Von Alfred Morlock
Ein Architekt schuldet grundsätzlich eine Planung, die zum Zeitpunkt ihrer Abnahme dem aktuellen Stand der anerkannten Regeln der Technik entspricht. Das Oberlandesgericht Dresden hat mit Urteil vom 09.06.2010 im Fall eines Ingenieurs entschieden: Er darf nicht auf dem Stand der ursprünglichen Planung stehen bleiben, sondern muss sich auf dem Laufenden halten und sein Werk auf Übereinstimmungen mit den anerkannten Regeln der Technik überprüfen. Dies gilt in jedem Fall für das gesamte Planungsstadium, unabhängig davon, ob alle Planungs- und Leistungsphasen nach der HOAI beauftragt worden sind oder nicht. Maßgeblicher Zeitpunkt für den einzuhaltenden Stand der Technik ist die Abnahme der vertraglich vereinbarten Planungsleistung. Besonders problematisch ist dies bei einem „Vollauftrag“ über alle Leistungsphasen.
Das Urteil des OLG Dresden befasst sich in diesem Kontext als erstes mit Architekten- und Ingenieurleistungen und definiert als Zeitpunkt der Bewertung die Abnahme der Leistung. Hier wird dem Architekten eine umfassende Aufklärungspflicht gegenüber dem Auftraggeber auferlegt. Macht dieser eine verbindliche Planungsvorgabe, muss der Architekt im weiteren Verlauf seines Vertrags unmissverständlich und deutlich aufzeigen, dass das geplante Bauwerk möglicherweise bereits im Moment seiner Errichtung nicht mehr den allgemeinen Regeln der Technik entspricht – ansonsten haftet er.
Dies gilt immer, wenn im Vertrag nichts anderes vereinbart ist. Bei einer hinreichend starken Verhandlungsposition kann der Architekt versuchen, für die einschlägigen Regeln der Technik auf einen früheren Zeitpunkt abzustellen: im günstigsten Fall auf den Zeitpunkt der Beauftragung, ansonsten auf den Tag, an dem er die Planungsleistung fertigstellt. Aber auch dann sollte der Architekt seinen Auftraggeber zumindest informieren, wenn sich anschließend die Regeln der Technik ändern.
Für Bauverträge schon üblich
Für Bauverträge ist das Abstellen auf den Fertigstellungszeitpunkt bereits ständige Rechtsprechung, wenn nichts anderes vereinbart ist. Diese Entscheidungen bezogen sich bislang aber ausdrücklich auf Leistungen von Bauunternehmern, nicht von Architekten und Ingenieuren. Spätestens seit der bekannten Entscheidung „Blasbach-Brücken-Fall“ (NJW 1983, 456 ff., BauR 1983, 156) steht fest, dass der ausführende Bauunternehmer das Risiko der Mängelfreiheit des Werkes trägt. Seine Gewährleistungspflicht gilt auch dann, wenn der Mangel auf Umständen beruht, die der Unternehmer bei der Ausführung nicht erkennen konnte. Die Pflicht gilt also in dem Fall, dass erst aufgrund später gewonnener, neuer wissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse die Vermeidung eines Mangels möglich erscheint. Diese Rechtsprechung ist vom Bundesgerichtshof fortgeführt worden. So hat er für Schallschutzmaßnahmen mit Urteil vom 14.05.1998 (IBR 1998, 376 ff.) entschieden, dass dort, wo eine Vereinbarung über die vertraglich geschuldete Ausführung nicht vorliegt, die Werkleistung den zur Zeit der Abnahme anerkannten Regeln der Technik als vertraglichem Mindeststandard entsprechen muss – ansonsten ist sie mangelhaft.
Alfred Morlock ist Rechtsanwalt in Stuttgart.
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: