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Haftungsrisiken für Architekten in frühen Leistungsphasen

Bereits in einem frühen Planungsstadium lauern Haftungsrisiken. Wo sollten Architekten ganz besonders sorgfältig sein?

29.01.20217 Min. Kommentar schreiben

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Frühe Haftung“ im Deutschen Architektenblatt 02.2021 erschienen.

Von David Mattern und Frederik Ulbrich

Laufen Bauprojekte nicht wie gewünscht, wird oftmals nahezu reflexartig versucht, Kompensation vom Architekten und seiner Versicherung zu erhalten. Auch wenn die Planerhaftung vorwiegend mit späteren Leistungsphasen assoziiert wird, sollten Architekten schon in einem früheren Stadium der Vertragsdurchführung sowie sogar vor und ohne Vertragsschluss für Haftungsfälle sensibilisiert werden. Ferner besteht die Gefahr, dass Missstände bei Beratung, Kommunikation und Planung bereits zu Projektbeginn auftreten und sich diese dann durch das gesamte Vorhaben ziehen.

Grundlagenermittlung und Vorplanung

Der Grundstein für ein erfolgreiches Projekt wird zu Beginn gelegt. Im Zuge der Grundlagenermittlung hat der Architekt im Wesentlichen zwei Aufgaben: Informationsbeschaffung im Hinblick auf sämtliche Leistungsziele seines Auftraggebers – insbesondere Klärung und Priorisierung des Spannungsverhältnisses „Kosten, Qualität/Quantität und Zeit“ – sowie Beratung zu Leistungsumfang und Untersuchungsbedarf.

Danach beginnt mit der Vorplanung die eigentliche planerische Tätigkeit, in der verschiedene Planungsvarianten unter Erhebung der finanziellen und terminlichen Auswirkungen entwickelt und mögliche Probleme identifiziert werden. Trotz stark variierender und sich erst noch konkretisierender Leistungspflichten des Architekten lassen sich schon in diesen frühen Phasen Haftungsschwerpunkte identifizieren.

Fachplaner

Von Beginn an wird dem Architekten die Aufgabe zuteil, den Auftraggeber hinsichtlich der Notwendigkeit von Fachplanern rechtzeitig zu beraten. Zeichnet sich beim Bauherrn eine gewisse Beratungsresistenz ab, sollte die Einschaltung von Fachleuten schriftlich und zwingend verlangt werden. Ein mündlicher Hinweis erweist sich im Streitfall häufig als ungenügend und kann schwerlich belegt werden. Wird der Fachplaner – etwa mangels rechtzeitigen Hinweises – zu spät eingeschaltet, hat der Architekt seine Planung an die Arbeitsergebnisse des Fachplaners anzupassen. Dies kann zu höherem Arbeits- und Kostenaufwand beim Architekten führen, der dann nicht zusätzlich vergütet wird.

Haftungsrisiken beim Baugrund

Ein immer wiederkehrendes Thema ist in diesem Zusammenhang die Beratung zum Baugrund. Die Oberlandesgerichte sind sich an dieser Stelle einig: Die Prüfung des Baugrundes ist Sache des Architekten. Legt der Bauherr etwa ein Baugrundgutachten für das Nachbargrundstück vor und ist dieser der Meinung, von einer Untersuchung des eigenen Grundstücks könne aufgrund der dortigen Erkenntnisse abgesehen werden, so muss der Architekt alarmiert sein. Eine wirksame Freizeichnung der Haftung ist nur möglich, wenn der Architekt über sämtliche Risiken, zum Beispiel der Grundwassergefährdung und möglicher Schäden, umfassend aufklärt und diese Aufklärung nachweisen kann (siehe „Bedenkenanzeigen souverän meistern“). Selbst wenn das Baugrundgutachten erstellt wird, ist der Architekt verpflichtet, dieses auf evidente Mängel zu prüfen. Eine weitergehende Prüfpflicht besteht dann aber nicht.

Bebaubarkeit des Grundstücks

Einen weiteren limitierenden Faktor für die Leistungsziele des Architekten stellt im Anfangsstadium die Bebaubarkeit des Grundstücks aus rechtlicher Sicht dar. Klar ist, dass Einzelheiten der Bebauung, insbesondere bauordnungsrechtliche Belange, nicht vollständig und abschließend in den frühen Leistungsphasen geklärt werden können und müssen. Allerdings sind bereits in der Vorplanung erkennbare öffentlich-rechtliche Anforderungen zu erkunden – einschließlich der Prüfung von Baulasten – und entsprechende Risiken der Genehmigungsfähigkeit mitzuteilen (siehe „Toskana-Fiasko“). Auch auf die Notwendigkeit einer Bauvoranfrage hat der Architekt rechtzeitig hinzuweisen.

Haftungsrisiken bei den Baukosten

Die Kostenplanung ist eines der dominierenden Themen während des gesamten Planungsvorgangs. Auch wenn dies mit keinem Wort im Grundleistungskatalog der Grundlagenermittlung erwähnt ist, fordert der Bundesgerichtshof hier bereits vom Architekten, den wirtschaftlichen Rahmen für das Projekt abzustecken. Dies beinhaltet neben der allgemeinen Beratung zu den Baukosten insbesondere die Erkundigung nach Budget, Finanzierungsumfang und wie das zu planende Objekt genutzt werden soll. Dafür ist eine einfache Abfrage vorgenannter Punkte ausreichend, wobei der Architekt auf die Auskünfte vertrauen darf und nicht vertieft nachprüfen muss.

Trifft der Bauherr eine Aussage zum Einsatz von finanziellen Mitteln, muss der Architekt diese seiner Planung zugrunde legen. Architekten ist anzuraten, Kostenvorgaben des Bauherrn vertraglich zu fixieren, um jegliche Unklarheiten auszuräumen. Dies kann etwa mithilfe der von den Architektenkammern zur Verfügung gestellten Orientierungshilfen zur Vertragserstellung gelingen.

Was passiert, wenn der Architekt die vorgenannte Verpflichtung nicht erfüllt, bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls: Wird etwa erst zum Zeitpunkt der Kostenschätzung klar, dass das Budget des Bauherrn überschritten wurde, das Projekt unter keinen Umständen für den Bauherrn umsetzbar ist und er bei entsprechender Kenntnis bereits frühzeitiger abgebrochen hätte, haftet der Architekt für vergebliche Aufwendungen. Ferner kommt die Honorarminderung des Architekten in Betracht.

Während der Vorplanung taucht die Kostenermittlungspflicht des Architekten explizit im Grundleistungskatalog auf. Bei der danach zu erbringenden Kostenschätzung kann der Bauherr unter Berücksichtigung von Toleranzen davon ausgehen, dass die Berechnung des Architekten zutreffend ist. Andernfalls ist auch hier eine Haftung des Architekten möglich (siehe „Mit dem Budget jonglieren“, und DAB „Kosten als Risiko“).

Haftungsrisiken in der Zielfindungsphase

Nach § 650 p Abs. 2 BGB ist der Architekt verpflichtet, im Rahmen der Zielfindungsphase die Projektvorstellungen des Bauherrn weiter zu konkretisieren, sofern zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart sind. Auf Grundlage der vom Architekten zu erarbeitenden „Planungsgrundlage“ und „Kosteneinschätzung“ soll der Bauherr in die Lage versetzt werden, eine fundierte Entscheidung über Realisierung oder Abbruch des Projektes zu treffen.

Da der Gesetzgeber diese Begrifflichkeiten nicht weiter erörtert, herrscht derzeit Unsicherheit, welche Leistungspflichten im Rahmen von § 650 p Abs. 2 BGB zu erfüllen sind. Teilweise wird vertreten, dass hier ein den bekannten Leistungsbildern nach HOAI vorgeschaltetes Leistungsstadium geschaffen wurde (siehe „Architektenrecht im BGB“); andere meinen, dass diese Pflichten bereits Bestandteil des Planungsprozesses sind.

Im Ergebnis geht es hier um eine hinreichende Aufklärung der Projektparameter und somit der Planungsaufgabe, was – zumindest teilweise – gerade auch Aufgabe der frühen Planungsphasen ist. Je nach Einzelfall ist es allerdings auch möglich, dass die Pflichten der Zielfindungsphase über die bekannten Planungsleistungen nach HOAI hinausgehen und vorgelagert sind, beispielsweise zusätzlich eine partielle Bedarfsermittlung zu erfolgen hat.

Erbringt der Architekt die Zielfindungsphase nicht oder nicht wie geschuldet und wird hierdurch der Bauherr erst zu einem späteren Zeitpunkt in die Lage versetzt, über die weitere Realisierung des Projektes zu entscheiden, so steht dem Architekten im Falle eines Projektabbruchs kein Anspruch auf Vergütung der zusätzlich verursachten Planungsleistung zu. Zudem hat er solche Schäden zu ersetzen, die bei mangelfreier Erbringung der Zielfindungsphase nicht entstanden wären.

Versicherung von Anfang an

Trotz der Prämisse, dass Architekten bereits frühzeitig Abstimmungs- und Beratungstätigkeiten einleiten und dabei sorgfältig gearbeitet wird, herrscht gelegentlich die Ansicht vor, man bräuchte eine Versicherung erst ab Einreichung eines Bauantrags oder gar erst zu Baubeginn. Abgesehen davon, dass die Versicherung aus berufsrechtlicher Sicht unabdingbar ist, zeigt die überblicksartige Auflistung von Haftungsszenarien, dass diese An­nahme falsch ist, da der Haftungsfall bereits frühzeitig eintreten kann. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, dass sogar dann gehaftet wird, wenn ein Architekt unentgeltlich, etwa mit einem Tipp „über den Gartenzaun“ oder vorvertraglich, tätig wurde (zur Versicherungspflicht in der Akquisephase informiert die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen ausführlich online). Schon aus Eigeninteresse sollte die Berufshaftpflichtversicherung daher von Anfang an zur Verfügung stehen.

Dr. David Mattern LL.M. und Frederik Ulbrich sind Rechtsanwälte bei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB in Hamburg

 

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