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Fall 1: Denkmalschutz für Dach oder Aufstockung mit neuen Wohnungen?
Sind unterschiedliche Höhen von Gebäuden für die Prägung eines Gebietscharakters maßgeblich und bleibt das äußere Erscheinungsbild einer Fassade (insbesondere das Dach) eines Denkmalensembles durch eine Aufstockung und den Einbau von 15 Dachloggien erhalten? Mit dieser Frage hatte sich das Verwaltungsgericht Hamburg im April 2024 zu beschäftigen.
Ausgangslage war eine Bauvoranfrage (§ 63 Abs. 1 HBauO) der Eigentümerin eines im Ortsteil Eppendorf befindlichen Mehrfamilienhauses aus dem Jahr 1906, bei der es um die bauplanungsrechtliche und denkmalschutzrechtliche Vereinbarkeit einer geplanten Aufstockung ging. Das Wohnhaus nach Entwürfen des Architekten Friedrich Otto Lindner war wegen der charakterlichen Eigenheit des Stadtbildes in der Denkmalliste eingetragen.
Geplante Aufstockung mit Loggien
Der eingereichte Vorhabenentwurf sah die Aufstockung des Gebäudes um ein weiteres Geschoss sowie ein ausgebautes Dachgeschoss vor. Hierbei sollten die weiteren Geschosse dem bisherigen Stil der Fassadengestaltung entsprechen und das gleiche Material zur Anwendung gelangen. In dem neuen Dach sollten allerdings auch 15 Loggien geschaffen werden. Die Behörde beschied die für das Vorhaben gestellte Bauvoranfrage negativ.
Ziele des Denkmalschutzes vorrangig
Zu Recht, so das Verwaltungsgericht: Denn das Vorhaben sei denkmalrechtlich unzulässig. Zwar dürfe eine entsprechende Genehmigung nur versagt werden, wenn überwiegende Gründe des Denkmalschutzes entgegenstehen. Eine nach § 9 Abs. 2 Denkmalschutzgesetz Hamburg (HDschG) vorzunehmende Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Belangen einerseits, den Zielen des Denkmalschutzes andererseits ergebe jedoch, dass die Ziele des Denkmalschutzes als vorrangig einzustufen seien.
Denkmalschutz durch das Dach begründet
Das Denkmal würde durch das Vorhaben mehr als nur unerheblich beeinträchtigt werden. Deshalb stehe der Einbau der Dachloggien dem Denkmalschutz entgegen. Die Dachgestaltung habe nämlich erhebliche Auswirkung auf den optischen Eindruck des Hauses. Neben der eigentlichen Dachform seien im vorliegenden Fall auch die verbauten Dachterrassen, -fenster- und -gauben als „Blickpunkte“ bestimmend.
Für die zeitgeschichtliche Epoche sei aber eben keine Wohnnutzung des Dachgeschosses in der vorgesehenen Form maßgeblich gewesen. Das Dachgeschoss hätte im frühen 20. Jahrhundert – allein wegen der miserablen Isolation – ohnehin nur als „Speicher“ dienen können. Der Einbau von Loggien würde den denkmalrechtlich geschützten Aussagewert und die städtebauliche Bedeutung im Ergebnis erheblich beeinträchtigen. Private oder andere öffentliche Belange müssten hier zurücktreten.
Luxuswohnungen nicht im öffentlichen Interesse
Zwar bestehe in Hamburg eine Wohnungsnot, das geplante Vorhaben sehe jedoch „nur“ den Bau von Luxuswohnungen vor und sei damit zu Wohnzwecken nur für einen sehr kleinen Kreis von Interessenten erschwinglich. Auch deshalb müsse hier eine wirtschaftlich lukrative Nutzung des Vorhabens dem Denkmalschutz weichen.
Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 18. April 2024, Az.: 12 K 8365/17.
Fall 2: Denkmalschutz oder Klimaschutz: Was ist Regel, was ist Ausnahme?
Welche Auswirkungen hat das vom Gesetzgeber mit § 2 S. 2 EEG (Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien) geschaffene Regel-Ausnahme-Verhältnis für das Denkmalrecht? Hat im Regelfall weiterhin der Denkmalschutz Vorrang vor dem Klimaschutz oder ist es nun umgekehrt? Mit dieser Frage hatte sich im November 2023 das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf zu befassen. Im Ergebnis rückt es von einer noch im Jahr 2021 vertretenen Auffassung des Vorrangs des Denkmalschutzes ab.
Denkmalschutz verhinderte Photovoltaik auf Dach
In dem konkreten Fall war eine denkmalrechtliche Erlaubnis zur Errichtung einer Photovoltaikanlage auf dem Dach eines unter Denkmalschutz stehenden Hauses beantragt worden. Die Behörde hatte den Antrag mit Verweis auf Art. 18 der Landesverfassung NRW abgelehnt, wonach dem Denkmalschutz Verfassungsrang zukomme.
Konsequenterweise würden die Voraussetzungen des § 9 Abs. 3 Alt. 2 DSchG NRW (Denkmalschutzgesetz) deshalb auch vorsehen, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse notwendig sei, um die beantragte Erlaubnis zu erteilen. Und einen solchen Regel-Vorrang hatte die Behörde dem Klimaschutz im konkreten Fall nicht beigemessen.
Neue Maßstäbe für die Genehmigung von Photovoltaik und Windrädern
Nach den Vorgaben des Bundesgesetzgebers sollen erneuerbare Energien bis zum Erreichen der Klimaziele allerdings als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Das VG Düsseldorf hat sich deshalb veranlasst gesehen, seine Maßstäbe den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen anzupassen und das bisher maßgebliche Regel-Ausnahme-Verhältnis damit auf den Kopf zu stellen.
Im Urteil des VG Düsseldorf vom 28. Januar 2021 (Az.: 28 K 8208/19) hatte es noch geheißen:
- „Keinesfalls ergibt sich (…) aus diesem Staatsziel „Umweltschutz“, dass dem Klimaschutz ein genereller Vorrang gegenüber dem Denkmalschutz einzuräumen wäre. Denn der Denkmalschutz ist in Art. 18 Abs. 2 LVerf NRW unter den Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände gestellt. Vielmehr ist erforderlichenfalls ein gerechter, den gesetzlichen Wertungen des § 9 Abs. 2 Buchstabe b) DSchG NRW folgender Ausgleich herzustellen.“
Mit Urteil vom 30. November 2023 hat sich das VG Düsseldorf nun der kurz zuvor veröffentlichten Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) NRW angeschlossen. Dieses hatte am 31. Oktober 2023 (Az.: 7 D 187/22.AK) folgende (neue) Maßstäbe für die Errichtung von Windkraftanlagen aufgestellt:
- „§ 2 Satz 2 EEG ist dabei als sog. Sollbestimmung dahingehend zu verstehen, dass sich in den einzelnen Schutzgüterabwägungen ein regelmäßiges Übergewicht der Erneuerbaren Energien in dem Sinne ergibt, dass das überragende öffentliche Interesse an der Errichtung von Windenergieanlagen sowie das öffentliche Sicherheitsinteresse nur in atypischen Ausnahmefällen überwunden werden kann, die fachlich anhand der besonderen Umstände der jeweiligen Situation zu begründen wären. Danach stellt sich das überragende öffentliche Interesse an der Errichtung und dem Betrieb von Windenergieanlagen im vorliegenden konkreten Einzelfall als ein vorhabenbezogen überwiegendes öffentliches Interesse dar, das die Maßnahme als unabweisbar erscheinen lässt bzw. gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 DSchG NRW verlangt.“
Nach Ansicht des VG Düsseldorf kann diese Entscheidung auch auf weitere Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energien, wie eben Photovoltaikanlagen, übertragen werden.
Keine pauschale Ablehnung mehr von Photovoltaik auf denkmalgeschützten Häusern
Anträge auf energetische Ertüchtigung eines Denkmals können also zukünftig nicht mehr ohne Weiteres abgelehnt werden. Behörden werden nun den konkreten Einzelfall in den Blick zu nehmen haben, um den Ausnahmefall vom Regelfall abzugrenzen und dabei im Sinne des Klimaschutzes zu entscheiden. Man darf gespannt sein.
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 30.11.2023, Az.: 28 K 8865/22
Prof. Dr. Andreas Koenen ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie für Verwaltungsrecht bei Koenen Bauanwälte in Münster. Außerdem ist er Honorarprofessor an der EBZ Business School in Bochum.