Jürgen Becker
Das Interesse der Architekten an der Frage, welchen Rechtsrat sie Bauherren im Rahmen ihrer Architektentätigkeit schulden, ist nach Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) am 1. Juli unvermindert groß. Orientierende Rechtsprechung hierzu gibt es noch nicht; dazu ist die seit dem Inkrafttreten verstrichene Zeit zu kurz.
Feststehen dürfte, dass künftig der Architektenvertrag mit seiner Leistungspflichtenbestimmung mehr denn je darüber entscheiden wird, ob und wenn ja, welche Rechtsdienstleistung durch den Architekten geschuldet wird. Nach wie vor ist es gang und gäbe, dem Bauherrn einen sogenannten HOAI-Vertrag vorzuschlagen. Gemeint ist ein Vertrag, der den HOAI-Text, etwa § 15 HOAI, mit Überschriften der Leistungsphasen übernimmt. Damit werden nach der neueren Rechtsprechung nicht nur Einzelerfolge für jede Leistungsphase, sondern auch Arbeitsschritte in Form von Grundleistungen geschuldet, die überdies noch nur dann als erbracht gelten, wenn sie zu einem bestimmten Zeitpunkt erbracht und zur Verfügung gestellt wurden (Beispiel: Kostenberechnung nur bis Abschluss der Leistungsphase Entwurfsplanung).
Über das in dieser Form vereinbarte Leistungsbild findet die Rechtsprechung zum Umfang der erfolgreich anzuwendenden Rechtskenntnisse Einzug in den Pflichtenkreis des Architekten. Drei Gruppen lassen sich unterscheiden. Das öffentliche Recht mit dem Bauplanungs- und Bauordnungsrecht, dem der Architekt vor allem im Rahmen der Baugenehmigung und der Objektüberwachung begegnet. Das Werkvertragsrecht bei der Vorbereitung der Vergabe, Mitwirkung bei der Vergabe, der Objektüberwachung und der Objektbetreuung. Zuletzt allgemeines Zivilrecht außerhalb des Werkvertragsrechts unter dem Stichwort „Einbeziehung Dritter in den Schutzkreis des Architektenvertrages“.
Bauplanungs- und Bauordnungsrecht
Apodiktisch verlangt die Rechtsprechung, dass die Baugenehmigung dauerhaft rechtsbeständig ist. Bei Antragstellung wird von dem Architekten daher die rechtliche Prüfung erwartet, dass die vorgelegte Planung unabhängig davon, ob ihr die Genehmigungsbehörden zugestimmt haben, unanfechtbar ist, also jedem Nachbarwiderstand widersteht. In der Sache heißt das, bei Antragstellung bereits alle etwaigen rechtlichen Angriffsmöglichkeiten aller klagebefugten Nachbarn erkannt und geprüft zuhaben.
Auf das öffentliche Baurecht spezialisierte Richter an den Verwaltungsgerichten benötigen im Nachhinein hierfür geraume Zeit. Das negative Ergebnis dieser richterlichen Prüfung muss der Architekt, nach Auffassung der Zivilgerichte, im Rahmen seiner eigenen Rechtsprüfung vor Antragstellung begründet vorhergesehen und mit dem Bauherrn abgestimmt haben, andernfalls hat er den von ihm geschuldeten Erfolg verfehlt. Diese rechtliche Prüfung ist Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 RDG, da sie eine Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten darstellt, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Erlaubt ist sie dem Architekten im Rahmen der sogenannten Annexkompetenz wie auch nach § 5 RDG, wenn sie als Nebenleistung zum Berufsbild oder zum Tätigkeitsbild des Architekten gehört und in Zusammenhang mit einer anderen, der Haupttätigkeit steht.
Wird mit dem Architektenvertrag als Leistungsgegenstand das Leistungsbild Genehmigungsplanung der HOAI miteinbezogen, dürfte die im Vorfeld der Antragstellung einer Baugenehmigung zu durchlaufende Prüfung der Erfolgsträchtigkeit etwaiger Nachbareinwendungen sich nicht als Nebenleistung zur Haupttätigkeit darstellen, sondern Teil der Hauptleistung selbst sein. Der Regelungsgegenstand des § 5 RDG wäre damit nicht berührt.
Nur ein Architektenvertrag kann das Problem realistisch lösen, der der Verpflichtung zur rechtlichen Prüfung etwaiger Nachbareinwendungen auf Statthaftigkeit und Begründetheit ausnimmt. Eine derartige vertragliche Gestaltung erscheint auch als fair. So wird auch dem Bauherrn rechtzeitig die Möglichkeit gegeben, einen Rechtsberater von gleicher Qualifikation wie der des den Einspruch prüfenden Verwaltungsrichters vor Stellung des Antrags hinzuzuziehen und nach dessen Rechtsrat zu entscheiden, ob er den Antrag einreicht.
Werkverträge
Bei der Fallgruppe der Werkverträge wird immer wieder die Frage diskutiert, ob Architekten, die von ihrem Bauherrn um die Empfehlung eines Bauvertrages gebeten werden, sich der Forderung entziehen können, möglicherweise unter Hinweis auf die Regelungen der §§ 2, 5 RDG.
Da § 5 RDG die Erlaubnis davon abhängig macht, ob es sich um eine Nebenleistung zur Haupttätigkeit handelt, ist auf die Leistungsbeschreibung des Architektenvertrages abzustellen. Hier hat im Jahr 2002 das Brandenburgische OLG (AZ 12 U 63/02) entschieden, dass ein Architekt, der mit sämtlichen Leistungsphasen gemäß § 15 HOAI, demnach auch mit dem Leistungsbild der Leistungsphase 7, beauftragt war, es als Hauptpflicht übernommen hatte, dem Bauherrn einen Vertrag mit dem Handwerker/Bauunternehmer vorzulegen, dessen Bestimmungen im Streitfall rechtlich unangreifbar sind. Wenn der Architekt eine solche Verpflichtung eingeht, so das OLG, ist er dem Bauherrn zum Schadensersatz verpflichtet, falls die Vertragsklausel rechtlich nicht haltbar ist.
Das Wissen über die Haltbarkeit der Klausel müsse sich der Architekt über die Kenntnis der Rechtsprechung des BGH verschaffen. Es hilft laut OLG auch nichts, dass der Architekt dem Bauherrn mit der Übersendung des Vertrages den Rat erteilt, ihn durch einen Rechtsanwalt nach Wahl des Bauherrn überprüfen zu lassen. Dem habe der Bauherr nicht folgen müssen. Daraus folgt, dass bereits bei Abschluss des Architektenvertrages die Leistungsverpflichtung des Architekten dahin eingeschränkt werden muss, dass der Bauherr weder als Haupt- noch als Nebenleistung die Vorlage rechtssicherer Bauleistungsverträge verlangen kann. Das Urteil ist im DAB 9/2003 auf Seite 46 kritisch kommentiert.
Allgemeines Zivilrecht
Hier geht es um den mit Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang stehenden Pflichtenkreis gegenüber Dritten, mit denen der Architekt keinen Vertrag geschlossen hat. Die Haftung beruht auf der Erwägung, dass der Dritte auf eine fehlerfreie Rechtsdienstleistung, die der Architekt gegenüber dem Bauherrn schuldet, vertrauen darf.
Dem kann etwa der folgende Sachverhalt zugrunde liegen: Der Bauträger, für den der Architekt im Rahmen eines HOAI-Vertrages tätig ist und dem er im Rahmen der Leistungsphase 8 die Rechnungsprüfung schuldet, vereinbart mit den Erwerbern und deren finanzierenden Banken, dass die Auszahlung der Raten aufgrund von geprüften Abschlagszahlungen erfolgt. Diese Prüfung, die neben fachtechnischen und rechnerischen Elementen auch vertragsrechtliche Elemente enthält, soll der Architekt übernehmen. Bei dieser Tätigkeit beurteilt der Architekt eine Fälligkeitsabrede rechtlich falsch.
Die Bank zahlt an den Bauträger, der insolvent wird. Dem Erwerber kann ein Schadensersatzanspruch gegen den Architekten zustehen, ohne dass zwischen beiden vertragliche Beziehungen bestehen, weil der Erwerber in den Schutzbereich des zwischen dem Bauträger und dem Architekten abgeschlossenen Vertrages einbezogen ist.
Auch in diesem Fall kann der Schutzanspruch des Dritten, mit dem der Architekt keine vertraglichen Vereinbarungen unterhält, nur durch eine vertragliche Gestaltung dergestalt begrenzt werden, dass der Architekt im Rahmen seiner Pflichten gegenüber seinem Auftraggeber diesem keine Rechtsdienstleistungen über den Kernbereich seiner Architektentätigkeit hinaus schuldet.
Fazit:
Die Übernahme von Rechtsdienstleistungen sollte wohlüberlegt sein. Wer sich als Architekt in der Lage sieht, durch fehlerfreie Beurteilung der Sach- und Rechtslage zutreffende Rechtsberatung zu erteilen, sei es im Rahmen der sogenannten HOAI-Verträge als Hauptleistung oder, von Verbotsvorschriften befreit, darüber hinaus als Nebenleistung, mag das tun. Geschieht die Leistungsabrede als Nebenleistung, das heißt nach § 5 RDG, sollte dies nur in Abstimmung mit dem Berufshaftpflichtversicherer geschehen.
Jürgen Becker ist Rechtsanwalt in Berlin.
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