Von Eric Zimmermann
Seit dem 1. Januar 2018 stehen im BGB erstmals eigenständige Regelungen für den Architekten- und Ingenieurvertrag (§§ 650 p bis t BGB). Zum Zweck der Reform formulierte Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesjustizministerium, 2016 in seiner Rede auf dem Deutschen Baugerichtstag so: „Wenn an einem Bauvorhaben ein Architekt oder Ingenieur beteiligt ist, sind weitere Interessen zu berücksichtigen. Auch diese haben wir in den Blick genommen und wollen ihre Rechtsposition durch neue Vorschriften für Architekten- und Ingenieurverträge stärken.“
Eine Stärkung stellt sicherlich die Annahme einer Honorierungspflicht in der Zielfindungsphase dar. Sind wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart, soll der Architekt zur Ermittlung dieser Ziele eine Planungsgrundlage und eine Kosteneinschätzung (vgl. „Neues Architektenrecht“) erstellen und dem Bauherrn zur Zustimmung vorlegen. Dies könnte zum Beispiel ein ausgefüllter Fragenkatalog, ergänzt um grobe Skizzen, sein und eine Kostenermittlung, die nicht einer Kostenschätzung nach DIN 276 entsprechen muss. Das gesetzliche Leitbild eines Vertrags mit Zielfindungsphase gab es bislang nicht. „Mit der Neuregelung soll zugleich einer in der Praxis vielfach zu weit gehenden Ausdehnung der unentgeltlichen Akquise zulasten des Architekten entgegengewirkt werden“, heißt es in der Gesetzesbegründung. Im Rahmen eines Vertrags mit Zielfindungsphase auftragsgemäß erbrachte Leistungen sind vom Bauherrn zu vergüten und stellen keine kostenfreien Akquiseleistungen quasi im vorvertraglichen Bereich dar.
Sonderkündigungsrecht des Bauherrn
Spiegelbildlich zum Architektenvertrag mit Zielfindungsphase aus § 650 p Abs. 2 BGB führte der Gesetzgeber ein Sonderkündigungsrecht (§ 650 r BGB) nach Vorlage der in der Zielfindungsphase zu erstellenden Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung ein. Die Vorschrift gewährt dem Bauherrn, mit dem wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht festgelegt wurden, ein besonderes Kündigungsrecht. Wenn sich der Bauherr zu einem solchen frühen Zeitpunkt, in dem erst einmal eine Planungsgrundlage erstellt werden muss, zum Beispiel bis zur Leistungsphase 8 oder 9 an den Architekten bindet, dann soll auch die Möglichkeit für ihn bestehen, noch frühzeitig aus dem Vertrag auszusteigen. Das Sonderkündigungsrecht ist also die „Exit“-Strategie des Bauherrn für einen Vertrag mit Zielfindungsphase nach Abschluss der Zielfindung. „Das Kündigungsrecht soll“, so heißt es in der Gesetzesbegründung, „insbesondere Verbraucher vor den Rechtsfolgen eines häufig übereilt abgeschlossenen umfassenden Architektenvertrags schützen.“ Das Kündigungsrecht erlischt zwei Wochen nach Vorlage, also Zugang der Unterlagen beim Bauherrn; bei einem Verbraucher als Bauherrn jedoch nur dann, wenn der Architekt ihn bei der Vorlage der Planungsgrundlage und der Kosteneinschätzung in Textform über das Kündigungsrecht, die Frist, in der es ausgeübt werden kann, und die Rechtsfolgen der Kündigung unterrichtet hat. Unterblieb die Aufklärung, besteht das Kündigungsrecht des Bauherrn fort. Die Kündigung durch den Bauherrn muss schriftlich erfolgen, sie bedarf keiner Begründung. Selbst wenn die Planungsgrundlage den Wünschen des Bauherrn entspricht, kann er das Sonderkündigungsrecht ausüben. Kündigt der Bauherr nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist, erlischt sein Sonderkündigungsrecht.
Sonderkündigungsrecht des Architekten
Der Gesetzgeber hat auch dem Architekten ein Sonderkündigungsrecht vom Vertrag mit Zielfindungsphase eingeräumt (vgl. § 650 r Abs. 2 BGB). Will der Architekt davon Gebrauch machen, muss er dem Bauherrn eine angemessene Frist setzen, innerhalb derer der Bauherr zu erklären hat, ob er den vorgelegten Unterlagen zustimmt. Verweigert der Bauherr die Zustimmung oder schweigt er sich aus, kann der Architekt den Vertrag kündigen. Welche Frist angemessen ist, ist im Einzelfall zu entscheiden: Für die Planung eines Hauptbahnhofs werden andere Fristen gelten als für das Einfamilienhaus. Grundsätzlich wird in der Regel eine Frist zwischen zwei und vier Wochen als ausreichend anzusehen sein; freilich gibt es auch hierzu Auffassungen, die von deutlich längeren Zeiten ausgehen. Genauso wie die Bauherrenkündigung hat die Kündigung des Architekten schriftlich zu erfolgen.
Folge der Kündigung
Unabhängig davon, ob der Architekt oder der Bauherr das Sonderkündigungsrecht ausgeübt hat: Der Vertrag ist zwar beendet, aber der Architekt besitzt einen Honoraranspruch für die vertraglich vereinbarten und erbrachten Leistungen. Schließlich hat er im Rahmen des Architektenvertrages mit Zielfindungsphase eine Planungsgrundlage und eine Kosteneinschätzung erstellt. Er kann deshalb die Vergütung verlangen, die auf die bis zur Kündigung erbrachten frühen Leistungen entfällt. Diese Änderung ist daher positiv: Es bleibt zu hoffen, dass sie entsprechend auch angewendet wird.
Eric Zimmermann ist Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt), Bereichsleiter Recht und Wettbewerb sowie Justiziar der Architektenkammer Baden-Württemberg.
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