Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Keine Deckung“ im Deutschen Architektenblatt 02.2022 erschienen.
Von Florian Krause-Allenstein
Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung ist nicht zuletzt aufgrund der sich aus dem Berufsrecht ergebenden Versicherungspflicht ein Automatismus. Um dem hohen Haftungsrisiko für Architekten Rechnung zu tragen, bieten Anbieter von Berufshaftpflichtversicherungen den Planern grundsätzlich einen komfortablen Deckungsschutz an. Aber auch der beste Versicherungsschutz kann nicht lückenlos sein, da anderenfalls das wirtschaftliche Risiko für die Versicherungswirtschaft unkalkulierbar und die Prämienhöhe ein Niveau erreichen würde, das nicht mehr finanzierbar wäre.
Kein Schutz bei Überschreitung des versicherten Berufsbilds
Die Leistungen von Architekten und Ingenieuren werden unter anderem durch die Architektenkammern in unterschiedliche Berufsbilder eingeteilt. Gemäß A1-1 der durch den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft herausgegebenen unverbindlichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung der Architekten (AVB Arch./Ing.) erhält der Planer in seiner Berufshaftpflichtversicherung nur für solche Tätigkeiten Versicherungsschutz, die dem Berufsbild im Versicherungsschein entsprechen. Konkretisiert wird diese Beschränkung in A1-3.5 AVB Arch./Ing. Diese Klausel regelt, dass für den Fall, dass der Versicherungsnehmer Verpflichtungen übernimmt, die über die im Versicherungsschein beschriebenen Tätigkeiten oder Berufsbilder hinausgehen, er keinen Deckungsschutz hat.
Planer als Generalplaner
Wenn ein Architekt daher gemäß seinem Versicherungsschein für das Berufsbild der Gebäudeplanung Versicherungsschutz hat, aber aufgrund eines Vertrages mit seinem Auftraggeber als Generalplaner tätig wird, hat er – wenn nichts anderes in seinem Versicherungsvertrag geregelt ist – für Schäden, die durch berufsbildfremde Tätigkeiten – zum Beispiel aufgrund von Planungsfehlern der Tragwerksplanung – entstehen, keinen Versicherungsschutz. Allerdings sehen die Versicherungsbedingungen einiger Versicherer für die Tätigkeit von Architekten als Generalplaner unter bestimmten Voraussetzungen Versicherungsschutz vor. Ein Architekt, der einen Auftrag als Generalplaner übernehmen oder in anderer Form berufsbildfremde Leistungen erbringen möchte, muss daher vor Abschluss des entsprechenden Vertrages seinen Versicherer konsultieren und prüfen (lassen), ob und in welchem Umfang für diese Leistungen Deckungsschutz besteht.
Sonderfall Rechtsberatung
Einen Sonderfall berufsbildfremder Tätigkeiten stellt die Rechtsberatung des Bauherrn durch den Architekten dar – etwa durch die Zurverfügungstellung des Musters eines Bauvertrages. Für solche rechtsberatenden Tätigkeiten genießt der Architekt solange Deckungsschutz, wie er zu Rechtsdienstleistungen aufgrund seines Berufsbildes verpflichtet ist (siehe DAB 07.2020, „Rote Linien bei der Rechtsberatung“). Muss der Architekt beispielsweise die Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen durch Fristsetzungen etc. vorbereiten, handelt es sich hierbei um Tätigkeiten, die seinem versicherten Berufsbild entsprechen. Gestaltet der Architekt allerdings selbst Bauverträge, überschreitet er dadurch sein Berufsbild und hat für hierdurch verursachte Schäden keinen Deckungsschutz.
Planer als Bauherr, Bauträger, Generalübernehmer
Erweitert wird die Berufsbildklausel durch A1-3.5.1 AVB Arch./Ing. Darin wird klargestellt, dass der Planer ebenfalls keinen Versicherungsschutz hat, wenn Schäden dadurch entstehen, dass der Planer als Bauherr, Bauträger, Generalübernehmer und Baustofflieferant tätig wird. Das Gleiche gilt nach A1-3.5.2 AVB Arch./Ing. für Mitgesellschafter und Familienangehörige des Versicherungsnehmers. Wird der Planer daher etwa für ein Wohnungsbauunternehmen tätig, bei dem seine Ehefrau Geschäftsführerin ist, besteht für diese Leistungen insgesamt kein Versicherungsschutz.
Keine Übernahme von Kosten für die (Nach-)Erfüllung
In der Berufshaftpflichtversicherung der Architekten sind grundsätzlich nur Schadenersatzansprüche versichert. Ansprüche auf Vertragserfüllung sind dagegen von vornherein nicht versichert, was in A1-3.6 AVB Arch./Ing. verankert ist. Dieser Ausschlusstatbestand wird relevant, wenn beispielsweise nach einer Kündigung des Architektenvertrages durch den Bauherrn aus wichtigem Grund ein neuer Architekt beauftragt werden muss und hierdurch dem Auftraggeber Mehrkosten entstehen. Aber auch dann, wenn Planungs- und/oder Bauüberwachungsfehler zu einem Mangel geführt haben und der Bauherr zur Beseitigung dieses Mangels einen anderen Architekten beauftragt, sind die hierdurch entstehenden Honorarkosten des Planers nicht Gegenstand des Deckungsschutzes des für den Mangel verantwortlichen Architekten.
Die Klausel A1-3.6 lit. e) AVB Arch./Ing. erweitert den Ausschlusstatbestand auf Ansprüche auf Ersatz von Vermögensschäden wegen Verzögerung der Leistung. Hat der Planer beispielsweise mit seinem Bauherrn einen Planlieferungsterminplan vereinbart, in dem für die Ablieferung der Entwurfsplanung ein bestimmter Termin als Vertragsfrist vereinbart wurde, stellt eine Terminüberschreitung des Planers einen Verzögerungsschaden dar, der nach A1-3.6 lit. e) AVB Arch./Ing. nicht versichert ist. Das Gleiche gilt dann, wenn die abgelieferte Planung zwar termingerecht vorliegt, jedoch vom Planer „zurückgerufen“ werden muss, da sie fehlerhaft ist und dem Bauherrn dadurch aufgrund der notwendigen Zeit der Nachbesserung ein Schaden entsteht.
Differenziert betrachtet werden muss ein Verzögerungsschaden des Bauherrn dann, wenn eine zunächst mangelhafte Planung eines Architekten bereits weiterverarbeitet wurde. Hat beispielsweise der Entwurfsarchitekt eine fehlerhafte Planung geliefert, die durch den Ausführungsplaner bereits bearbeitet wurde, sind Verzögerungsschäden, die dadurch entstehen, dass die Ausführungsplanung nachgebessert werden muss, Mangelfolgeschäden, die nicht unter den Ausschlusstatbestand der A1-3.6 lit. e) AVB Arch./Ing. fallen. Anders ist dies mit den Verzögerungsschäden, die (ausschließlich) dadurch entstehen, dass der Entwurfsplaner Zeit braucht, um seine eigene Planung nachzubessern. Die Grenze des Erfüllungsausschlusses im Sinne der Klausel A1-3.6 lit. e) AVB Arch./Ing. verläuft daher dort, wo der Verzögerungsschaden entsteht, nachdem die Planung des Versicherungsnehmers (irgendwie) verwertet wurde.
Nur teilweise Ausgleich wegen Schäden durch Terminüberschreitungen
Nach A1-7.22 AVB Arch./Ing. sind Ansprüche wegen Schäden aus der Überschreitung der vereinbarten Bauzeit sowie eigener Fristen und eigener Termine ausgeschlossen. Damit soll verhindert werden, dass Versicherungen Schäden übernehmen, die auf (womöglich unrealistische) Bauzeitzusagen des Architekten zurückgehen. Das gilt aber nur für eigene Fristen des Architekten. Wird die Bauzeit allgemein überschritten, zum Beispiel weil der Architekt Fehler begangen hat, deren Beseitigung zu Verzögerungen führt, sind daraus resultierende Verzögerungsschäden vom Versicherungsschutz erfasst. Der Versicherungsausschluss gilt ferner auch dann nicht, wenn Fristen überschritten werden, die nichts mit der eigentlichen Tätigkeit des Architekten zu tun haben. Verpasst der Planer beispielsweise eine Frist zur Generierung von Fördermitteln für den Bauherrn, ist die Zeitüberschreitungsklausel nicht einschlägig und die Versicherung springt ein.
Ansprüche wegen Schäden durch Kostenüberschreitungen unter Bedingungen
Gemäß A1-7.23 AVB Arch./Ing. sind Ansprüche wegen Schäden aus der Überschreitung von Kostenermittlungen nach DIN 276 oder gleichartiger Vorschriften ausgeschlossen, soweit es sich hierbei um Aufwendungen handelt, die bei ordnungsgemäßer Planung und Erstellung des Objektes ohnehin angefallen wären. Zielsetzung der Versicherungswirtschaft ist die Nichtübernahme von Risiken aus dem kalkulatorischen Bereich. Entgegen der Auffassung mancher Versicherer ist diese Klausel nicht auf Massenüberschreitungen anwendbar. Ermittelt der Statiker beispielsweise eine zu geringe Stahlmenge für ein Bauvorhaben und entsteht hierdurch seinem Auftraggeber ein Schaden, genießt der Statiker hierfür Versicherungsschutz.
Das OLG Celle hat zu Recht klargestellt, dass die Kostenüberschreitung nur dann anwendbar ist, wenn der Architekt aufgrund einer mangelfreien Planung die daraus resultierenden Kosten fehlerhaft ermittelt (Urteil vom 28. November 2002, Az.: 8 U 76/02). Nicht einschlägig ist die Klausel demnach, wenn es zu einer Kostenüberschreitung dadurch kommt, dass der Planungsfehler des Architekten vor seiner Realisierung im Bauvorhaben entdeckt und nachgebessert wird. Es muss sich also um einen Rechenfehler des Architekten handeln, der die Kostenüberschreitung verursacht.
Schäden durch bewusste Pflichtverstöße nicht versicherbar
Einen in der Praxis sehr relevanten Ausschlusstatbestand enthält die Klausel A1-7.26 AVB Arch./Ing. Danach sind Ansprüche wegen Schäden ausgeschlossen, die der Versicherungsnehmer oder ein Mitversicherter durch ein bewusst gesetz-, vorschrifts- oder sonst pflichtwidriges Verhalten (Tun oder Unterlassen) verursacht hat. Bei dieser Pflichtwidrigkeitsklausel reicht es aus, dass der Versicherungsnehmer weiß, dass er gegen bestehende Pflichten verstößt. Den Schadenseintritt muss er weder vorhergesehen noch für möglich gehalten oder gebilligt haben.
Bei der Beweisführung steht der Versicherer vor dem Problem, dass er das Bewusstsein des Architekten für den Pflichtenverstoß nachweisen muss. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 17. Dezember 2017, Az.: IV ZR 90/13) hat klargestellt, dass es hier nicht zu einer Beweislastumkehr zugunsten des Versicherers kommt. Der Versicherer muss zunächst Indizien darlegen, die auf die wissentliche Pflichtverletzung hindeuten. Dann muss der Architekt darlegen, warum nach seiner Auffassung keine Wissentlichkeit gegeben ist. Anschließend ist wieder der Versicherer an der Reihe, die Argumente des Architekten zu widerlegen.
Anders ist dies nur dann, wenn „Kardinalpflichten“ durch den Versicherungsnehmer verletzt werden. In diesem Fall wird laut BGH-Urteil die sekundäre Darlegungslast des Versicherungsnehmers sofort „aktiviert“. Dies kann nach Auffassung von Teilen der Rechtsprechung zum Beispiel dann angenommen werden (wie in konkret entschiedenen Fällen geschehen), wenn der Architekt für seine Planung des Gebäudes kein Bodengutachten durch den Bauherrn einholen lässt oder bei einem bloß gedeckten Dach eine unzureichende Dachneigung plant, ohne zugleich eine zusätzliche Abdichtung vorzusehen.
Bewusst pflichtwidrig handelt der Planer nach der Rechtsprechung in konkreten Fällen auch dann, wenn er ohne Baugenehmigung baut, von Herstellervorgaben abweicht, für einen Bauträger einen falschen Bautenstandsbericht ausstellt, eine von einem Mitarbeiter erstellte Kostenberechnung ungeprüft an seinen Auftraggeber weiterleitet oder (oft auf Drängen des Bauherrn) von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweicht, ohne dass ein ausreichender Bedenkenhinweis ergeht.
Dr. Florian Krause-Allenstein ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, Bau- und Architektenrecht, Partner der Kanzlei Scholtissek Krause-Allenstein in Hamburg, Lehrbeauftragter in Lüneburg und Marburg
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Danke für den informativen Beitrag. Das hat das doch undurchsichtige Thema etwas klarer gemacht.
Nicht geklärt ist, wenn ein Architekt aus der Kammer austritt, Aufträge annimmt aber keine Haftpflichtversicherung abschließt. Die Kammer hat abgewunken, weil er nicht Mitglied ist und die Staatsanwaltschaft fand das auch nicht so interessant und hat nichts gemacht.