Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Sachverständigen-Vorschuss: null Euro“ im Deutschen Architektenblatt 06.2020 erschienen.
Von Fritz Sommerwerk
Ein Sachverständiger ist nicht befugt, den (gerichtlichen) Auftrag auf einen anderen Sachverständigen zu übertragen. Diese persönliche Leistungspflicht ergibt sich aus § 407 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO). Doch was passiert, wenn ein gerichtlich beauftragter Sachverständiger die Beweisfrage für Teilbereiche nicht beantworten kann und deshalb einen weiteren Sachverständigen beauftragt?
In einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf ging es genau darum (Beschluss vom 29. November 2018, Az.: 10 W 160/18): Der vom Gericht beauftragte Sachverständige hatte einen weiteren Sachverständigen beauftragt und diesen für dessen Tätigkeiten in anderen Fachgebieten auch bereits bezahlt. Danach machte er einen Vorschuss in Höhe seiner Ausgaben für den „Sub-Beauftragten“ geltend. Ein Vorschuss kann jedoch gemäß § 3 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) nur für solche Aufwendungen gewährt werden, auf deren spätere endgültige Erstattung ein Anspruch besteht. § 12 JVEG sieht zwar einen Kostenersatz für Hilfskräfte vor. Darunter werden aber lediglich Angestellte des Sachverständigen oder weisungsgebundene Fremdunternehmen verstanden, nicht jedoch andere Sachverständige. Den Vorschuss erhielt der Gerichtssachverständige also nicht.
Gericht muss über weiteren Sachverständigen entscheiden
Nach Auffassung des OLG Düsseldorf ist es unzulässig, wenn der Gerichtssachverständige einen weiteren Sachverständigen mit der Beantwortung von Fragen beauftragt, für die er selbst keine Spezialkenntnisse aufweist. Es sei Aufgabe des Richters, nötigenfalls einen weiteren Sachverständigen zu beauftragen. Diese Aufgabe dürfe das mit einer Beweisfrage beschäftigte Gericht nicht dem ursprünglichen Gerichtssachverständigen überlassen. Ferner müsse eine Ablehnung eines Gerichtssachverständigen durch die Prozessparteien möglich sein, was die Heranziehung durch das Gericht voraussetzt.
Wenn der ursprüngliche Sachverständige nicht in der Lage sei, die vom Gericht gestellten Fragen zu beantworten, habe er auch nicht die Kompetenz, die vom „Sub-Sachverständigen“ beantworteten Fragen zu überprüfen und hierfür in der mündlichen Verhandlung inhaltlich die Verantwortung zu übernehmen. Der gerichtliche Sachverständige steht ferner für den Untersachverständigen ohne das Privileg einer Haftungsbeschränkung aus § 839 a BGB in der Verantwortung. Ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse fällt somit weder für den Gerichtssachverständigen (als Teil seiner eigenen Kosten) an noch für den von ihm beauftragten weiteren Sachverständigen.
Kooperation mehrerer Sachverständiger?
Allerdings ist bei komplexen Bauschäden die Zusammenarbeit von Sachverständigen verschiedener Fachdisziplinen gängige Praxis. Deswegen wäre es empfehlenswert, für Gemeinschaftsgutachten eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. In diesem Zusammenhang sollten aus Gründen der Abgrenzung auch die Hilfskräfte gesetzlich definiert werden. Gutachten, die von mehreren Sachverständigen mit unterschiedlicher Qualifikation erarbeitet werden, müssten die Verantwortlichkeiten deutlich erkennen lassen. Nur so wäre sichergestellt, dass Gerichte diese zur Entscheidungsfindung heranziehen könnten und die haftungsrechtlichen Gesichtspunkte berücksichtigt wären. Bei der Erörterung in der mündlichen Verhandlung müsste die Möglichkeit der jeweiligen Befangenheitsablehnung gewahrt bleiben. Ferner wären die Vergütungsansprüche im JVEG entsprechend den Verantwortlichkeiten gesondert zu regeln.
Aktuelle Handlungsempfehlung
Bis der Gesetzgeber aktiv geworden ist, gilt: Ein Architekt, der nicht in der Lage ist, zu allen Fragen des Gerichts sachverständig eine Antwort zu geben, muss dies unbedingt kundtun. Er sollte dem Gericht bereits bei Beauftragung anzeigen, dass er die Beweisfragen nur unter Hinzuziehung weiterer Sachverständiger beantworten kann, und mitteilen, wen er hinzuziehen will. Dann haben die Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, sich zu Ablehnungsgründen zu äußern. Das Gericht beauftragt dann nötigenfalls selbst einen weiteren Sachverständigen.
Ein anderer Weg führt über § 404 Abs. 5 ZPO. Danach können sich die Parteien, also in der Regel Kläger und Beklagter, auf die Bestellung eines zusätzlichen Sachverständigen einigen; in diesem Fall bestimmt das Gesetz, dass der Richter dieser Einigung der Prozessparteien folgen muss.
Fritz Sommerwerk ist Syndikusrechtsanwalt und Referent in der Architektenkammer Niedersachsen
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