c Abs. 3 BGB. Die endgültige Berechnung erfolgt in der Schlussrechnung. Zahlungen, die den tatsächlich erforderlichen Aufwand übersteigen, hat der Auftragnehmer zuzüglich Zinsen ab dem Eingang des zu viel bezahlten Betrages zurückzuzahlen. Dies soll den Auftragnehmer von einer überhöhten vorläufigen Abrechnung abhalten. Der Zinssatz bestimmt sich nach § 288 BGB und liegt grundsätzlich 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz bzw. 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz bei einem Bauvertrag, an dem kein Verbraucher beteiligt ist.
Einstweiliger Rechtsschutz
Weigert sich der Auftragnehmer, die Anordnung auszuführen oder erachtet der Auftraggeber das in einer Abschlagsrechnung abgerechnete Angebot für zu hoch, kann er gerichtlichen Rechtsschutz im Wege einer einstweiligen Anordnung suchen. Das geht schneller als mit einer Klage. Zuständig ist hierfür die Baukammer am Landgericht.
Gesonderte Vergütungsanpassung bei Anordnungen im Architekten- und Ingenieurvertrag
Die Regelungen zum oben genannten Anordnungsrecht finden auch im Architektenund Ingenieurvertrag Anwendung, § 650 q Abs. 1 BGB. Hinsichtlich der Vergütungsanpassung sind jedoch die Entgeltberechnungsregelungen der HOAI vorrangig, § 650 q Abs. 2 BGB. Existiert für die angeordneten Leistungen keine Preisbindung nach der HOAI, wie es zum Beispiel bei sogenannten Besonderen Leistungen der Fall ist, kann der Planer nach dem tatsächlich erforderlichen Aufwand der angeordneten Leistung gemäß § 650 c BGB abrechnen, wenn die Parteien keine Honorarvereinbarung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 3 HOAI getroffen haben. Der Planer ist dann berechtigt, den tatsächlich erforderlichen Aufwand zuzüglich angemessener Zuschläge für Allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn abzurechnen.
Hingegen besteht für Grundleistungen eine Preisbindung gemäß § 7 HOAI. Einigen sich die Parteien über eine Vergütungsanpassung bei angeordneten Leistungen, muss sich das angepasste Honorar im Rahmen der Mindest- und Höchstsätze befinden. Einigen sich die Parteien nicht über eine Vergütungsanpassung, so bestimmt sich deren Berechnung nach § 10 HOAI. Von § 10 Abs. 1 HOAI sind Änderungen des Umfangs der beauftragten Leistung erfasst, sofern sich hierdurch die anrechenbaren Kosten beziehungsweise Flächen ändern. Entsprechend sind gegebenenfalls die weiteren Berechnungsgrundlagen (Honorarzone, Honorartafel) anzupassen. Das gilt auch für sich wiederholende Grundleistungen. § 10 Abs. 2 HOAI behandelt die Fälle, bei denen Änderungen zwar zur Wiederholung von Grundleistungen führen, jedoch die anrechenbaren Kosten beziehungsweise Flächen unverändert bleiben (zum Beispiel erneute Vergabe nach Insolvenz des Bauunternehmers). Die Höhe wird sodann nach dem Anteil der wiederholten Grundleistungen an der jeweiligen Leistungsphase berechnet. Hierbei stehen die in der Praxis bekannten Tabellen für Teilleistungen und ihre Honorare (sogenannte Splittertabellen) zur Verfügung. § 10 HOAI verlangt eine schriftliche Vereinbarung des geänderten Honorars. Nach der hier vertretenen Auffassung führt jedoch eine fehlende Schriftform nicht dazu, dass die angeordneten Leistungen nach den Mindestsätzen abgerechnet werden müssten. Wurde im Ursprungsvertrag ein höherer Satz vereinbart, so gilt dieser auch im Falle des § 10 HOAI, denn die angeordnete Leistung begründet keinen neuen Vertrag, sondern ändert lediglich den ursprünglichen ab. Ungeachtet dessen muss der Planer bei einer einseitigen Anordnung aber immer darauf achten, dass ihm der Auftraggeber die Anordnung in Textform erklärt hat, § 650 b Abs. 2 BGB; andernfalls hat der Planer keinen Anspruch auf Anpassung seiner Vergütung, sondern allenfalls auf den in aller Regel deutlich geringeren Wertersatz gemäß § 818 Abs. 2 BGB.
Zustandsfeststellung bei Verweigerung der Abnahme
Nach § 650 g Abs. 1 BGB sind die Parteien verpflichtet, eine förmliche Zustandsfeststellung vorzunehmen, falls der Auftraggeber die Abnahme verweigert. Der Auftragnehmer kann diese Feststellung alleine vornehmen, wenn der Auftraggeber zum vereinbarten oder zum vom Auftragnehmer innerhalb einer angemessenen Frist bestimmten Termin nicht erscheint. Ist der Auftraggeber dem Termin jedoch unverschuldet ferngeblieben und hat er dies dem Auftragnehmer unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, mitgeteilt, entfaltet eine einseitige Zustandsfeststellung keine Rechtswirkung.
Eine berechtigte Zustandsfeststellung führt dazu, dass die Beweislast auf den Auftraggeber bei offenkundigen Mängeln übergeht. Ist nämlich das Werk dem Auftraggeber verschafft (also übergeben) worden, wird bei einem danach von ihm gerügten offenkundigen Mangel vermutet, dass dieser nach der Zustandsfeststellung entstanden und von ihm zu vertreten ist. Diese Vermutung findet jedoch keine Anwendung, falls der Mangel in seiner Art nicht vom Auftraggeber verursacht worden sein kann (etwa Verwendung von Baumaterialien, die nicht der vertraglichen Vereinbarung entsprechen). Ansonsten trägt der Auftraggeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Mangel bei Zustandsfeststellung bereits vorhanden war und daher vom Auftragnehmer zu beseitigen ist – und das, obgleich eine Abnahme fehlt.
Schlussrechnung
Im Bauvertrag wird die Schlusszahlung gemäß § 650 g Abs. 2 BGB erst fällig, wenn die Leistung abgenommen und eine prüffähige Rechnung erteilt wurde. Eine ähnliche Regelung kennen Architekten für ihre eigene Rechnung aus § 15 Abs. 1 HOAI.
Arndt Kresin ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in München.
Über die für Architekten relevanten Neuerungen können Sie sich in der dreiteiligen DAB-Reihe einen Überblick verschaffen.
1. Teil: Allgemeines und neues Architektenvertragsrecht
2. Teil: Bauvertragsrecht
3. Teil: Verbraucherbauvertrag und weitere Regelungen
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