Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Strich durch die Rechnung“ im Deutschen Architektenblatt 04.2021 erschienen.
Von Sven Kerkhoff
Die bittere Erfahrung eines Honorarverlusts musste ein Architekt machen, der vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf sein Honorar erstreiten wollte. Dabei ging es um Planungsleistungen für ein Mehrfamilienhaus im Auftrag einer Baufirma, zu der der Architekt schon länger in Geschäftsbeziehung stand. Seine Leistungen endeten mit dem Erwirken der Baugenehmigung und dem Abschluss der Ausführungsplanung im September 2016. Seine Rechnung stellte er allerdings erst zum 6. Juni 2017.
Konkreter Fall: Gegenleistungen statt Rechnung
Im Prozess erklärte der Architekt zunächst, er habe zuvor keine Rechnung gestellt, weil seine Tätigkeit eigentlich durch die kostenlose Erbringung von Bauleistungen an seinem Privathaus durch die Baufirma habe abgegolten werden sollen. Dazu sei es jedoch infolge der Kündigung des Planervertrages durch die Firma nicht mehr gekommen. Auch die E-Mail-Korrespondenz der Vertragsparteien deutete darauf hin, dass die Leistungen entweder gar nicht oder erst mit zeitlicher Verzögerung oder in reduziertem Umfang abgerechnet werden sollten.
Auf den Hinweis des Gerichts in erster Instanz, dass damit womöglich ein Verstoß gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (SchwarzArbG) vorliegen und dem Anspruch entgegenstehen könne, passte der Architekt sein Vorbringen an und trug nunmehr vor, es sei doch von Beginn an beabsichtigt gewesen, dass wechselseitig Rechnungen über die jeweiligen Leistungen ausgestellt werden sollten.
Schwarzarbeit fängt früh an
Dem schenkten nun aber weder das Gericht in erster Instanz noch das OLG Düsseldorf in seinem Urteil vom 27. November 2020 (Az.: 22 U 73/20) Glauben und wiesen die Klage vollständig ab. Zur Begründung führt das OLG aus, der Vertrag habe gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen. Beim Stichwort „Schwarzarbeit“ dürften viele zwar in erster Linie an hinterzogene Sozialabgaben denken. Schwarzarbeit liegt nach der genannten Vorschrift aber auch schon immer dann vor, wenn Werkleistungen erbracht werden, ohne die resultierenden steuerlichen Pflichten zu erfüllen.
Rechnung binnen sechs Monaten stellen
Bei Arbeiten im Zusammenhang mit einem Grundstück gehört seit 2004 hierzu bereits die bisweilen übersehene Pflicht, binnen sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Sie fußt auf der durch Untersuchungen des Bundesrechnungshofes gestützten Erkenntnis des Gesetzgebers, dass im Baubereich gerade dann, wenn Kosten – wie beim Bau eines Einfamilienhauses – nicht steuerlich geltend gemacht werden können, Ohne-Rechnung-Abreden nicht selten sind. Sie werden bisweilen durch eine im Verdachtsfall nachgeschobene Rechnung kaschiert. Um dies zu unterbinden, wurde die 6-Monats-Frist eingeführt, die bei derartigen Leistungen unabhängig davon gilt, ob es sich beim Auftraggeber um eine Privatperson oder um einen Unternehmer handelt (§ 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UstG). Erfasst sind nach der Gesetzesbegründung neben klassischen Bauleistungen insbesondere auch die planerischen und bauüberwachenden Tätigkeiten von Architekten (vgl. Bundestags-Drucksache 15/2573, S. 34).
Vertrag ist nichtig
Im konkreten Fall gelangte das Gericht angesichts der Gesamtumstände zu der Überzeugung, dass die Vertragsparteien von Beginn an übereinstimmend zumindest den längeren Aufschub der Rechnungsstellung, wenn nicht gar den vollständigen Verzicht, zugunsten einer Kompensationsleistung beabsichtigt hatten. Darin liege ein bewusster Verstoß gegen das SchwarzArbG, was gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit des Vertrages führe. Dass der Architekt schließlich später doch noch eine Rechnung ausgestellt habe, könne diesen Verstoß nicht ungeschehen machen. Zum einen sei die Rechnung erst weit nach Ablauf der umsatzsteuerrechtlichen Frist gestellt worden. Zum anderen hätten die Parteien es nicht in der Hand, die Folgen einer ursprünglichen Ohne-Rechnung-Abrede dadurch abzuwenden, dass sie später doch noch eine Rechnung ausstellten.
Abschreckungseffekt durch Honorarverlust
In einem solchen Fall stehe dem Architekten für seine Leistungen weder ein vertraglicher Honoraranspruch noch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung als Ausgleich für die Architektenleistungen zu, die der Auftraggeber damit im Endeffekt insoweit honorarfrei, aber eben auch ohne jeglichen Gewährleistungsanspruch erlangt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind solche Ansprüche bei Verstößen gegen das SchwarzArbG nämlich von vornherein ausgeschlossen, um so die mit diesem Gesetz beabsichtigte „Abschreckungswirkung“ zu erzielen.
Folgen für die Abrechnungspraxis
Für die Praxis bedeutet dies: Es bleibt zunächst einmal – und zwar auch unter Geltung der HOAI 2021 – dabei, dass der Honoraranspruch des Planers erst fällig wird, wenn die Leistungen abgenommen und prüffähig abgerechnet sind (§ 15 S. 1 HOAI 2021 und § 650 g Abs. 4 BGB). Somit beginnt die dreijährige Verjährungsfrist nach den §§ 195, 199 Abs. 1 BGB erst mit dem Ende des Jahres zu laufen, in dem die Schlussrechnung erteilt wurde. Zuvor kann allenfalls der Einwand der sogenannten Verwirkung greifen, wenn seit Abschluss der Leistungen ein beträchtlicher Zeitraum verstrichen ist (in der Regel deutlich über den drei Jahren) und der Auftraggeber aufgrund der Gesamtumstände davon ausgehen durfte, dass eine Rechnung nicht mehr gestellt werden würde. Dies alles ändert aber nichts daran, dass aus umsatzsteuerlichen Gründen nicht mehr als sechs Monate zwischen dem Abschluss der Leistungen und der Rechnungsstellung liegen sollten.
Keine Auswirkunegn auf Verjährung
Die Überschreitung dieser Frist führt zwar zu keiner Verjährungs- oder Verwirkungsproblematik und wird den Verlust des Honoraranspruchs immer nur dann nach sich ziehen, wenn ein gezielter Rechtsverstoß vorliegt beziehungsweise das Unterlassen der (rechtzeitigen) Rechnungsstellung von beiden Vertragsparteien gewollt war. Wenngleich es an einem solch nachweislich gezielten Verstoß in den meisten Fällen mangeln wird, ist jedoch zu bedenken, dass die Zivilgerichte entsprechende Anhaltspunkte schon von Amts wegen zu prüfen haben.
Überschreitung der Frist ist Ordnungswidrigkeit
Überdies stellt die Überschreitung der Rechnungsfrist eine Ordnungswidrigkeit dar, die das Finanzamt mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 Euro ahnden kann (§ 26 a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 UstG). Zeitnah zum Leistungsabschluss abzurechnen, empfiehlt sich für Planerinnen und Planer wie auch für die Erbringer von Bauleistungen also nicht nur aus Liquiditäts-, sondern auch aus Rechtsgründen.
Im Übrigen mag sich die Kenntnis der umsatzsteuerlichen Frist auch in anderem Zusammenhang als nützlich erweisen: Verzögert ein Bauunternehmen die Abrechnung, kann dies gerade für den bauüberwachenden Architekten höchst misslich sein, da er infolgedessen die Rechnungsprüfung nicht abschließen und damit seinerseits nicht schlussrechnen kann. Ein Hinweis auf die gesetzliche Frist und das bei ihrer Überschreitung drohende Bußgeld könnte da bisweilen wahre Wunder bewirken und die Bereitschaft des Unternehmens erhöhen, endlich eine Rechnung zu stellen.
Dr. Sven Kerkhoff ist Rechtsreferent bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
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