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Berater für alles

Von der Fensterpflege bis zum Steuervorteil – die Informationspflicht gegenüber Bauherren ist fast uferlos

01.02.20124 Min. Kommentar schreiben

Von Peter Schulze

Eine Entscheidung des OLG Koblenz (5 U 297/11, bereits kurz dargestellt in Ausgabe 10/2011, S. 6) hat für gewisse Aufregung gesorgt. Das Gericht hatte festgestellt, dass es zu den Vertragspflichten des Architekten gehört, bei der Wahl und beim Einbau von Fenstern aus bestimmten Materialien den Bauherrn auch auf die notwendige Pflege hinzuweisen. In dem vom OLG Koblenz entschiedenen Fall hatte ein Ehepaar seinen Architekten verklagt, nachdem die eingebauten Fenster aus Kiefernholz innerhalb kurzer Zeit verfault waren. Nach Auffassung des Gerichts hätte der Architekt seine Bauherren darüber aufklären müssen, dass Fensterrahmen aus Kiefernholz regelmäßig einen Schutzanstrich benötigen. Da er das nicht getan hatte, verurteilte ihn das Gericht auf Schadensersatz in Höhe von mehr als 14.000 Euro.

Pflichten in vielen Leistungsphasen

Zwar wirft diese Entscheidung eine Reihe von Fragen nach einer sinnvollen Begrenzung der Verantwortlichkeit von Architekten auf. Doch ist die Grundtatsache unbestritten, dass sie eine große Anzahl von Hinweis-, Aufklärungs- und Beratungspflichten haben, deren Verletzung im Schadensfall Ersatzansprüche begründen kann. Durch die wiederholt bestätigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) hat sich inzwischen die Erkenntnis verbreitet, dass die im Honorarrecht der HOAI den Leistungsbildern zugeordneten Leistungsphasen und Einzelleistungen ausschließlich Honorartatbestände darstellen. Trotzdem werden in Architektenverträgen die vertraglich geschuldeten Leistungen häufig unter Bezug auf die Leistungsbilder der HOAI definiert. Nach wie vor bildet in der Praxis zum Beispiel das Leistungsbild Gebäude, Anlage 11 zur HOAI, mit den Leistungsphasen und Einzelleistungen eine brauchbare Grundlage für die Definition der Pflichten, die vertraglich zu übernehmen sind.

Bereits in den einzelnen Leistungsphasen tauchen zahlreiche Pflichten zur Beratung, Auskunft, Aufklärung, Information und Erteilung von Hinweisen auf. In der Grundlagenermittlung ist die Beratung zum gesamten Leistungsbedarf ebenso enthalten wie das Formulieren von Entscheidungshilfen, in Leistungsphase 2 das Erläutern der wesentlichen Zusammen­hänge, Vorgänge und Bedingungen. Die ­Leistungsphase 4 erfordert Beratung zu den Rahmenbedingungen planungs- und bauordnungsrechtlicher Vorschriften. Klärung der Vergabemodalitäten und beratende Mitwirkung bei der Auftragserteilung sind in Leistungsphasen 6 und 7 enthalten. Beratungs- und Informationspflichten ergeben sich im Rahmen der Objektüberwachung und, auf allen maßgeblichen Stufen, natürlich auch die Aufklärung des Bauherrn über die Kostenentwicklung.

Rat zu Recht, Technik, Steuern und mehr

Darüber hinaus gibt es allerdings zahlreiche weitere von der Rechtsprechung bestätigte Hinweis- und Beratungspflichten. Diese können bereits in einer frühen Phase entstehen. Der Architekt muss den Bauherrn sowohl in technischer als auch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht über riskante Planungen rechtzeitig informieren; er schuldet Hinweise auf Genehmigungsrisiken, und er muss in baurechtlich riskanten Situationen den Bauherrn über die Möglichkeit eines Bauvorbescheides aufklären. Hinweispflichten bestehen bei Verwendung neuer, unerprobter Baustoffe oder unerprobter Techniken ebenso wie bei Möglichkeiten öffentlicher Förderung. Schließlich ist der Architekt nach der Rechtsprechung sogar verpflichtet, den Bauherrn bei der Abnahme der Bauleistungen auf eigene Fehler hinzuweisen. Ihm obliegt – so der BGH – die objektive Klärung der Mängelursachen, selbst wenn hierzu eigene Planungs- oder Aufsichtsfehler gehören.

Die Beratungspflichten beschränken sich nicht auf technische Sachverhalte. Sie umfassen wirtschaftliche Risiken und finanzielle Rahmenbedingungen ebenso wie mögliche Steuervergünstigungen. Umfassende Pflichten haben Gerichte gerade auch im Rechtsbereich immer wieder festgestellt: von den Grundzügen des Werkvertragsrechtes bis hin zur notwendigen Kenntnis der Regelungen der VOB, beginnend bei den Arten der Vergabe, dem Umfang der Ausschreibung, Vergütungsvarianten bis hin zu Abnahme und Vertragsstrafenvorbehalten. Unklar bleiben allerdings in vielen Fällen die Grenzen zur unzulässigen Rechtsberatung.

Vom Grundsatz her schuldet der Architekt seinem Auftraggeber immer dann Hinweise und Beratungen, wenn er aufgrund der von ihm zu verlangenden Fachkunde dazu in der Lage ist und der Bauherr entsprechende Informationen benötigt, um wirtschaftlichen oder technischen Schaden abzuwenden. Der Umfang seiner Beratungspflicht ist aber in jedem Falle abhängig von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere auch von der Sachkunde und Kenntnis des Auftraggebers selbst. Verfügt der Bauherr bekanntermaßen oder erkennbar über die notwendigen Kenntnisse, so reduziert sich die Intensität notwendiger Beratungen und Hinweise durch den Architekten. Im umgekehrten Falle wird man davon ausgehen müssen, dass gerade in Verträgen mit „Verbrauchern“, insbesondere im Bereich der selbst genutzten Einfamilienhäuser, eine intensivere Beratung mit sehr konkreten Hinweisen angebracht ist. Bei geschäftlich oder technisch eher naiven Bauherren mag dazu durchaus der Hinweis gehören, dass bei Holzfenstern aus schlichtem Material der nachfolgende Pflegeaufwand bereits nach kurzer Zeit beträchtlich sein kann.

Peter Schulze ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Hannover.

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