Text: Hans Christian Schwenker
Ein Architekt wurde mit der Genehmigungsplanung für ein Wohnhaus beauftragt. Die vorgelegte Planung wurde jedoch nicht realisiert. Denn nach der Behauptung des Bauherrn war sie unbrauchbar, weil die Baukosten von seinerzeit über 1,5 Millionen DM den vorgegebenen Kostenrahmen von 800.000 DM weit überschritten. Der Bauherr verweigerte dem Architekten das Honorar; der Architekt klagte. Der Bundesgerichtshof entschied kürzlich (BGH, Urteil vom 21.03.2013 – VII ZR 230/11) gegen ihn: Ein Architekt ist grundsätzlich verpflichtet, bereits im Rahmen der Grundlagenermittlung mit dem Auftraggeber den wirtschaftlichen Rahmen für ein Bauvorhaben abzustecken und dessen Kostenvorstellungen zu berücksichtigen.
Diese zum Ausdruck gebrachten Kostenvorstellungen des Bauherrn sind in dem Sinne verbindlich, dass sie – vorbehaltlich einer nachträglichen Änderung – den Planungsrahmen bestimmen und jedenfalls dann regelmäßig zum Vertragsinhalt werden, wenn der Architekt ihnen nicht widerspricht. Solche Kostenvorstellungen sind auch dann zu beachten, wenn sie nicht eine genaue Bausummenobergrenze enthalten, sondern nur Angaben zur ungefähren Bausumme, mit denen ein Kostenrahmen abgesteckt wird. Etwaige Zweifel über den Umfang des Kostenrahmens muss der Architekt aufklären, was auch durch die von der HOAI erfassten Kostenermittlungen für den Auftraggeber geschehen kann. Überschreitet der Architekt den vorgegebenen Kostenrahmen und ist die Planung deshalb unbrauchbar, so kann der Anspruch auf Honorar entfallen.
Mit der Entscheidung hat der BGH den Blick darauf gelenkt, dass sich der Architekt auch dann gegenüber seinem Auftraggeber schadenersatzpflichtig machen kann, wenn eine Bausummenvereinbarung nicht nachgewiesen werden kann. Eine Bausummenvereinbarung stellt eine Beschaffenheitsvereinbarung des Architektenwerkes dar, so dass jede Planung, die die vereinbarte Bausumme überschreitet, einen Mangel begründet. Daneben ist ein Architekt gehalten, die Kostenvorstellungen seines Auftraggebers im Rahmen der Grundlagenermittlung zu erfragen. Denn der Architekt ist bereits in diesem Planungsstadium gehalten, den wirtschaftlichen Rahmen für ein Bauvorhaben abzustecken. Ein Architekt verletzt regelmäßig seine Vertragspflichten, wenn er ohne verlässliche Kenntnis der wirtschaftlichen Möglichkeiten des privaten Auftraggebers die Planung vornimmt. Er muss ihn aufklären und darf nicht ohne Rücksicht auf die finanziellen Verhältnisse des privaten Auftraggebers planen.
Verletzt der Architekt diese Pflicht oder verstößt er gegen eine Bausummenvereinbarung, ist seine Architektenleistung mangelhaft. Das hat zunächst Auswirkungen auf das Architektenhonorar. Entweder bekommt der Architekt überhaupt keines, wenn seine Planung für den Auftraggeber wertlos ist, oder er bekommt nur ein nach den anrechenbaren Kosten der Bausummenvereinbarung berechnetes Honorar. Daneben macht der Architekt sich gegenüber seinem Auftraggeber schadensersatzpflichtig. Voraussetzung dafür ist aber, dass die falsche oder unterlassene Beratung des Architekten ursächlich für die Baukosten ist. Daran fehlt es, wenn der Bauherr trotz Kenntnis der gestiegenen Baukosten weiter bauen lässt. Das haben soeben der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 07.02.2013 – VII ZR 3/12) und das OLG Oldenburg (OLG Oldenburg, Urteil vom 15.01.2013 – 2 U 49/12) bestätigt. Der Bauherr ist beweispflichtig dafür, dass er bei rechtzeitiger Aufklärung über die Baukosten das Objekt entweder gar nicht erworben oder bei rechtzeitiger Information über die Kostensteigerung während der Bauphase Einsparungen vorgenommen hätte.
Wenn der Bauherr einen Schadensersatzanspruch geltend macht, weil der Architekt die Kosten fehlerhaft ermittelt oder ihn falsch beraten habe, muss er zunächst nachweisen, dass ihm überhaupt ein Schaden entstanden ist. Ist ein Haus gebaut, liegt der Schaden in der Differenz zwischen den vorgesehenen und den tatsächlichen Kosten. Dieser Mehraufwand ist aber um erlangte Wertvorteile zu bereinigen. Dazu gehört der durch den Mehraufwand gesteigerte Wert des Objekts (OLG Hamm, Urteil vom 15.03.2013 – 12 U 152/12).
Zudem muss der Bauherr nachweisen, dass die Pflichtwidrigkeit des Architekten Ursache für den Schaden war. Allerdings kann er nichts aus der Rechtsprechung des BGH zu Beweiserleichterungen für denjenigen herleiten, der einen anderen wegen dessen besonderer Sachkunde um Rat fragt. Diese Rechtsprechung, die insbesondere zur Anwaltshaftung entwickelt worden ist, greift nämlich auf ein nach der Lebenserfahrung typisches Verhalten zurück. Die vom Architekten geschuldete Aufklärung soll und kann nur der Information zur selbstständigen Entscheidung des Bauherrn dienen. Wie sich ein Bauherr verhält, der von seinem Architekten pflichtgemäß über die Höhe der zu erwartenden Baukosten aufgeklärt wird, entzieht sich aber jeder typisierenden Betrachtung. Seine Entscheidung hängt so weitgehend von seinen persönlichen Wünschen und Vorstellungen sowie seinen finanziellen Möglichkeiten und sonstigen Umständen ab, dass kein Erfahrungsurteil als Grundlage einer Vermutung möglich ist.
Letztlich haben Architekten gute Aussichten, die Abweisung einer Klage wegen Baukostenüberschreitung zu erreichen. Trotzdem sollten die Pflichten aus dem Architektenvertrag zur Kostenermittlung und Kostenüberwachung ernst genommen werden. Ein Haftpflichtprozess wegen Baukostenüberschreitung bringt großen Arbeitsaufwand mit sich, der ihm auch bei einem Prozesssieg nicht ersetzt wird.
Hans Christian Schwenker ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Hannover.
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