Text: Markus Prause
Der Architekt ist „Sachwalter“ des in der Regel Bau-unerfahrenen Bauherrn. Zwischen den Parteien des Architektenvertrages besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis, das den Architekten zur sorgfältigen Wahrnehmung der Bauherreninteressen verpflichtet. Dem Architekten obliegen daher zahlreiche Beratungs- und Hinweispflichten gegenüber dem Bauherrn. Die Beratungspflichten können Hauptpflichten im Rahmen der vertraglich geschuldeten Leistung sein (zum Beispiel Beratung zur Einschaltung von Sonderfachleuten in der Leistungsphase 1). Darüber hinaus bestehen aber auch zahlreiche Beratungspflichten als Nebenpflichten. Sie sind nicht speziell im Vertrag als Leistung aufgeführt, bilden aber einen „automatischen Annex“ zum Vertrag (OLG Stuttgart, Urteil vom 18.8.2008, Az. 10 U 4/06; OLG Celle, Urteil vom 18.2.2010, Az. 5 U 119/09).
Neben den Beratungs- und Hinweispflichten als Hauptgruppe der Nebenpflichten gibt es noch eine Reihe weiterer Nebenpflichten, wie beispielsweise:
• Verschwiegenheitspflichten
• Auskunftspflichten
• Verwahrungspflichten
• Schutzpflichten
Gemäß § 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist jeder Vertragspartner zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Partners verpflichtet. Daher kann auch die Verletzung von Nebenpflichten Schadensersatzansprüche auslösen. Nebenpflichten können bereits vor einem Vertragsschluss oder auch noch nach Beendigung des Vertrages entstehen.
Vor Vertragsabschluss
Schon durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, durch die Anbahnung eines Vertrages oder ähnliche Kontakte – insbesondere Akquisitionsgespräche – werden Sorgfalts-, Rücksichtnahme- und Aufklärungspflichten begründet, deren Verletzung Schadensersatzansprüche auslösen kann (§ 311 Abs. 2 BGB).Beispiele:
• Der Architekt muss auf ihm bekannte, ungünstige Bodenverhältnisse oder auf mögliche Schäden aus den Bodenverhältnissen hinweisen.
• Der Ingenieur für Tiefbau darf die ihm fehlende Architekteneigenschaft nicht verschweigen.
• Der Architekt muss den Bauherrn bei gewünschter Grenzbebauung darauf hinweisen, dass die Durchführung des Bauvorhabens von der Zustimmung des Nachbarn abhängig ist.
• Der Architekt muss über die Höhe seines Honorars aufklären, wenn der Bauherr als Laie erkennbar falsche Vorstellungen von der Honorarhöhe besitzt.
Versäumnisse nach Vertragsabschluss
Der Architekt hat dem Bauherrn während der Laufzeit des Vertrages auch außerhalb der vertraglich vereinbarten (Haupt-)Beratungspflichten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Verstöße gegen solche Hinweis- und Beratungspflichten werden beispielsweise in folgenden Fällen angenommen:
• Bei einer baurechtlich „riskanten“ Planung weist der Architekt nicht auf die Möglichkeit der Stellung einer Bauvoranfrage hin.
• Der Architekt unterlässt den Hinweis, dass eine Vertragsstrafe bei der Abnahme des Bauwerks vorbehalten werden muss, wenn der Bauherr dieses Recht nicht verlieren will (BGH, Urteil vom 26.4.1979, Az. VII ZR 190/78).
• Im Falle von Baumängeln klärt der Architekt nicht über die Notwendigkeit einer Beweissicherung beziehungsweise die Einschaltung eines Sachverständigen auf.
• Bei einer nur „auf besondere Anforderung“ vereinbarten Objektüberwachung weist der Architekt den Bauherrn, der Abdichtungsarbeiten in Eigenregie durchführen will, nicht darauf hin, dass er wegen der Kompliziertheit und Schadengeneigtheit dieser Arbeiten hinzuzuziehen ist.
• Der Architekt klärt nicht über solche Baumängel auf, deren Entstehung er selbst verschuldet hat, und berät dazu nicht, so dass die gegen ihn gerichteten Gewährleistungsansprüche seines Bauherrn verjähren (BGH, Urteil vom 26.9.1985, Az. VII ZR 50/84).
• Der Architekt erfährt vor Ablauf der Verjährungsfrist von einem gegenüber dem Bauunternehmer zu rügenden Mangel und versäumt es, den Bauherrn unverzüglich zu informieren.
Generell hat der Architekt zudem Schutzpflichten zu beachten, um beispielsweise Körperverletzungen des Bauherrn zu vermeiden (zum Beispiel: Der Architekt zeigt dem Bauherrn die Baustelle und dieser stürzt in einen nicht abgedeckten Treppenschacht).
Die Folgen einer Schutzpflichtverletzung können auch Eigentumsschäden des Bauherrn sein, die an anderen Sachen als dem Bauwerk selbst auftreten (zum Beispiel: Der Architekt warnt den Bauherrn nicht davor, im Rohbau neue Möbel und Teppiche zu lagern – die Sachen nehmen durch Feuchtigkeit Schaden).
Nach Vertragsbeendigung
Selbst nach Beendigung des Vertrages können noch Nebenpflichten be- und entstehen. Beispielsweise muss der Architekt gegebenenfalls über besondere Bedingungen zur Nutzung des Objektes aufklären – zum Beispiel das Lüftungsverhalten beim Passivhaus oder gar die Notwendigkeit, Holzfenster an einer stark bewitterten Fassade regelmäßig zu streichen (OLG Koblenz, Beschluss vom 30.5.2011, Az. 5 U 297/11). Der Architekt ist auch verpflichtet, dem Bauherrn Einsicht in Unterlagen zu gewähren, die für den Bauherrn relevant sind.
Markus Prause ist Justitiar der Architektenkammer Niedersachsen.
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