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Im Netz bewertet

Architekten werden nicht selten in Online-Portalen bewertet. Vieles muss man hinnehmen – falsche Behauptungen und Beleidigungen aber nicht.

19.05.20165 Min. Kommentar schreiben

Text: Sven Kerkhoff

„Bitte nehmen Sie sich kurz Zeit, unsere Leistung zu bewerten!“ – kaum eine Online-Bestellung, der nicht eine solche Aufforderung folgen würde. Aber auch wer nicht selbst dazu aufruft, muss sich der Bewertung durch Kunden im Netz stellen. So sieht es jedenfalls der Bundesgerichtshof. Er hatte schon 2009 die anonyme Beurteilung von Lehrern im World Wide Web für rechtmäßig erklärt (Urteil vom 23.06.2009, Az.: VI ZR 196/08 zum Thema „spickmich.de“). Nun haben die Karlsruher Richter diese Rechtsprechung fortgeführt und entschieden, dass auch ein Arzt die Veröffentlichung seiner Praxisdaten und anonymer Beurteilungen durch Patienten grundsätzlich hinnehmen muss (Urteil vom 23.09.2014, Az.: VI ZR 358/11). Der klagende Mediziner scheiterte daher mit seinem Antrag, die Plattform „jameda“ zur Löschung seiner Daten zu verurteilen.

Auch für Architekten gibt es Bewertungsportale. Mal können sich Bauherren äußern, mal Mitarbeiter über jetzige und frühere Chefs und mal Architekturbüros über freie Mitarbeiter (siehe unten). Daten können durch den Portalbetreiber oder einen Dritten eingestellt sein. Zwar zwinge dies, so der BGH, den Freiberufler dazu, sich unfreiwillig einer vom Betreiber des Portals vorgegebenen Öffentlichkeit zu stellen und unter Einbeziehung von – oftmals anonymen – Bewertungen unter Umständen fachunkundiger Personen bewerten und vergleichen zu lassen. Auch habe dies womöglich erhebliche Auswirkungen auf seine berufliche Existenz. Dennoch könne er weder die Aufnahme in das Portal als solche verhindern noch habe er einen Anspruch darauf, dass seine Daten auf Verlangen gelöscht würden. All dies würde nach Ansicht des BGH letztlich den Zweck einer solchen Datenbank entwerten. Das Recht des Bewerteten auf informationelle Selbstbestimmung trete im Rahmen der nach § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vorzunehmenden Interessenabwägung vielmehr hinter das verfassungsrechtlich  verbriefte Recht des Portalbetreibers (und damit letztlich der Nutzer) auf Meinungs- und Kommunikationsfreiheit zurück. Der BGH begründet dies unter anderem damit, dass ein Freiberufler, der mit anderen Marktteilnehmern konkurriere, sich von vornherein auf die Beobachtung und Kritik seiner Leistung einstellen müsse. Auch bestehe ein erhebliches Interesse der Öffentlichkeit an Leistungstransparenz und Meinungsaustausch, um sich bei der Auswahl des Anbieters orientieren zu können.

Da Online-Bewertungen erhebliche Auswirkungen auf die berufliche Reputation haben
können, empfiehlt es sich, die Einträge zur eigenen Person in einschlägigen Portalen
(siehe unten) regelmäßig zu sichten. Der Architekt ist nämlich durchaus nicht jeder Art von Bewertung schutzlos ausgeliefert. Ein Löschungsanspruch gegen den Betreiber kommt vor allem dann in Betracht, wenn die Bewertung unwahre Tatsachenbehauptungen enthält. Tatsachenbehauptungen sind Äußerungen, die dem Beweis zugänglich
sind (zum Beispiel: „Architekt hat den Bauantrag nicht eingereicht“ oder „Architekt hat den Kostenrahmen überschritten“). Schwieriger ist die Situation bei bloßen Meinungsäußerungen, also Angaben, die von einem Meinen oder Dafürhalten geprägt sind („Ich halte diesen Architekten für wenig kompetent“). Solche Meinungsäußerungen müssen in weitem Umfang hingenommen werden, auch wenn sie mit Tatsachenbehauptungen vermischt sind.

Eine sachliche Kritik ist niemals widerrechtlich. Unzulässig sind lediglich Werturteile, die in eine jeder sachlichen Grundlage entbehrende böswillige oder gehässige Schmähkritik übergehen. Dabei macht selbst eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. So ist nach einem Urteil die Bezeichnung eines Landhotels als „Hühnerstall“ zulässig (OLG Stuttgart, Urteil vom 11.09.2013, Az.: 4 U 88/13). Die Grenze wird erst überschritten, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 06.02.2014, Az.: 3 U 1049/13 m. w. N.). Eine Formalbeleidigung beziehungsweise nicht hinzunehmende Schmähung in diesem Sinne wäre etwa eine Äußerung wie: „Dieser Architekt ist ein Betrüger und eine Schande für den ganzen Berufsstand!“

Das Problem ist aber, dass der Autor solcher Schmähungen in der Regel anonym bleibt. Ihn kennt allenfalls der Betreiber des Portals. Es ist jedoch umstritten, ob ein Geschmähter von diesem Auskunft über die Identität des Bewertenden verlangen kann. Das OLG Hamm verneint das in seinem Beschluss vom 03.08.2011, Az.: 3 U 196/10. Eine andere Auffassung vertritt das OLG Dresden im Beschluss vom 08.02.2012, Az.: 4 U 1850/11. Die erfolgversprechendere und oftmals auch einzige Möglichkeit ist es daher, direkt gegen den Betreiber des Portals vorzugehen. Enthält eine Bewertung eine unzulässige Meinungsäußerung oder eine unwahre Tatsachenbehauptung, sollte der Architekt den Betreiber des Portals schriftlich und unter Fristsetzung zur Löschung auffordern. Diese Aufforderung sollte unbedingt inhaltlich begründet werden, um dem Portalbetreiber die Möglichkeit zu geben, die Berechtigung des Löschungsbegehrens zu überprüfen (vgl. das im ersten Absatz genannte BGH-Urteil).

Der Portal-Betreiber ist zwar nicht verpflichtet, ohne besonderen Anlass sämtliche Bewertungen vorab zu kontrollieren (§ 7 Absatz 2 Telemediengesetz (TMG)). Ihn treffen aber erweiterte Prüfpflichten, sobald er darauf hingewiesen wird, dass eine sachlich unzutreffende oder beleidigende Bewertung veröffentlicht wurde, § 10 TMG (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2011, Az.: VI ZR 93/10). Das gilt vor allem dann, wenn der Betreiber die Nutzung des Portals unter Pseudonym ermöglicht und damit ein erhöhtes Risiko für rechtsverletzende Äußerungen schafft (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2016, Az.: VI ZR 34/15). Der Betreiber hat daher im Falle einer substantiierten Beschwerde den User zu kontaktieren, der die Bewertung abgegeben hat und ihn aufzufordern, seine Behauptungen zu untermauern und in geeigneter Form zu belegen (vgl. BGH, a.a.O.).

Reagiert dieser nicht oder erscheint die Beanstandung des bewerteten Architekten nach Prüfung in der Sache berechtigt, ist der Betreiber der Seite zur Löschung der Negativbewertung verpflichtet (KG Berlin, Urteil vom 07.03.2013, Az.: 10 U 97/12). Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann der Bewertete den Löschungsanspruch gerichtlich verfolgen.

Wo Architekten bewertet werden
Bauherren bewerten Architekten:
www.kennstdueinen.de
www.immobilienscout24.de
www.baufach-verzeichnis.de
Mitarbeiter bewerten (Ex-) Arbeitgeber:
www.arcvote.de
www.kununu.com
Büros bewerten freie Mitarbeiter:
www.freelance-market.de

Dr. Sven Kerkhoff ist Rechtsreferent bei der Architektenkammer
Nordrhein-Westfalen.

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