Text: Michael Hauth
Eigene Vorstellungen bei denkmalgeschützten Gebäuden durchzusetzen, gehört zu den schwierigsten Aufgaben des Architekten – beim Umbau ebenso wie bei der Modernisierung und erst recht beim Ersatz-Neubau. Scheinbar haben die Denkmalbehörden das alleinige Sagen. Doch die Rechtsprechung hat in jüngerer Zeit mehr und mehr eine „Waffengleichheit“ hergestellt zwischen den Interessen von Architekt und Bauherr auf der einen und den Denkmalbehörden auf der anderen Seite. Das Schlüsselwort heißt: (Un )Zumutbarkeit – insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen. Die Gerichte stellen heute zunehmend darauf ab, ob es einem Eigentümer überhaupt zugemutet werden kann, zum Teil große Summen in Denkmäler zu investieren oder gar sich zu verschulden.
Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung ist ein bereits über zehn Jahre zurückliegendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts (2.3.1999 – BVerfG 100, 226 ff.). Ihm folgen inzwischen zahlreiche Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe. Nach dieser Rechtsprechung ist dem Eigentümer der Erhalt eines Baudenkmals nicht zuzumuten, wenn er von diesem keinen vernünftigen Gebrauch machen kann, wenn das Baudenkmal in absehbarer Zeit ohnehin dem Verfall preisgegeben wäre oder wenn nur noch so wenig an Substanz erhalten bliebe, dass bei einer Sanierung die Identität des Denkmals verloren ginge.
Die (unveränderte) Erhaltung des Baudenkmals ist dem Eigentümer aber auch dann nicht zuzumuten, wenn er in wirtschaftlicher Hinsicht unverhältnismäßig belastet würde.
Eine Belastung ist unzumutbar, wenn „die Kosten der Erhaltung und der Bewirtschaftung nicht durch Erträge oder den Gebrauchswert des Kulturdenkmals aufgewogen werden“.
Zumutbar ist allerdings, dass mit einem Denkmal keine Rendite erzielt wird – oder dass auf die wesentlich höhere Rendite verzichtet werden muss, die mit einem Neubau anstelle des denkmalgeschützten Gebäudes erzielt werden könnte. Zur Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit haben die Gerichte die treffende Vorgabe gemacht, dass sich das Denkmal „selbst tragen muss“. Ob sich das Denkmal „selbst trägt“, ist nach inzwischen übereinstimmender Rechtsprechung mittels einer Wirtschaftlichkeitsberechnung zu entscheiden.
Diese Wirtschaftlichkeitsberechnung ist vom Architekten zusammen mit dem Antrag auf denkmalschutzrechtliche Erlaubnis bzw. Bauantrag zu erstellen und einzureichen. Sie muss Aussagen darüber treffen, ob der Aufwand durch den Ertrag gedeckt wird. Der Aufwand setzt sich zusammen aus den Finanzierungskosten für die Instandsetzung und den Bewirtschaftungskosten. Diese bestehen aus den laufenden Instandhaltungskosten, den Rückstellungen für größere Reparaturen, den Betriebskosten und dem Mietausfallwagnis. Gegenüberzustellen sind dem auf der Ertragsseite die voraussichtlichen Mieteinnahmen, zugesagte Zuschüsse und steuerliche Vorteile.
Um auf der Ausgabenseite diese laufenden Kosten für die Erhaltung des Denkmals ermitteln zu können, müssen selbstverständlich zunächst die voraussichtlichen Investitionskosten ermittelt werden, die zur Herstellung der wirtschaftlichen Ertragsfähigkeit nötig wären. Sie sind im Rahmen der vom Architekten ohnehin zu erbringenden Kostenberechnung darzustellen. Zur Berechnung der Investitionskosten, also der Kosten für die Instandsetzung des Denkmals, können die Regelungen der II. Berechnungsverordnung (BV) sinngemäß angewandt werden, aber auch die Vorgaben der DIN 276. Als Kosten der Instandsetzung in Betracht kommen insbesondere die Kosten für Voruntersuchungen und Gutachten sowie für Bauvorentwurf und Kostenschätzung, die eigentlichen Baukosten sowie die Nebenkosten wie Architektenhonorar, Genehmigungsgebühren und mehr. Für die Wirtschaftlichkeitsberechnung anzusetzen ist dabei selbstverständlich nicht der Einmalbetrag des Investitionsaufwandes, sondern die wiederkehrende Belastung in Form der laufend aufzuwendenden Finanzierungskosten.
Dieser veränderte Ansatz entzieht damit a priori den Posten die Grundlage, die nach den Schemata der Landesdenkmalbehörden „aus Rechtsgründen“ von den Investitionskosten abgezogen werden sollen.
Weil in die Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht der Gesamtbetrag der Investitionskosten eingesetzt werden darf, sondern nur die Kosten der Finanzierung dieser Investitionskosten, ist selbstverständlich kein Raum mehr für den Abzug von „Kosten und Folgekosten von unterlassenem Bauunterhalt oder bau- und sicherheitsrechtlich veranlassten Kosten“. Zu Recht hat deshalb der bayerische VGH die Frage gestellt, was der Begriff des „denkmalpflegerischen Mehraufwandes“ für eine Bedeutung haben soll. Bei dem Ansatz für „Kosten und Folgekosten von unterlassenem Bauunterhalt“ könne es doch allenfalls um solche Kosten gehen, die durch Maßnahmen entstehen, deren Beseitigung die Behörde auf der Grundlage des Art. 4 Abs. 1 des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes verfügt habe.
Es ist allein eine Rechenfrage, ob sich eine Immobilie selbst trägt, ob also „die Kosten der Erhaltung und der Bewirtschaftung durch Erträge aufgewogen werden“, wie es die neueren Denkmalschutzgesetze (z. B. § 7 Abs. 4 in Bayern oder § 7 Abs. 1 in Thüringen) inzwischen formulieren. In diese Wirtschaftlichkeitsberechnung können denknotwendig also weder Fragen der Bezuschussung auf der einen Seite noch der unterlassenen Reparaturmaßnahmen auf der anderen Seite einfließen.
Auf der Aufwandseite sind neben den Kosten für die Finanzierung der Instandsetzung des Denkmals die Kosten seiner Bewirtschaftung in Rechnung zu stellen. Dabei hilft dem Architekten die II. Berechnungsverordnung. Zu den Bewirtschaftungskosten zählen
a) die laufenden Instandhaltungskosten, zu deren Ermittlung auf die §§ 24 ff. der II. Berechnungsverordnung zurückgegriffen werden kann.
b) Rückstellungen für größere Reparaturen. Dies ist zwingend, allein schon deshalb, weil der Eigentümer sonst Verfügungen der Denkmalschutzbehörden gewärtigen müsste – aufgrund der oben dargestellten Eingriffsbefugnisse der Behörden zum Zwecke der Erhaltung von Baudenkmälern. Vorbehaltlich anderer Nachweise des Eigentümers ist auch hier eine Quantifizierung durch Pauschalansatz möglich, wie § 25 Abs. 2 der II. BV dies vorsieht.
c) Wiederum in Anlehnung an die II. BV sind bei eigengenutzten Grundstücken die Betriebskosten anzusetzen, „die dem Eigentümer durch das Eigentum am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen“ (§ 27 Abs. 1 II. BV). An die Stelle der Betriebskosten treten bei vermieteten Objekten die Verwaltungskosten, analog § 26 BV.
d) Analog der II. BV ist auch das Mietausfallwagnis Bestandteil der Bewirtschaftungskosten (§ 24 Abs. 1 Ziff. 5. BV). Gemäß § 29 Satz 3 BV darf das Mietausfallwagnis allerdings höchstens mit 2 Prozent der Erträge angesetzt werden. Für den Verfasser ist kein Grund erkennbar, warum dieser Posten ausgerechnet bei Denkmälern nicht berücksichtigt werden sollte.Sowohl nach den neueren Denkmalschutzgesetzen als auch nach der jüngeren Rechtsprechung sind den Kosten für Erhaltung und Bewirtschaftung auf der Ausgabenseite auf der Einnahmenseite die Erträge gegenüberzustellen. Wirft das Objekt keinen Ertrag ab, insbesondere wenn es eigengenutzt ist, ist der Gebrauchswert des Denkmals anzusetzen.
Zu den Erträgen gehören zunächst die voraussichtlichen Mieteinnahmen. Im Einzelfall stellt sich das Problem, diese nachvollziehbar und möglichst richtig zu prognostizieren. Daneben sind die Zuschüsse der öffentlichen Hand zu berücksichtigen, aber nur die bewilligten und verbindlich in Aussicht gestellten. Diese Einschränkung, die der VGH Mannheim bereits in seinem Urteil vom 27.5.1993 (1 S 2588/92) vorgegeben hat, findet sich zwischenzeitlich auch in den Vorgaben der Behörden und in der jüngeren Rechtsprechung, teilweise sogar in den neueren Denkmalschutzgesetzen, z.B. in § 7 des bayerischen.
Danach haben es die Denkmalschutzbehörden in der Hand, Zuschüsse zuzusagen, um damit eine unzumutbare Belastung des Eigentümers auszugleichen, oder ihre Zustimmung zum Abbruch zu erteilen, weil ihnen die Erhaltung gerade dieses Kulturdenkmals so viel nicht wert ist und sie die knapp bemessenen Mittel vorrangig zur Erhaltung anderer Denkmäler einsetzen wollen.
Auch die steuerliche Abzugsfähigkeit ist zu berücksichtigen, und zwar richtigerweise auf der Ertragsseite der Wirtschaftlichkeitsberechnung.
Selbstverständlich kann der Architekt diese Wirtschaftlichkeitsberechnung erstellen, wenn sein Bauherr ihm die dazu notwendigen Zahlen liefert. In dieser Berechnung können persönliche Umstände keine Rolle spielen – weder die Umstände des Erwerbs (Kauf, Schenkung, Erbschaft o. a.) noch die Frage, ob der jetzige Eigentümer bzw. seine Rechtsvorgänger den heutigen Zustand des Baudenkmals schuldhaft oder schuldlos herbeigeführt haben, und auch nicht die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des jetzigen Eigentümers.
Ein pflichtwidriges Unterlassen der Instandhaltung darf dem Eigentümer allerdings nicht zugutekommen. Zu Recht heißt es im Brandenburgischen Denkmalschutzgesetz in § 7 Abs. 5, dass sich der Eigentümer „nicht auf Belastungen durch erhöhte Erhaltungskosten berufen kann, soweit er oder seine Rechtsvorgänger die erhöhten Erhaltungskosten durch Unterlassen erforderlicher Erhaltungsmaßnahmen nach diesem Gesetz oder sonstigem öffentlichem Recht verursacht haben“.
Im Rahmen der (Ermessens-) Entscheidung über Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit spielt es also durchaus eine Rolle, ob der jetzige Eigentümer das Denkmal willentlich hat verfallen lassen oder ob er es als verfallendes Gebäude geerbt hat. Andernfalls würde derjenige mit einer Ab-brucherlaubnis „belohnt“, der ein Baudenkmal erworben hat, um es zur Ruine verkommen zu lassen und durch einen Neubau zu ersetzen.
Auch wenn die Wirtschaftlichkeitsberechnung zu einem positiven Ergebnis führt, ist bei der Ermessensausübung die private Leistungsfähigkeit des jeweiligen Denkmaleigentümers in Rechnung zu stellen. Insbesondere stellt sich die Frage, ob und in welcher Höhe er verpflichtet werden kann, sich zu verschulden. Kann von einem Eigentümer verlangt werden, Kredite in oft sechs- oder gar siebenstelliger Höhe aufzunehmen?
Immerhin würdigt auch die Rechtsprechung seit jeher diese Bedenken, wenn sie bei der Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Denkmaleigentümer z. B. auf Art. 4 Abs. 1 und 2 des bayerischen Gesetzes hinweist, wonach „die Maßnahmen den Betroffenen unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Aufgaben und Verpflichtungen zumutbar“ sein müssen.
Die Denkmalschutzgesetze dürfen einen Eigentümer nicht zwingen, sich auf Lebenszeit mit einer Immobilie zu belasten, deren Wirtschaftlichkeit (nur) auf dem Papier existiert und bei der die Kredittilgung völlig offen ist. Denn diese findet, wie wir oben gesehen haben, in die Wirtschaftlichkeitsberechnung keinen Eingang. Sie ist aber sehr wohl bei der Beurteilung der persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen!
Damit wird deutlich, dass der Architekt nicht nur in der Pflicht ist, die für den Antrag notwendige Wirtschaftlichkeitsberechnung zu erstellen. Er ist auch angehalten, Interessen des Eigentümers angemessen und mit Nachdruck zu vertreten. Ein Denkmal sollte für Eigentümer wie Allgemeinheit ein Anlass zur Freude sein. Es gilt zu verhindern, dass die Immobilie statt dessen zu einer unerträglichen Belastung wird.
Prof. Dr. Michael Hauth ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht in München
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