Text: Erik Budiner, Axel Plankemann
Die Vergütung von Änderungsleistungen war 2009 in § 7 Abs. 5 geregelt. § 6 Abs. 1 Nr. 1 der HOAI 2009 bestimmte, dass bei Objekten die vollständigen Leistungen des jeweiligen Leistungsbildes grundsätzlich nach den anrechenbaren Kosten zum Stande der Kostenberechnung abzurechnen waren. Daraus ergab sich Regelungsbedarf für solche Fälle, in denen der Bauherr während der Laufzeit des Vertrages über die zwangsläufigen kooperativen Optimierungsverhandlungen hinausreichende Änderungen in Leistungsumfang und Leistungsziel veranlasste. § 7 Abs. 5 verpflichtete die Vertragsparteien, beziehungsweise ordnete für solche Fälle den Anspruch des Architekten an, die Honorargrundlage anzupassen. Diese Anpassung erfolgte bei erhöhten wie bei verminderten anrechenbaren Kosten.
Ungeregelt blieb seinerzeit die Frage, wie bei einer solchen Änderung notwendig anfallende Doppelleistungen des Architekten zusätzlich zu vergüten waren. Da dies ein vertragsrechtliches Problem ist, bestand auch ohne ausdrückliche Regelung in der HOAI der Konsens, dass anfallende Wiederholungen bereits einmal erbrachter Grundleistungen durch eine anteilige hinzutretende Vergütung der betroffenen Grundleistungen zu kompensieren seien, und zwar zusätzlich zur Anpassung der Honorargrundlage nach § 7 Abs. 5. Dies war nicht nur vertragsrechtlich klar, sondern auch in der Sache plausibel. Insbesondere wäre nicht einzusehen gewesen, warum bei Reduzierung des Bauvolumens und damit der anrechenbaren Kosten durch den Auftraggeber der Architekt notwendige und bereits mangelfrei erbrachte Planungsschritte hätte doppelt ausführen müssen, zugleich aber sein Honorar durch Absenkung der Honorargrundlage vermindert worden wäre.
Die neue Regelung in § 10
Die Hoffnung, in der Neufassung des § 10 der HOAI von 2013 werde dieser Aspekt deutlicher geregelt, hat sich nur teilweise erfüllt. § 10 Abs. 1 entspricht im Wesentlichen dem § 7 Abs. 5 der Vorgängerfassung, setzt aber zusätzlich eine Einigung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer über die Änderung voraus. Klargestellt wird, dass die danach erforderlichen Grundleistungen auf der Basis der neuen Honorargrundlage abzurechnen sind. Ungeklärt bleibt aber in Abs. 1 die Frage, wie durch die Vertragsänderung des Auftraggebers angefallene Doppelplanungen durch Überarbeitung oder (teilweisen) Ersatz der Ursprungsplanung zu vergüten sind.
Nach § 10 Abs. 2 der aktuellen HOAI-Fassung ist für wiederholte Grundleistungen im Zusammenhang mit vertraglichen Änderungen des Leistungsumfangs deren Honorar entsprechend dem Anteil der betroffenen Grundleistungen zu ermitteln. Honorarrechtlicher Maßstab für die Bewertung von wiederholten Grundleistungen ist damit das anteilige Honorar der entsprechenden Grundleistungen in der betroffenen Leistungsphase. Diese Bewertung entspricht der Berechnung des Honorars in besonderen Fällen nach § 8 Abs. 2 HOAI.
Damit könnte die honorarrechtliche Situation insoweit geklärt sein. Doch findet sich in § 10 Abs. 2 der Neufassung die in jeder Hinsicht irritierende Voraussetzung, dass bei einer solchen Wiederholung von Grundleistungen die anrechenbaren Kosten oder Flächen sich nicht ändern. Dies könnte zunächst einmal zu der Schlussfolgerung verleiten, die Vergütung von Wiederholungsleistungen nach dem Maßstab einer regulären Vergütung der jeweiligen Grundleistung komme überhaupt nur in Betracht, wenn bei vertraglicher Änderung des Leistungsumfangs die anrechenbaren Kosten (oder Flächen) unverändert bleiben. Diese Schlussfolgerung ist allerdings unzutreffend, denn in ihr bleibt unberücksichtigt, dass die Vergütungspflicht erbrachter Leistungen (einschließlich erbrachter Doppelleistungen) ein rein vertragsrechtliches Thema darstellt, das vom Grundsatz her im Preisrecht der HOAI nichts zu suchen hat. Ob eine Leistung zu vergüten ist, ergibt sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht aus der HOAI, sondern aus der zugrunde liegenden vertragsrechtlichen Konstellation. Demnach könnte sich aus der HOAI lediglich etwas zur Höhe der Vergütung von Wiederholungsleistungen ablesen lassen, nicht zum Anspruch selbst. Folgerichtig war auch vor der Neuregelung in § 10 Abs. 2 anerkannt, dass bei vertraglich vereinbarten Änderungs- und Wiederholungsleistungen die durch Entscheidung des Auftraggebers anfallenden Doppelplanungen nach dem Maßstab des jeweiligen Grundleistungshonorars zu vergüten sind, und zwar sinngemäß nach den Grundsätzen des § 8 Abs. 2 HOAI.
Sollte die womöglich nur sprachlich verunglückte Neuformulierung in § 10 Abs. 2 tatsächlich den vertragsrechtlichen Anspruch grundsätzlich beschränken, so wäre dies von der Ermächtigungsgrundlage der HOAI als reinem Preisrecht wohl nicht gedeckt. Darüber hinaus ist es aber auch in der Sache unsinnig, bei vertraglichen Änderungen des Leistungsumfangs die nach der Änderung erbrachten weiteren Leistungen nur durch eine Anpassung der Honorarberechnungsgrundlage zu kompensieren. Durch die neutrale Fassung in § 10 Abs. 1 sind, wie bereits zuvor bei § 7 Abs. 5 der Vorgängerfassung, jegliche Veränderungen der anrechenbaren Kosten erfasst. Die Regelung gilt also auch dann, wenn die vom Auftraggeber gewünschten Änderungen (zum Beispiel durch Verringerung des Bauprogramms) insgesamt zu einer Reduzierung der Honorarbasis und damit zu geringeren Honoraren führen. Im Ergebnis hätte dann der Architekt zwar doppelte Arbeit, letztlich aber ein gleichwohl gekürztes Honorar. Das besondere Problem einer möglichen Teilkündigung und der daraus resultierenden werkvertraglichen Ersatzansprüche mag an dieser Stelle unerörtert bleiben.
Anpassung der Honorargrundlage und Zusatzvergütung
Überwiegend hat sich daher zum Verhältnis der Absätze 1 und 2 des neuen § 10 HOAI die Auffassung herausgebildet, Abs. 2 regele lediglich den Sonderfall einer geänderten Vertragsleistung ohne Auswirkungen auf die anrechenbaren Kosten. In solchen Fällen ist der Architekt darauf beschränkt, einen Ausgleich seines zusätzlichen Aufwandes über die Vergütung wiederholter Grundleistungen herbeizuführen. Ändern sich aber die anrechenbaren Kosten oder Flächen im Sinne des § 10 Abs. 1 HOAI, so erfolgt – neben der Vergütung der wiederholten Grundleistungen – durch eine entsprechende Korrektur der Honorarberechnungsgrundlage dann eine weiterführende Kompensation des zusätzlichen Aufwands.
Damit lässt sich als Ergebnis feststellen: Änderungsleistungen auf Veranlassung des Auftraggebers sind grundsätzlich über die Vergütung der Wiederholungsleistungen und der Anpassung der veränderten anrechenbaren Kosten zu honorieren (§ 10 Abs. 1). Für den Sonderfall einer vertraglichen Änderung des Leistungsumfangs ohne Veränderung der anrechenbaren Kosten gilt dann nach § 10 Abs. 2 die Beschränkung auf die bloße Zusatzvergütung doppelt zu erbringender Leistungen. Selbstverständlich sind die vertragsgemäßen Erstplanungen des Architekten bis zur Änderungsentscheidung des Auftraggebers auf der Basis der ursprünglichen Kostenberechnung zu vergüten.
Einigung und Schriftform
Neu eingeführt wird durch § 10 im Übrigen, dass zur Änderung des vertraglichen Leistungsumfangs eine ausdrückliche „Einigung“ zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer erforderlich ist. In der Praxis wird in der Regel der Auftraggeber Änderungswünsche anmelden. Die neue Formulierung lässt zumindest theoretisch die Fragen aufkommen, ob der Architekt durch Verweigerung einer Einigung Veränderungen verhindern kann, ob dem Bauherrn dann ein folgenloses Kündigungsrecht des Architektenvertrages zusteht oder ob er die Kündigungsfolgen nach § 649 BGB (Entschädigung für die gekündigten Leistungen) tragen muss. Auch die Schriftlichkeitserfordernisse in den Absätzen 1 und 2 führen nach der Formulierung jedenfalls nicht zum Entfall der entsprechenden Ansprüche, weil diese in beiden Absätzen durch den Verordnungsgeber angeordnet werden („ist“). Weigert sich daher der Auftraggeber, eine entsprechende schriftliche Vereinbarung zu treffen, so können damit die materiellen Ansprüche auf Honoraranpassung jedenfalls nicht endgültig zu Fall gebracht werden. Sie können notfalls bei Gericht eingeklagt werden.
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