Von Sven Kerkhoff
Der Architekt ist verpflichtet, so zu planen, dass vertraglich festgesetzte Baukostenobergrenzen eingehalten werden (siehe DAB 04.2015, In der Kostenfalle, und 04.2017, Kostenexplosion: Honorar wächst nicht mit). Die Baukostenobergrenze limitiert zugleich die Höhe der anrechenbaren Kosten (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016, Az.: VII ZR 185/13). Eine Planung, die die Kostengrenze überschreitet, ist mangelhaft und berechtigt – sofern sie nicht korrigiert wird – den Bauherrn zur Kündigung. Honorar kann dann für die erbrachten Leistungen nicht verlangt werden, weil diese als unbrauchbar gelten (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 20. Dezember 2013, Az.: 13 U 233/12).
Wie komplex die Thematik in der praktischen Handhabung sein kann, zeigt ein aktueller Fall, über den das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart (Urteil vom 28. November 2017, Az.: 10 U 68/17) zu entscheiden hatte: Der Bauherr eines Wohnhauses hatte zu Beginn ausdrücklich auf sein begrenztes Budget hingewiesen. Da der Architektenvertrag auf Basis dieser Vorgabe geschlossen wurde, handelte es sich, so das OLG, um eine vereinbarte Baukostenobergrenze. Im Zuge der Planungen äußerte der Bauherr jedoch Änderungswünsche. So überraschte er den Architekten unter anderem mit dem Wunsch nach einem zweiten Schlafzimmer im Obergeschoss. Als dieser auf die damit steigenden Kosten von 10 bis 20 Prozent hinwies, gab der Bauherr an, eine Steigerung um 20 Prozent nicht verkraften zu können. Das „Autsch!“, mit dem er im Mailverkehr die mögliche Steigerung um 10 Prozent quittierte, sah das OLG hingegen als entsprechende Zustimmung an und legte dies als Anhebung der Kostenobergrenze durch schlüssiges Verhalten aus.
Als dem Bauherrn die Berechnung vorgelegt wurde, nach der auch die angehobene Kostenobergrenze nicht eingehalten war, forderte er den Architekten unter Fristsetzung auf, die Planungen zu ändern, und zwar so, dass die zuerst genannte Grenze gewahrt werde. Dem kam der Architekt nicht nach. Womöglich aufgrund eigener Fehleinschätzung wies er auch nicht darauf hin, dass sich bei Wahl eines einfachen Standards das Vorhaben durchaus unter Wahrung der ursprünglichen Grenze realisieren lassen würde. Da der Bauherr sein Budget also überschritten sah, kündigte er den Vertrag.
Mit Varianten reagieren
Die Honorarklage des Architekten hatte nur teilweise Erfolg. Das OLG führte aus, der Architekt hätte mangels Einverständnis mit einer um 20 Prozent höheren Kostenobergrenze „die durch die Mehrwünsche entstehenden Kosten planerisch durch eine weniger teure Ausführung der anderen Teile des Baus zu kompensieren“ versuchen müssen. Hierbei handele es sich um „Alternativleistungen“, die ohne gesonderten Honoraranspruch zu erbringen seien. Da die HOAI keine Begrenzung der vorzulegenden Konzeptvarianten festschreibe, sei der Architekt unter Umständen gehalten, eine „Vielzahl von Abwandlungen im Rahmen des unverändert gebliebenen Programmziels“ zu erarbeiten. Eine Variante, die die ursprüngliche Kostenobergrenze entsprechend dem vom Bauherrn zuerst genannten Budget einhalte, habe der Architekt nicht präsentiert. Zwar wahre eine der Varianten bei Ausführung in einfachstem Standard diese Grenze, jedoch sei dies für den Bauherrn nicht ersichtlich gewesen. Dieser habe daher kündigen dürfen, müsse aber zumindest die tatsächlich brauchbaren Planungsleistungen bis Leistungsphase 4 bezahlen. Ausgenommen hiervon seien die mangelhaft erbrachten Teilleistungen bezüglich der Kostenermittlung.
Eine in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Entscheidung: Unklar bleibt, ob das OLG dem Bauherrn die Möglichkeit zugestehen will, eine beidseitig festgelegte Kostenobergrenze nachfolgend durch eine einseitige Budgetvorgabe abzuändern. Die hierzu angeführte BGH-Entscheidung (Urteil vom 21. März 2013, Az.: VII ZR 230/11) gibt dies nicht her, sondern betont lediglich, dass grundsätzlich auch einseitige Budgetvorgaben des Bauherrn zu beachten sind. Erfolgt eine solche Vorgabe bei bereits bestehender anderslautender vertraglicher Festlegung, kann es sich indes nur um eine einseitige Änderungsanordnung des Bauherrn handeln. Zwar kann eine solche Anordnung, wie im neuen Recht § 650 b Abs. 1 Nr. 1 BGB zeigt, zu beachten sein, dies aber allenfalls dann, wenn sie für den Architekten zumutbar ist und das Honorar entsprechend angepasst wird.
Auch die Ausführungen des Gerichts zur geschuldeten „Vielzahl von Abwandlungen“ sind zu hinterfragen. Varianten sind als Grundleistung nur im Rahmen der Vorplanung geschuldet und dies auch nur dann, wenn es sich um Varianten nach gleichen Anforderungen handelt. Varianten infolge einer wesentlichen Änderung des Raum- und Funktionsprogramms durch den Bauherrn sind hiervon nicht umfasst (vgl. Koeble, in: Locher/Koeble/Frik, HOAI, 13. Aufl., Rz. 69 zu § 34). Ein ganz anderer Fall sind Umplanungen, die nicht aufgrund geänderter Vorgaben, sondern zum Zwecke der Einhaltung der Kostenobergrenze notwendig werden. Sie lösen tatsächlich nie einen gesonderten Honoraranspruch aus (vgl. Kerkhoff, in: Kraushaar/Zimmermann, Kommentar zum neuen Architektenvertragsrecht, S. 89).
Das Budget kommunizieren
Bereits unwidersprochene Angaben des Bauherrn zum Budget, das in jedem Fall erfragt werden muss, prägen die Vertragspflichten des Architekten. Sobald dieser erkennt, dass eine Kostenvorstellung des Bauherrn unrealistisch ist, muss er ihn darauf hinweisen. Zugleich sollte er die ausdrückliche Entscheidung einfordern, ob der Bauherr das Budget beziehungsweise eine vereinbarte Baukostenobergrenze anheben will, oder ob – und wenn ja, in welcher Hinsicht (Umfang, Standard) – er stattdessen das Projekt „abspecken“ möchte. Andernfalls läuft der Architekt Gefahr, sich honorarfrei an einer unlösbaren Aufgabe abzuarbeiten.
Präzise Regelungen zu diesen wechselseitigen Hinweis- und Mitwirkungspflichten im Falle der Baukosten- oder Budgetüberschreitung finden sich in den Orientierungshilfen zur Vertragserstellung, die die Länderarchitektenkammern anbieten. Auch besteht neuerdings die Möglichkeit, die Anzahl von Planvarianten oder -überarbeitungen, über die hinaus ein gesondertes Honorar nach Stundenaufwand zu zahlen ist, im Einzelfall festzulegen.
Dr. Sven Kerkhoff ist Rechtsreferent bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen.
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