Von Hubertus Schulte Beerbühl
Entscheidungen zur Bebauungsplanung
B-Plan muss nicht jeden Konflikt selbst lösen
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20. April 2010, Az.: 4 BN 17/10
Wirft ein Bebauungsplan Konflikte auf, etwa durch das Aufeinanderstoßen von unverträglichen Nutzungen oder durch eine absehbare starke Verkehrsbelastung, sind diese Konflikte grundsätzlich in dem Plan selbst zu lösen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die hervorgerufenen Probleme nicht zulasten betroffener Belange ungelöst bleiben dürfen. Dieser Grundsatz schließt jedoch nicht zwingend aus, dass die Problemlösungen aus dem Bauleitverfahren auf das nachfolgende Verwaltungshandeln verlagert werden, insbesondere auf ein Genehmigungsverfahren. Die Gemeinde muss einen Konflikt nicht abschließend im Bebauungsplan lösen, wenn diese Lösung auf der Stufe der Verwirklichung der Planung im Wege einer sogenannten Nachsteuerung sichergestellt ist. Die Grenzen zulässiger Konfliktverlagerung sind indes überschritten, wenn bereits im Planungsverfahren absehbar ist, dass sich der offengelassene Interessenkonflikt auch in einem nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht lösen lassen wird. Im konkreten Fall hatte die Gemeinde die Aufgaben, Verkehrsverstöße zu bewältigen und die Verkehrslenkung konkret auszugestalten, nicht in dem umstrittenen Bebauungsplan gelöst, sondern dies Regelungen vorbehalten. Auf der Grundlage der genannten Grundsätze hielt das Bundesverwaltungsgericht dies für rechtlich unbedenklich und wies das Rechtsmittel gegen die Entscheidung zurück.
B-Plan darf nicht nur Privatinteressen verfolgen
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. Januar 2010, Az.: 8 C 10725/09
Bebauungspläne müssen nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung „erforderlich“ sein, ansonsten dürfen sie nicht erlassen werden. Dabei ist auf die planerische Konzeption der Gemeinde abzustellen; welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem grundsätzlich weiten planerischen Ermessen. Im Rahmen ihrer Städtebaupolitik hat sie die Befugnis, zu entscheiden, in welchem Umfang sie Teile des Gemeindegebiets zur Unterbringung von Gewerbebetrieben zur Verfügung stellt. Soweit hierdurch bisherige Außenbereichsflächen mit Auswirkung auf das Landschaftsbild und etwa, wie in dem entschiedenen Fall, auf die Bearbeitung benachbarter Weinbergflächen überplant werden sowie zusätzliche Verkehrsbelastungen der Erschließungsstraße zu erwarten sind, verlangt dies nach bauleitplanerischer Konfliktbewältigung. Ein Zusammenwirken der Gemeinde mit Investoren zur Lösung der Konflikte macht die Planung nicht rechtswidrig. Die Gemeinde darf hinreichend gewichtige private Belange zum Anlass für die Aufstellung eines Bebauungsplans nehmen und sich dabei auch an den Wünschen des künftigen Vorhabensbetreibers orientieren, solange sie damit zugleich auch städtebauliche Belange und Zielsetzungen verfolgt. Lediglich wenn die Gemeinde mit ihrer Bauleitplanung ausschließlich private Interessen verfolgt, setzt sie das ihr zur Verfügung stehende Planungsinstrumentarium des Baugesetzbuches in zweckwidriger Weise ein. Eine solche „Gefälligkeitsplanung“ ist unzulässig.
Hohe Baudichte: nur zulässig, wenn städtebaulich geboten
Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 22. April 2010, Az.: 4 C 306/09.N
§ 17 Abs. 1 BauNVO bestimmt im Einzelnen, welche Obergrenzen bei der Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung in einem Bebauungsplan nicht überschritten werden dürfen. Die in den Absätzen 2 und 3 enthaltenen Ausnahmen setzen voraus, dass besondere städtebauliche Gründe die Überschreitung „erfordern“. (In früher geltenden Fassungen dieser Bestimmung, noch anwendbar für Bebauungspläne, die unter ihrer Geltung in Kraft gesetzt wurden, hatte es geheißen, dass solche Gründe dies lediglich „rechtfertigen“ müssten.) „Erfordern“ bedeutet nach Auffassung des Gerichts, dass die geplante Maßnahme nur bei Überschreitung realisiert werden kann. Der Begriff sei im Sinne eines „vernünftigerweise Gebotenseins“ auszulegen. Die Maßüberschreitung setze eine städtebauliche Situation und eine durch den Bebauungsplan zu lösende Problematik voraus, die nicht alltäglich und nicht in beliebiger örtlicher Lage anzutreffen sei. Es müsse sich um eine städtebauliche Ausnahmesituation handeln; reguläre städtebauliche Gründe in einer Standardsituation reichten nicht aus. Das Gericht befand in dem entschiedenen Fall, dass die geplante hohe Bebauungsdichte im bisherigen Hafengebiet einer Großstadt nicht erforderlich gewesen sei. Denn diese Beplanung des Gebiets mit fünf bis 21 Geschossen sei nicht vernünftigerweise durch stadtgestalterische Gesichtspunkte geboten gewesen. Auch die Verbesserung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit von Grundstücken sei kein hinreichender Grund, ebenso wenig wie das Ziel, ein attraktives neues innerstädtisches Stadtquartier zur Schaffung von Wohnraum und Arbeitsplätzen zu ermöglichen.
Entscheidungen zu Gemeinderechten
Keine Planungshoheit – kein gemeindliches Einspruchsrecht
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24. Juni 2010, Az.: 4 B 60/09
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 19. Juli 2010, Az.: 9 CE 10.983
Mehrere Entscheidungen befassen sich mit der Frage, mit welcher Begründung eine Gemeinde ihr Einvernehmen mit einem im Außenbereich geplanten Vorhaben (§ 36 BauGB) verweigern darf. Das Bundesverwaltungsgericht hatte schon früher entschieden, dass die mit der unteren Baugenehmigungsbehörde identische Gemeinde die Ablehnung eines Bauantrags nicht lediglich mit der Versagung ihres Einvernehmens begründen darf. Wenn dann die Widerspruchsbehörde eine Baugenehmigung oder einen Bauvorbescheid erteilt, kann sich die Gemeinde also nicht erfolgreich unter Berufung auf ihr fehlendes Einvernehmen dagegen zur Wehr setzen. Sie hat aber die Befugnis, sich gegenüber der Widerspruchsbehörde auf den Schutz ihrer materiell-rechtlichen Planungshoheit zu berufen. In der jüngsten Entscheidung hat das Gericht bekräftigt, dass die Gemeinde insbesondere geltend machen könne, ein Vorhaben sei nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert und beeinträchtige öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB. Sie könne sich auch darauf berufen, die ausreichende Erschließung sei nicht gesichert. Verstöße gegen andere Rechtsnormen könnten dem Rechtsmittel der Gemeinde dagegen nur dann zum Erfolg verhelfen, wenn diese Normen auch dem Schutz der Gemeinde zu dienen bestimmt seien, insbesondere ihrer Planungshoheit. In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, die Gemeinde sei nicht befugt, ihr Einvernehmen aus Gründen des Naturschutzes zu versagen; sie könne dies nur insoweit tun, als die Naturschutzbelange einen Bezug zu ihrer Planungshoheit hätten, was bei Gründen des Landschaftsschutzes in Betracht komme. Der Einwand, dass für die hier streitige Windenergieanlage kein baurechtliches, sondern ein immissionsrechtliches Genehmigungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen, sei unerheblich. Denn der Gemeinde hätten auch im Rahmen eines solchen Verfahrens keine weitergehenden Rügebefugnisse zugestanden, die ihr ein Berufen auf allgemeine naturschutzrechtliche Belange ohne einen Bezug zu ihrer Planungshoheit erlaubt hätten.
Kein Anspruch auf Stellplätze auf Grünfläche
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24. Juni 2010 , Az.: 4 B 60/09
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 19. Juli 2010, Az.: 9 CE 10.983
Befestigte Stellplätze sind bauliche Anlagen im bauplanungsrechtlichen Sinn, insbesondere weisen sie bodenrechtliche Relevanz auf (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 BauGB). Sie können nach § 23 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Satz 1 BauNVO, wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen errichtet werden, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zugelassen sind oder zugelassen werden können. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, folgt daraus aber noch kein Anspruch des Bauherrn auf Genehmigung. Vielmehr eröffnet die Bestimmung der Baugenehmigungsbehörde einen tendenziell weiten Ermessensspielraum, innerhalb dessen etwa entgegenstehende öffentliche Belange und nachbarliche Interessen mit den Belangen des Bauherrn abzuwägen sind. Als öffentliche Belange können insbesondere städtebauliche Folgen einer Zulassung von Nebenanlagen außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen zu berücksichtigen sein. In dem entschiedenen Fall hatte die Behörde es abgelehnt, vor dem Mehrfamilienhaus vorgesehene Stellplätze außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche zuzulassen. Begründet wurde dies in erster Linie mit der Einschränkung der für eine Begrünung zur Verfügung stehenden Vorgartenfläche und der damit verbundenen Vorbildwirkung im gesamten Plangebiet. Das damit geltend gemachte öffentliche Interesse stellte nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts einen im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 23 Abs. 5 BauNVO relevanten städtebaulichen Belang dar. Die Festsetzung wolle die Anlage von Grünflächen ermöglichen, die dem gesunden Wohnen und einer attraktiven Gestaltung des Ortsbildes dienen. Dem stehe kein überwiegendes privates Interesse des Bauherrn gegenüber, das so schwer wiege, dass die Behörde ihm Vorrang gegenüber den städtebaulichen Belangen hätte einräumen müssen. Selbst wenn die Stellplätze nicht woanders nachgewiesen werden könnten, wäre der Bauherr nicht schlechthin an einer baulichen Nutzung seines Grundstücks gehindert. Ihm bliebe allenfalls die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit sechs Wohneinheiten verwehrt, was ein Maß der baulichen Nutzung sei, das unter Berücksichtigung der Größe des Vorhabensgrundstücks ohnehin an die Grenze dessen stoße, was der Bebauungsplan mit seinen weiteren Festsetzungen zulasse.
Dr. Hubertus Schulte Beerbühl ist Richter am Verwaltungsgericht Münster.
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