Text: Michael Krautzberger, Bernhard Stüer
Durch die Städtebaurechts-Novelle 2013 sind das Baugesetzbuch (BauGB) und die Baunutzungsverordnung (BauNVO) behutsam fortentwickelt worden. Die Novelle schließt an die des BauGB von 2011 sowie die im selben Jahr beschlossene Energiewende an. Sie tritt in ihren grundlegenden Bestimmungen am 20. September in Kraft. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sind Innenstädte und Ortskerne „Schlüsselfaktoren für die Stadtentwicklung“ und zur Identifikation der Bürger mit ihren Städten und Gemeinden unverzichtbar. Denn es gehe auch um die „Wahrung und Stärkung der Urbanität und der Attraktivität von Städten und Gemeinden, auch in baukultureller Hinsicht“. Umstrukturierungsprozesse könnten die Zentren allerdings in zunehmendem Maße gefährden; zudem solle die Inanspruchnahme neuer Flächen auf der „Grünen Wiese“ weitgehend vermieden werden.
In § 1 Abs. 5 BauGB heißt es nun zum Ziel einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung: „Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.“ Nach § 1a Abs. 2 Satz 2 sollen landwirtschaftlich, als Wald oder für Wohnzwecke genutzte Flächen nur „im notwendigen Umfang umgenutzt werden“. Wer Freiflächen durch Bauleitplanungen in Anspruch nimmt, soll nach der Begründung des Gesetzes zunächst Potenziale der Innenentwicklung ermitteln, vor allem Brachflächen, leere Gebäude, Baulücken und Nachverdichtungen. Die Begründung des Bauleitplans soll erkennen lassen, was hierzu ermittelt wurde und genutzt werden kann, um möglichst zu vermeiden, dass Flächen aus der Nutzung genommen werden.
Es ist allerdings zweifelhaft, ob die Neuregelung sich als Bollwerk gegen weitere Außenentwicklungen eignet. Zwar ist die Innenentwicklung eines der zentralen Anliegen des Gesetzes. Auch der Europäische Gerichtshof hat dieses Anliegen durchaus anerkannt, indem er das Modell des Bebauungsplans der Innenentwicklung (§ 13a BauGB) mit einem Verzicht auf die Umweltprüfung für zulässig betrachtet, wenn die Grenzen einer solchen Freistellung beachtet werden. Genau betrachtet, beschränken sich die neuen Regelungen allerdings auf die Ebene der Bauleitplanung. Ob man durch eine weitere „Verschärfung“ der Anforderungen an die Bauleitplanung und nur mit Worten tatsächlich eine „Wende“ erreichen kann? Beispielhaft kann auf den Begriff des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden hingewiesen werden, der seit 1987 im BauGB verankert ist, ohne dass die Klausel seither etwas bewirkt hätte oder die weitere Inanspruchnahme von Freiräumen verändert worden wäre. Auch sind Bauleitpläne hierdurch nicht ins Wanken gebracht worden. Und die Ergänzung der sogenannten städtebaulichen Bodenschutzklausel durch eine anzustrebende „Innenentwicklung“ – ist auch nicht mehr als verbale Absichtserklärungen geblieben. In der Rechtsprechung sind diese gesetzgeberischen Lippenbekenntnisse bisher nicht besonders beachtet worden. Vielmehr gilt wohl auch die bayerische Lebensweisheit: „Grundsätze hoch halten – so hoch, dass man unten durch kann.“ Ansonsten ist „nachhaltige Trauerarbeit“ angesagt.
Schutz für Versorgungsbereiche
Zu einem Schlüsselbegriff der geordneten städtebaulichen Entwicklung ist in den letzten Novellierungen des BauGB der Begriff „zentraler Versorgungsbereich“ (§ 2 Abs. 2 Satz 2 BauGB, § 34 Abs. 3 BauGB, § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB und § 9 Abs. 2a BauGB) geworden. Die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche sind von unbestritten hoher Bedeutung für die Stärkung der Innenentwicklung und Urbanität sowie für die wohnortnahe Versorgung, die angesichts der demografischen Entwicklung besonderen Schutzes bedarf – namentlich wegen der geringeren Mobilität älterer Menschen. Die Erhaltung und die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche soll daher durch eine ausdrückliche Darstellungsmöglichkeit in § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB weiter gestärkt werden:
In § 5 Abs. 2 Nr. 2 d) BauGB ist dazu ausdrücklich vorgesehen, dass im Flächennutzungsplan auch die Ausstattung des Gemeindegebiets mit zentralen Versorgungsbereichen dargestellt werden kann. Damit soll insbesondere erreicht werden, dass Gemeinden ihren informellen Einzelhandels- und Zentrenkonzepten ein stärkeres rechtliches Gewicht geben und dabei zugleich die Koordinierungs- und Steuerungsfunktion des Flächennutzungsplans nutzen. Die Darstellung ist nicht auf bereits bestehende zentrale Versorgungsbereiche beschränkt, sondern erfasst auch die noch zu entwickelnden Zentren. Die Regelung unterstützt die Bebauungspläne der Gemeinden, mit denen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für zentrale Versorgungsbereiche geschaffen werden, und Bebauungspläne, mit denen im Sinne der sogenannten planerischen Feinsteuerung zur Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche beigetragen wird. Auch kann die Darstellung zentraler Versorgungsbereiche im Flächennutzungsplan die Prüfung nach dem Vorhandensein von zentralen Versorgungsbereichen erleichtern – auch bei Anwendung des § 34 Abs. 3 BauGB.
Grenzen für Spielhallen
Die Anzahl von Spielhallen, die dem bauplanungsrechtlichen Begriff der Vergnügungsstätten zuzurechnen sind, hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Mit § 9 Abs. 2b BauGB sollen die Möglichkeiten der Gemeinden erweitert werden, die Ansiedlung von Vergnügungsstätten, insbesondere von Spielhallen, auszuschließen. Die Regelung lehnt sich an § 9 Abs. 2a BauGB an und ist zugleich dem früheren § 2a des Maßnahmengesetzes zum BauGB nachgebildet. Danach kann die Gemeinde für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34 BauGB) in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festsetzen, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können. Die Festsetzung soll eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten verhindern. Geschützt werden sollen durch sie Wohnnutzungen oder andere schutzbedürftige Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten sowie die städtebauliche Funktion des Gebiets, die sich aus der vorhandenen Nutzung ergibt. Der Bebauungsplan kann im vereinfachten Verfahren aufgestellt werden (§ 13 BauGB). Abweichend vom Maßnahmengesetz 1993 kann ein Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2b BauGB nicht nur für Gebiete nach § 34 Abs. 1 BauGB sondern auch für Gebiete nach § 34 Abs. 2 BauGB, der hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung auf die BauNVO verweist, aufgestellt werden.
Gewerbebauten im Innenbereich: Umbau zum Wohnen erleichtert
Die Nutzungsänderung eines Gewerbe- und Handwerksbetriebs zu einem Wohnzwecken dienenden Gebäude ist erleichtert. Dem dient die erweiterte Vorschrift des § 34 Abs. 3a BauGB, die im Wege einer Ermessensentscheidung zusätzliche bauliche Maßnahmen im Zusammenhang mit vorhandenen Gewerbe- und Handwerksbetrieben und seit 2007 auch für Wohnbauvorhaben im nicht beplanten Innenbereich gilt. Die aus § 34 Abs. 3 BauGB 1986 entwickelte Vorschrift bezieht sich auf Vorhaben, die sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen, etwa weil der Umgebungsrahmen überschritten wird und bodenrechtliche Spannungen begründet oder erhöht werden. Derartige Vorhaben, die typischerweise Teil einer Gemengelage sind, konnten nach Streichung des § 34 Abs. 3 BauGB 1986 nur durch einen Bebauungsplan zugelassen werden, der auf der Grundlage einer entsprechenden Abwägung der unterschiedlichen Nutzungsinteressen aufgestellt worden war. § 34 Abs. 3a BauGB greift die frühere gesetzliche Regelung wieder auf und bezieht sie auf Gewerbe- und Handwerksbetriebe, die zulässigerweise errichtet worden sind, sowie auf Anlagen zu Wohnzwecken. Die Zulassung eines Vorhabens nach § 34 Abs. 3a BauGB setzte somit einen bereits bestehenden Betrieb oder eine zulässigerweise errichtete bauliche Anlage zu Wohnzwecken voraus. Die Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung muss einem Gewerbe- oder Handwerksbetrieb oder einer Anlage zu Wohnzwecken dienen. Die Erweiterung der planungsrechtlichen Zulässigkeit kommt daher sowohl gewerblichen Betrieben und Handwerksbetrieben als auch Vorhaben wie etwa einer Erweiterung einer Wohnbebauung oder eines Alten- und Pflegeheims in der Nachbarschaft einer gewerblich-industriellen Nutzung zugute. Durch das Merkmal des „Dienens“ wird zugleich ein gewisser Rahmen der Erweiterung abgesteckt. Es darf sich nur um Vorhaben handeln, die an den vorhandenen Betrieb oder eine Wohnbebauung anknüpfen und in ihnen sozusagen bereits angelegt sind. Das Vorhaben muss städtebaulich vertretbar sein; die Abweichung muss auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar und die Erschließung gesichert sein. Die Vorschrift dient damit der Standortsicherung von Gewerbe- oder Handwerksbetrieben sowie einer Wohnnutzung in Gemengelagen. Städtebaulich vertretbar ist die Weiterentwicklung dann, wenn sie mit den in § 1 Abs. 6 BauGB beispielhaft erwähnten Belangen und unter Beachtung des Abwägungsgebots in § 1 Abs. 7 BauGB planbar ist.
Sanierungsziel Klimaschutz
Die Änderungen zum städtebaulichen Sanierungsrecht betreffen den Klimaschutz und die Klimaanpassung als Aufgaben einer städtebaulichen Sanierung. Diese Regelungen waren – in der Substanz – schon im Regierungsentwurf der „Klimaschutznovelle“ vorgesehen, aber im Gesetzgebungsverfahren zugunsten einer Prüfbitte zurückgestellt worden. Durch Änderungen in § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 BauGB werden die Belange des Klimaschutzes und der Klimaanpassung bei den Sanierungszielen den möglichen Gegenständen städtebaulicher Missstände berücksichtigt.
Damit soll verdeutlicht werden, dass Klimaschutz und Klimaanpassung auch im Rahmen der städtebaulichen Sanierung – als ein Bestandteil der städtebaulichen Gesamtmaßnahme – zu berücksichtigen sind, zum Beispiel durch gebietsbezogene energetische Maßnahmen wie die Versorgung durch Blockheizkraftwerke, Solaranlagen oder eine Fernheizung. Die bereits praktizierten kommunalen Aktivitäten einer „klimagerechten Stadterneuerung“ finden damit auch im Gesetzeswortlaut ihre Stütze. Als zusätzliche Kriterien für die Sanierungsbedürftigkeit eines Gebiets sollen dazu die energetische Beschaffenheit, die Gesamtenergieeffizienz seiner vorhandenen Bebauung und seiner Versorgungseinrichtungen benannt werden. Dabei sind Art und Gewicht der anhand der Kriterien ermittelten Mängel zu beurteilen sowie in einer Gesamtschau auf der Grundlage objektiver Kriterien und rechtlicher Vorgaben zu würdigen.
Rückbaugebot für Schrott-Immobilien
Verwahrloste, nicht mehr wirtschaftlich nutzbare Gebäude (Schrottimmobilien) sind aufgrund ihrer negativen Ausstrahlung auf die Umgebung ein ernstes stadtentwicklungspolitisches Problem, das dem Ziel einer qualitätvollen Innenentwicklung der Städte und Gemeinden widerspricht. Betroffen sind insbesondere Kommunen in strukturschwachen Regionen, in denen häufig eine Modernisierung oder Instandsetzung der Gebäude unrentabel ist. Einem solchen städtebaulichen Missstand kann dann, wenn sonstige Belange wie zum Beispiel der Denkmalschutz nicht entgegenstehen, oft nur durch eine Beseitigung der Bausubstanz abgeholfen werden.
Nach der bisherigen gesetzlichen Regelung in § 179 BauGB konnte dem betroffenen Grundstückseigentümer lediglich eine Duldungspflicht zur Beseitigung einer baulichen Anlage oder zur Entsiegelung von Flächen auferlegt werden. Die Kosten für diese Maßnahmen waren dagegen auch dann von den Städten und Gemeinden zu tragen, wenn durch die auferlegte Maßnahme der Grundstückswert erheblich gesteigert wurde. Das Rückbau- und Entsiegelungsgebot erwies sich daher als stumpfes Schwert. Es lag deshalb eine gesetzgeberische Neuregelung nahe, die im Interesse einer gerechten Lastenverteilung die Eigentümer zur Beseitigung städtebaulicher Missstände heranzieht und sie unter Wahrung der verfassungsrechtlichen Grenzen in einem angemessenen Umfang wie auch in allen anderen Fällen der städtebaulichen Gebote an den Aufwendungen beteiligt.
Die Regelung geht aber nicht so weit, dass sie eine Heranziehung des Eigentümers zu Beseitigungsmaßnahmen auf eigene Kosten ermöglicht, solange dies ihm zumutbar ist. Vielmehr muss die Gemeinde die Kosten für die Beseitigung zunächst vorlegen und kann eine Erstattung erst nach den Abbruchmaßnahmen in dem Umfang verlangen, wie sie nachweisen kann, dass der Eigentümer durch die getroffenen Maßnahmen wirtschaftliche Vorteile erhalten hat.
Prof. Dr. Michael Krautzberger war Ministerialdirektor im Bundes-Bauministerium, Prof. Dr. Bernhard Stüer ist Richter am BGH-Senat für Anwaltssachen in Münster/Osnabrück.
Eine Langfassung dieses Textes ist in Heft 13/2013 der Zeitschrift Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) erschienen (www.dvbl.de).
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