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Nach Grundstücksteilung zweite Brandwand erforderlich

Vorsicht beim Bauen im Bestand und bei Grundstücksteilungen! Der BGH gibt einem Nachbarn Recht, der eine fehlende doppelte Brandwand beanstandete

31.07.20204 Min. Kommentar schreiben

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Plötzlich brand­gefährlich!?“ im Deutschen Architektenblatt 08.2020 erschienen.

Von Markus Prause

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich zum Anspruch eines Nachbarn auf Beseitigung einer brandschutzwidrigen Bebauung geäußert und in diesem Zuge die Verantwortlichkeit des Gebäudeeigentümers verschärft (Urteil vom 13. Dezember 2019, Az.: V ZR 152/18). In der Funktion als Sachwalter ihrer Bauherren haben Architekten weitreichende Hinweis- und Aufklärungspflichten gegenüber ihren Auftraggebern. Wird eine solche Pflicht verletzt, macht sich der Planer schadensersatzpflichtig. Architekten sollten daher die Rechtsprechung kennen, um ihre Auftraggeber gegebenenfalls über Risiken, die sich aus einem baurechtswidrigen Altbestand oder einer möglichen Grundstücksteilung ergeben, hinreichend aufklären zu können.

Gemeinsame Brandwand genügt nach Grundstücksteilung nicht mehr

In dem entschiedenen Fall war zunächst das Land Berlin Eigentümer eines Grundstückes, das 2010 geteilt wurde. Die Beklagte des späteren Rechtsstreites erwarb noch im selben Jahr das eine Grundstück und vermietete das an der Grenze befindliche Gebäude als Büro- und Veranstaltungsfläche. Die Klägerin kaufte im Jahr darauf das andere Grundstück und baute den an der Grenze liegenden Speicher zu Lofts mit Atelierwohnungen aus. Eine zwischen den Gebäuden gelegene Brandwand befand sich auf dem Grundstück der Klägerin, während der Gebäudeteil der Beklagten keine eigene Abschlusswand aufwies. Die Klägerin verlangte in dem Prozess nun die Beseitigung des infolge der fehlenden zweiten Brandwand bestehenden bauordnungswidrigen Zustandes. Während die Vorinstanz diesen Anspruch noch ablehnte, sprach ihn der BGH der Klägerin zu.

Gleiche Situation plötzlich vorschriftswidrig

Der BGH begründet seine Entscheidung wie folgt: Der Beseitigungsanspruch resultiert aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB. Nach diesen Vorschriften kann eine Beseitigung verlangt werden, wenn mit dem Zustand des Gebäudes gegen ein sogenanntes Schutzgesetz verstoßen wird. Ein Schutzgesetz ist eine gesetzliche Vorschrift, die bestimmte Rechtsgüter eines Einzelnen (zum Beispiel Eigentum, Leben, Gesundheit) schützen soll. Dieses war im vorliegenden Fall § 30 der Berliner Bauordnung (BauO Bln), der für einen solchen Fall eine Brandwand für das Gebäude der Beklagten verlangt.

Störerhaftung und formale Baurechtswidrigkeit

In seiner Entscheidung hat der BGH insbesondere folgende Punkte klargestellt:

  • Der Beseitigungsanspruch des Nachbarn setzt kein Verschulden des Gebäudeeigentümers voraus. Es kam also nicht darauf an, dass der rechtswidrige Zustand durch die vonseiten des Landes Berlin vorgenommene Grundstücksteilung entstanden ist und die Beklagte als Erwerberin den baurechtswidrigen Zustand gar nicht selbst herbeigeführt hat. Es reicht für die sogenannte Störerhaftung, dass der Erwerber den gegen das Baurecht verstoßenden Zustand aufrechterhält.
  • Ebenfalls irrelevant für den Beseitigungsanspruch ist, ob von dem Gebäude eine konkrete Brandgefahr ausgeht. Da sich auf dem Grundstück der Klägerin eine Brandwand befand, war mit einem Brandüberschlag kaum zu rechnen. Der BGH stellt jedoch klar, dass es auf eine solche konkrete Gefahr nicht ankommt. Die Regelung des § 30 BauO Bln knüpfe nicht an einen konkreten Verletzungserfolg an, sondern schütze die Interessen des Nachbarn abstrakt. Daher reiche die „formale“ Baurechtswidrigkeit für den Beseitigungsanspruch aus.
  • Der Anspruch ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beseitigung des baurechtswidrigen Zustandes mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden wäre. Zwar sieht § 275 Abs. 2 BGB vor, dass der finanzielle Aufwand nicht in einem großen Missverhältnis zu dem Interesse des Nachbarn stehen darf, da das Schutzgut der Brandschutzbestimmungen aber Leib und Leben anderer seien, dürften die finanziellen Interessen der Beklagten keinen Vorrang genießen.
  • Wie der baurechtswidrige Zustand zu beseitigen ist, könne die Beklagte selbst entscheiden. Ob dieses durch eine Ertüchtigung der Wand geschehe oder die Beklagte ihr Gebäude abreiße, sei ihr überlassen.

Architekten haben Hinweispflicht

Beim Bauen im Bestand muss sich der Architekt mit der Grundstückssituation – einschließlich der Historie – sowie dem Zustand des Gebäudes auch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht eingehend befassen, um den Bauherrn auf mögliche Risiken hinweisen zu können. Tut er das nicht und investiert der Bauherr in ein baurechtswidriges Bestandsobjekt, kann dieses eine Haftungsgefahr für den Architekten auslösen, wenn der Bauherr das Gebäude nachträglich nochmals umbauen oder sogar beseitigen muss.

Doch auch für den Neubau ergeben sich aus der Entscheidung wichtige Aspekte für die Hinweispflichten des Architekten. Soll der Architekt ein Objekt planen, das sich für eine Grundstücksteilung eignet, so sollte der Planer seinen Auftraggeber frühzeitig auf daraus resultierende bauordnungsrechtliche Konsequenzen und Erfordernisse hinweisen, damit diese in der Planung vorsorglich berücksichtigt werden können.

Markus Prause ist Rechtsanwalt und Justiziar der Architekten­kammer Niedersachsen

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