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Intransparentes Vergabeverfahren: Eine Rüge lohnt sich

Ein Verhandlungsgespräch, das keins gewesen sein soll. Oder nicht geforderte Lösungsvorschläge, die gewertet wurden. In diesem Verfahren war einiges intransparent. Die Entscheidung der Vergabekammer Südbayern dazu zeigt, dass die Regelungen der VgV einen wirksamen Rechtsschutz gegen Willkür und Ungleichbehandlung in Vergabeverfahren bieten.

08.11.20246 Min. Von Fabian Blomeyer Kommentar schreiben

Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer Südbayern war die Vergabe von Planungsleistungen für eine Grund- und Mittelschule.

In Vergabeverfahren ausgeschieden: Gründe für eine Rüge

Eine unterlegene Mitbewerberin hatte als Rüge eine Reihe von Punkten vorgetragen, mit denen die Vergabestelle gegen Vergaberecht verstoßen habe:

  • Durchführung von Gesprächen mit den Bietern im Rahmen einer Sondersitzung des Gemeinderats, die nach Ansicht der Vergabestelle keine Verhandlungen im Sinne von § 17 VgV gewesen sein sollten
  • Wertung der mündlichen Präsentationen aus dieser Sondersitzung
  • Wertung einer Lösungsskizze, obwohl ausdrücklich keine Planungsleistungen für das konkrete Projekt abverlangt waren
  • Vergabe auf Basis eines Erstangebots trotz durchgeführter Verhandlungen und Aufforderung zur Abgabe eines finalen Angebots (§ 17 Abs. 14 VgV).

Vergabefehler und fehlende Dokumentation

Mit bemerkenswerter Klarheit stellt die Vergabekammer die diesbezüglichen Vergabefehler fest (Beschluss vom 18. Juli 2024, Az.: 3194.Z3-3_01-24-27). Insbesondere kritisiert sie aber auch die fehlende Dokumentation der Vorgänge und ein widersprüchliches Handeln der Verwaltung und damit auch des beauftragten Verfahrensbetreuers und erkennt weitere Verstöße gegen die VgV.

Das inoffizielle Verhandlungsgespräch

Die nach dem Teilnahmewettbewerb verbliebenen Bieter waren ausdrücklich eingeladen, an einem „Verhandlungsgespräch“ teilzunehmen. Damit habe die Vergabestelle nach Ansicht der Vergabekammer hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie von ihrem Vorbehalt nach § 17 Abs. 11 VgV, den Auftrag auf Basis der Erstangebote zu vergeben, keinen Gebrauch machen werde. Diese Möglichkeit war damit verwirkt.

Daran änderte auch der Umstand nichts, dass die Vergabestelle versuchte, die Gespräche in der diesbezüglichen Sondersitzung des Gemeinderats durch eine mangelnde Dokumentation derselben als nicht relevant erscheinen zu lassen.

Selbstbindung an Vergabe nach Verhandlung

Mithin sei eine Selbstbindung des Auftraggebers zur Durchführung von Verhandlungen nach § 17 Abs. 10 VgV entstanden und damit auch die Pflicht, die Bieter zu einem finalen Angebot im Sinne des § 17 Abs. 14 VgV aufzufordern. Selbst wenn ein Termin in der Gemeinderatssitzung nicht als Verhandlung im Rechtssinne qualifiziert werden könne, hätten zu einem späteren Zeitpunkt förmliche Verhandlungsgespräche durchgeführt werden müssen. Da die Vergabe dann doch auf Basis der Erstangebote erfolgt war, war sie bereits aus diesem Grunde unzulässig.

Keine nachvollziehbare Bewertungsmethode für Honorarangebote

Allerdings war dieses widersprüchliche Handeln nur der Anfang einer Reihe von Vergabeverstößen. Die Vergabestelle konnte trotz ausdrücklicher Aufforderung der Vergabekammer keine nachvollziehbare Bewertungsmethode mit Berechnungsformeln für die Wertung der Honorarangebote im Rahmen der vorgegebenen Zuschlagskriterien vorlegen.

Sie verstieß damit zum einen gegen die Verpflichtung aus § 127 Abs. 1 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen), den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, weil ein solches gar nicht ermittelt wurde. Zum anderen verstieß sie gegen die Verpflichtung, die Wertungsmethode vor Öffnung der Angebote festzulegen und dies zu dokumentieren (EuGH, Urteil vom 14. Juli 2016, Az.: C – 6/15, und KG, Beschluss vom 27. Juni 2022, Az.: Verg 4/22).

Hinweis der Vergabekammer zur HOAI

Unabhängig von der Willkür, die einer unterlassenen Bewertung der Honorarangebote innewohnt, weist die Vergabekammer im Hinblick auf die HOAI noch auf Folgendes hin: Bei einer Preisbewertung von Honorarangeboten von Architekten und Ingenieuren, die in Anlehnung an die HOAI erstellt werden, dürfen nur solche Methoden eingesetzt werden, die zum einen rechnerisch nachvollziehbar sind und zum anderen die relativen Preisabstände zwischen den Angeboten auch tatsächlich widerspiegeln. Dies betreffe beispielsweise die Gewichtung der Bewertung von Stundensätzen.

Nicht verlangte Lösungsvorschläge gewertet

Auch beanstandete die Vergabekammer die Zuschlagskriterien beziehungsweise deren Anwendung. Für die Unterkriterien „Anmerkungen zur Umsetzbarkeit des vorliegenden Projekts“ und „Anmerkungen zum vorliegenden Projekt in Bezug auf Funktionalität und Gestaltung“ waren ausdrücklich „keine Planungen“ gefordert.

Die Vergabekammer unterstellt als Hintergrund dieser Formulierung, dass die Vergabestelle von vornherein keine Vergütungspflicht von Lösungsvorschlägen für die gestellte Planungsaufgabe nach § 77 Abs. 2 VgV begründen wollte. Sie wertete aber zugunsten einer Bieterin, dass diese gleichwohl konkrete Vorschläge für Grundrisse, Konstruktion und Materialität präsentiert hatte.

Solchermaßen vorgelegte Vorschläge sind allerdings als „nicht verlangte“ Planungen anzusehen, da sie die Qualität von Lösungsvorschlägen im Sinne von § 77 Abs. 2 VgV erreichen und Teile der Leistungsphasen 1 und 2 nach § 34 Abs. 3 HOAI umfassen.

Es könne, so die Vergabekammer, bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen nicht angehen, dass eine Vergabestelle Formulierungen in den Vergabeunterlagen aufnehme, die dafür sorgen sollen, dass die Bieter keine Ansprüche auf eine angemessene Vergütung von Lösungsvorschlägen nach § 77 Abs. 2 VgV geltend machen können, aber gleichzeitig ein Wertungsvorsprung damit begründet wird, dass Bieter unaufgefordert und ohne Vergütung fundierte Lösungsvorschläge einreichen.

Anhebung der Bewertung durch Verfahrensbetreuer

Im Nachgang zu den nicht dokumentierten Gesprächen hob schließlich der Verfahrensbetreuer des Auftraggebers sogar noch die Bewertung des Angebots eines der Bieter in zwei Unterkriterien um jeweils einen Punkt an, ohne die Begründung für die Bepunktung zu ändern. Dieser Bieter bekam den Zuschlag mit der Begründung, er habe die meisten Wertungspunkte erhalten.

Hierzu stellt die Vergabekammer ausdrücklich fest, dass die Angebotswertung ureigene Aufgabe des Auftraggebers ist und nicht vollständig an einen Verfahrensbetreuer delegiert werden darf (so schon OLG München, Beschluss vom 15. Juli 2005, Az.: Verg 14/05; OLG München, Beschluss vom 29. September 2009, Az.: Verg 12/09).

Hinweis für Teilnehmer in Vergabeverfahren: eine Rüge lohnt sich

„Rügen lohnt sich und verbessert die Verfahrenskultur“ ist ein passendes Resümee dieser Entscheidung. Baukultur setzt immer auch eine gute Verfahrenskultur voraus, und dass es an dieser mitunter mangelt, wird allseits kritisiert. Die Vergabekammer hebt in erfreulicher Deutlichkeit eine Vergabeentscheidung auf, die wohl mangelhaft vorbereitet und begleitet wurde, und bei der der Verdacht aufkommen mag, dass ein bestimmter Bieter privilegiert werden sollte. Sie macht damit Mut, sich gegen solche Vergaben zu wehren.

Hinweise für Auslober von Vergabeverfahren: einer Rüge vorbeugen

Sie arbeitet aber auch noch einmal anschaulich heraus, welche Vorgaben zum Schutz der Bieter zwingend zu beachten sind und trägt damit dazu bei, den entscheidenden Vergabeprinzipien der Transparenz und der Gleichbehandlung der Teilnehmer das nötige Gewicht beizumessen. Dies gilt insbesondere für die Bewertung der Honorarangebote und den Umgang mit Lösungsvorschlägen.

Bieter sollten sich wiederum ebenfalls an die Ausschreibung halten: Unverlangt erbrachte Ausarbeitungen sind nach § 76 Abs. 2 Satz 2 VgV unberücksichtigt zu lassen. Geschieht dies nicht, kann das, wie die Entscheidung ebenfalls deutlich zeigt, zu einer Aufhebung der Vergabe führen.

Fabian Blomeyer ist Rechtsanwalt in Schäftlarn und Geschäftsführer Recht und Verwaltung bei der Bayerischen Architektenkammer in München.

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