Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Hände weg von der Bauvertragsgestaltung“ im Deutschen Architektenblatt 03.2024 erschienen.
Von Sven Kerkhoff
Dass die Tätigkeit von Architekten in vielfacher Hinsicht rechtlich geprägt ist, ist in der Rechtsprechung anerkannt. Ebenso, dass im Kontext der Bauüberwachung mit Fragen des Bauordnungs- und Bauplanungsrechts, aber auch mit solchen des zivilen Baurechts umzugehen ist. Wiederholt festgestellt wurde andererseits, dass der Architekt gleichwohl nicht der Rechtsberater des Bauherrn ist.
Dem nämlich stehen die Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) entgegen. Nun hatte das höchste deutsche Zivilgericht, der Bundesgerichtshof (BGH), Gelegenheit, diese „roten Linien der Rechtsberatung“ erneut zu schärfen (Urteil vom 9. November 2023, Az.: VII ZR 190/22, siehe auch diese Urteilsbesprechung auf DABonline.de).
Missverständliche Skontoklausel
Im Streitfall ging es im Kern um folgende Skontoklausel im Bauvertrag: „Die Fa. J gewährt …. ein Skonto von 3 % bei Zahlungen der durch die Bauleitung geprüften und angewiesenen Abschlagszahlungen bzw. Schlussrechnung innerhalb 10 Arbeitstagen nach Eingang bei der Bauherrschaft.“
Diese Klausel, die der Architekt dem Bauherrn zur mehrfachen Verwendung an die Hand gegeben hatte, erwies sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Bauherrn und der Firma J als unwirksam und der zunächst vorgenommene Skontoabzug damit als unberechtigt. Grund hierfür war, dass die Klausel so verstanden werden kann, dass die Bauleitung unbegrenzt Zeit zur Rechnungsprüfung zur Verfügung hat und die Skontofrist erst läuft, wenn die dort geprüfte Rechnung an den Bauherrn weitergereicht wird. Das ist eine vom Leitbild des § 16 VOB/B abweichende und den Auftragnehmer unangemessen benachteiligende Regelung, die folglich der AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht standhielt.
Der Bauherr versuchte nun, sich die wegen des gescheiterten Skontoabzugs entgangene Summe – immerhin rund 100.000 Euro – vom Architekten rückerstatten zu lassen. Schließlich habe dieser die unwirksame Klausel zur Verwendung bereitgestellt.
Architekt haftet für fehlerhafte Bauvertragsgestaltung
Der BGH hält einen solchen Anspruch dem Grunde nach für gegeben und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an die Vorinstanz zurück. Durch die Bereitstellung der Klausel habe der Architekt gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen. Als unerheblich bewertete das Gericht das Argument des Architekten, er habe die Skontoklausel vorab durch einen Anwalt prüfen lassen. Hierauf komme es nicht an, da er im Verhältnis zum Bauherrn selbst als Leistungserbringer hafte.
Damit handelte es sich im Ergebnis um eine unerlaubte Rechtsdienstleistung. Vereinbarungen, die auf die Erbringung einer solchen zielen, sind zwar nichtig. Das steht einem möglichen Schadensersatzanspruch aber nicht entgegen: Wer falsch berät, muss für die Folgen einstehen, auch wenn er zur Beratung nicht befugt war.
Von Berufshaftpflichtversicherung nicht gedeckt
Besonders bitter: Die unerlaubte Rechtsberatung wird sich in der Regel zugleich außerhalb des von der Berufshaftpflichtversicherung gedeckten Leistungsbildes bewegen, sodass für den Planer die Gefahr besteht, für den Schaden selbst einstehen zu müssen. Zudem bergen unerlaubte Rechtsdienstleistungen das Risiko kostenträchtiger Abmahnungen durch Rechtsanwälte und Rechtsanwaltskammern sowie die Gefahr berufsgerichtlicher Sanktionen.
Keine Bauvertragsgestaltung oder Vertragsmuster
Mit dem BGH-Urteil steht es endgültig fest, und so kann allen Bauherren, die anderes fordern, entgegengehalten werden: Architekten dürfen und müssen keine Bauverträge zur Verfügung stellen, erarbeiten, anpassen oder rechtlich prüfen. Hierfür ist vielmehr an den „Sonderfachmann Recht“ (Rechtsanwalt) zu verweisen. Diesen muss der Bauherr selbst einschalten. Es nützt haftungstechnisch nichts, wenn der Planer einen Anwalt hinzuzieht.
Überdies sollte auch davon abgesehen werden, Vertragsmuster zur Verfügung zu stellen, weil dadurch nahezu unvermeidlich der Eindruck erweckt wird, diese seien geprüft und/oder für den Einzelfall geeignet. Bauherren, die Beispiele für Bauverträge suchen, werden ohnehin online schnell fündig, etwa beim Zentralverband des Deutschen Baugewerbes.
Nicht durch Skontofrist unter Druck setzen lassen
Hintergrund der missglückten Klausel im Streitfall mag übrigens die häufig anzutreffende Sorge des Planers gewesen sein, durch eine zu knapp bemessene Skontofrist im Bauvertrag seinerseits bei der Rechnungsprüfung unter Druck zu geraten. Diese Angst ist in der Regel unbegründet. Die Pflichten des Architekten bestimmen sich nicht nach dem Bau-, sondern nach dem Planervertrag. Ist hier nichts anderes vereinbart, wird eine Rechnungsprüfung, die stets sorgfältig zu erfolgen hat (wie in diesem Beitrag beschrieben), nur im üblichen Geschäftsgang geschuldet.
Kann trotz aller Bemühungen eine Skontofrist nicht gewahrt werden, fehlt es also an einem haftungsbegründenden Mangel der Leistung, denn Wunder und Unmögliches sind nicht geschuldet. Dem Bauherrn, dem das Skonto wichtiger ist als die sorgfältige Rechnungsprüfung, steht es frei, den geltend gemachten Rechnungsbetrag auf eigenes Risiko ungeprüft anzuweisen und gegebenenfalls auf die Durchsetzbarkeit einer Rückforderung zu hoffen: sicherlich ein wenig empfehlenswertes Vorgehen.
Dr. Sven Kerkhoff ist Rechtsreferent bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
Rote Linien bei der Rechtsberatung
Was erlaubt ist und was nicht, beschreibt Sven Kerkhoff in einem weiteren Beitrag mit zahlreichen Beispielen – von der Mitwirkung bei der Vergabe über die Rechnungsprüfung bis zu Mängelrechten und Gewährleistung.
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