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Zurück VOB/B und Haftung

Riskanter Rat

Will ein privater Bauherr in Verträge mit ausführenden Unternehmen die VOB/B aufnehmen, muss der Architekt ihm die Risiken deutlich aufzeigen – oder sollte ihm komplett davon abraten

18.07.20118 Min. 1 Kommentar schreiben

Von Fabian Blomeyer

Architekten beraten ihre Bauherren im Rahmen ihrer Mitwirkung bei der Vergabe auch über die Grundzüge der Auftragsbeziehungen zu den ausführenden Unternehmen. Zwar gehört es nicht zu den Architektenaufgaben, dem Bauherrn individuellen Rechtsrat zur Gestaltung eines Bauvertrags zu erteilen. Der Architekt muss aber Grundzüge des Bauvertragsrechtes und der VOB/B kennen und seinen Auftraggeber allgemein darüber informieren, ggf. auch Hinweise auf übliche Vertragsmuster geben.

Doch schon daraus kann sich für ihn ein Haftungsrisiko entwickeln. Denn die früher regelmäßig angewandte VOB/B ist vor allem für Erbauer einer privaten, selbst genutzten Wohnimmobilie keine verlässliche Vertragsgrundlage mehr. Seit 2009 das Forderungssicherungsgesetz in Kraft getreten ist, kann nur noch bei Bauverträgen zwischen Unternehmern sowie öffentlichen Auftraggebern einerseits und Baufirmen andererseits die Einbeziehung der VOB/B uneingeschränkt empfohlen werden.

Denn wenn die VOB/B ohne inhaltliche Änderungen in den Vertrag einbezogen wurde, ist sie weiterhin vor einer nachträglichen Inhaltskontrolle nach dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen geschützt; keine Seite kann später einzelne Regelungen unter Berufung auf die AGB-Widrigkeit anfechten. Unternehmerische und öffentliche Bauherren werden sich vor Vertragsabschluss in der Regel vergewissert haben, dass sie sich mit den Klauseln der VOB/B keine gravierenden Nachteile einhandeln.

Bei Bauherren aus dem Bereich der Verbraucher kommt es darauf an, welche Seite die VOB/B als Vertragsgrundlage vorgegeben hat. Wird die VOB/B durch ein bauausführendes Unternehmen als allgemeine Geschäftsbedingungen eingebracht, kann sich ein Verbraucher später auf die Unwirksamkeit ihn benachteiligender Klauseln berufen. Auch hier kann der Architekt ihm empfehlen, sie anzunehmen. Wird aber die VOB/B vom Verbraucher selbst (ohne Änderungen) vorgegeben, kann er sich als aktiver Verwender der VOB/B nicht auf die Unwirksamkeit von Bestimmungen berufen, die ihn selbst benachteiligen. Anders als bei öffentlichen und unternehmerischen Bauherren kann nicht vorausgesetzt werden, dass ein privater Bauherr (Verbraucher) bei Vertragsabschluss weiß, ob einzelne Bestimmungen für ihn nachteilig sind. Für die Privaten ist daher die Möglichkeit der Anfechtung von Bestimmungen vorteilhafter als eine feste Bindung an sie.

Nun ist aber die VOB/B im Baubereich üblich und hat sich bewährt. Rät der Architekt dem privaten Bauherrn dazu, sie selbst einzubringen, kann für ihn ein Haftungsrisiko entstehen. Da nicht generell erwartet werden kann, dass der Bauherr alle für ihn negativen Klauseln kennt und bewusst in Kauf nimmt, dürfte dem Architekten die Pflicht obliegen, seinen Auftraggeber über die möglichen Konsequenzen zu informieren.

Er müsste in diesem Fall, um selbst nicht in Haftung genommen zu werden, den Bauherrn über die ihn als Verbraucher belastenden Inhalte der VOB/B aufklären und diese Aufklärung auch nachweisen können. Hier birgt aber jede falsche Empfehlung des Architekten zur Einbeziehung der VOB/B ein Haftungsrisiko. Er sollte dem Bauherrn entweder von der VOB/B abraten – oder dokumentieren, dass er ihn über die Nachteile aufgeklärt hat.

Wer ist eigentlich Verbraucher?

Daher kommt der Frage „Wer ist Verbraucher und wer Unternehmer im Sinne des Gesetzgebers?“ erhebliche Bedeutung zu. Antwort gibt zunächst der Gesetzgeber selbst. Nach § 13 BGB sind Verbraucher alle natürlichen Personen, die Rechtsgeschäfte abschließen, die weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Das umfasst alle Personen, die für sich selbst privat bauen.

Unternehmer sind im Umkehrschluss alle natürlichen und juristischen Personen, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäftes in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit tätig ­werden (§ 14 BGB). Dies betrifft selbstverständlich alle ­Gewerbetreibenden und Firmen, die für ihr Unternehmen Bauverträge schließen. Auch Freiberufler (Steuerberater, Rechtsanwälte, Ärzte und Architekten) gelten insoweit als Unternehmer. Ergibt sich die Unternehmerstellung nicht bereits aus der Firmenbezeichnung (GmbH, OHG, AG, Partnerschaft), kann ein Indiz für sie beispielsweise die Ausweisung einer Umsatzsteuernummer auf Briefbögen sein. Auch ein Hinweis, dass die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Umsatzsteuergesetz in Anspruch genommen wird, belegt die Unternehmereigenschaft.

Schwieriger zu bewerten sind die Fälle, bei denen sich Verbraucher- und Unternehmereigenschaft mischen: Ein Rechtsanwalt, der z. B. allein seine Kanzleiräume umbauen lässt, handelt mit Sicherheit als Unternehmer. Handelt es sich dagegen um einen Neubau eines Einfamilienhauses, bei dem auch im Erdgeschoss ein Kanzleiraum vorzusehen ist, ist die Abgrenzung schwieriger. Maßgeblich dürfte sein, welchen Anteil der unternehmerische Teil an dem Rechtsgeschäft umfasst. Im genannten Beispiel überwiegen die private Nutzung und damit wohl auch die Verbraucherstellung.

Existenzgründer sind bis zum Beginn ihrer unternehmerischen Tätigkeit Verbraucher. Ebenso ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) als Verbraucherin einzustufen. Laut OLG München (AZ: 32 Wx 118/08) kann eine WEG als Verbraucherin im Sinne des § 13 BGB angesehen werden, wenn an ihr nicht ausschließlich Unternehmer beteiligt sind. Die Beteiligung an einer WEG zum Zwecke der Erzielung von Mieteinnahmen stellt noch keine unternehmerische Tätigkeit dar. Sie gilt als Verwaltung eigenen Vermögens und damit als private Tätigkeit.

Im konkreten Fall muss der Architekt sich also etwa beim Hausverwalter über die Zusammensetzung der Eigentümer kundig machen. Wird eine einzelne Wohnung selbst genutzt oder wird eine Wohnung in der WEG zur Erzielung von Mieteinnahmen genutzt, kann die WEG im Ganzen als Verbraucherin angesehen werden. Liegen Zweifel vor, ob ein Bauherr Verbraucher oder Unternehmer ist, sollte dieser unbedingt mit der Problematik konfrontiert werden und muss gegebenenfalls in eigener Verantwortung über seinen Status entscheiden. Bei verbleibendem Zweifel sollte er einen Rechtsanwalt konsultieren.

Abraten oder Verantwortung klären

Wenn ein Bauherr als Verbraucher oder sein Architekt die VOB/B in den Vertrag einbringen will, dann sollte der Architekt Haftungsrisiken vermeiden und den Auftraggeber über die ihn belastenden Inhalte der VOB/B aufklären. Er muss zudem nachweisen können, dass er diese Aufklärung geleistet hat. Der Architekt ist weitgehend auf der sicheren Seite, wenn er ein von der Architektenkammer Baden-Württemberg mit der Landesvereinigung Bauwirtschaft Baden-Württemberg abgestimmtes Vorgehen praktiziert:

1. Im Rahmen der Beratungspflichten des Architekten berät dieser den Bauherrn über die Unterschiede zwischen VOB/B-Vertrag und BGB-Werkvertrag. Er zeigt dem Bauherrn die Unterschiede auf, insbesondere zu unterschiedlichen Verjährungsfristen (siehe unten).
2. Der Bauherr bestätigt dem Architekten, über diesen Inhalt beraten worden zu sein, und entscheidet sich für einen VOB/B-Vertrag oder einen BGB-Werkvertrag.
3. Entscheidet sich der Bauherr für die unveränderte Anwendung der VOB/B, gibt er diese als Vertragsbedingung vor. Sie wird bei Zustimmung des Unternehmers Vertragsinhalt. Die Geltung der VOB/B muss in jedem Fall in dem Vertrag unter Benennung der für diesen Vertrag gültigen Fassung ausdrücklich vereinbart werden.
4. Entscheidet sich der Bauherr für die VOB/B in Anwendung von Öffnungsklauseln, z. B. des § 13 Nr. 4 Abs. 1 VOB/B (Verjährung), und ersetzt die dortige vierjährige Gewährleistungsfrist durch fünf Jahre nach BGB, so stellt er als Verbraucher diese Bedingung. Weitere Informationen und notwendige Formulare unter www.akbw.de.

Auch bei diesem Verfahren besteht aber das Restrisiko, dass ein Gericht ihm in einem konkreten Fall mangelhafte Aufklärung vorwirft und ihn in die Haftung nimmt. Häufig ist es selbst für Juristen schwer, im Einzelfall jeden Vor- und Nachteil einer VOB/B-Klausel zu erkennen und die konkreten Auswirkungen zu beurteilen. Rechtsprechung und -meinung dazu ändern sich ständig.
Noch ungleich schwerer als für Juristen dürfte es daher für Architekten sein, die Konsequenzen jeder Regelung so darzustellen, dass der Bauherr eine bewusste Entscheidung treffen kann. Daher bietet sich auch der Weg an, einen Bauvertrag ohne Einbindung der VOB/B zu schließen. Sinnvolle Elemente der VOB/B könnten dabei in solche Bauverträge integriert, individuell ausgehandelt und vereinbart werden. Muster für Verträge für Bau- und Handwerkerleistungen finden sich etwa unter www.hausundgrund.de.

Fabian Blomeyer ist Rechtsanwalt in München.



Der Autor des Textes hat zusammen mit Erik Budiner einen Rechtsberater verfasst, der über den Architektenvertrag, Haftung, Honorare, Berufs- und Standesrecht, öffentliche Aufträge, Wettbewerbswesen, Rechtsformen des Architekturbüros und Urheberrecht informiert.

Die Neuaflage von 2018 berücksichtigt, dass sich mit der »Reform des Bauvertrags­rechts« zum 1.1.2018 die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Erbringung von Planungsleistungen grundlegend geändert haben. Erstmals finden sich die Besonderheiten des Architektenvertrags in einem eigenen Abschnitt des BGB. Die neue Vergabeverordnung ersetzt die bisherige VOF. Die Neuauflage hilft die neuen Verfahren und Begrifflich­keiten zu verstehen und in den Berufsalltag zu integrieren.

 

Fabian Blomeyer, Erik Budiner
Architektenrecht von A-Z
Rechtslexikon für Architekten, Bauherren und Juristen.
3. Auflage 2018
Beck Rechtsberater, dtv Verlag
267 Seiten, 22,90 Euro

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1 Gedanke zu „Riskanter Rat

  1. Zum Thema „Riskanter Rat “

    Leider entspricht es nicht der gänigen Praxis, dass Architekten die deutlichen Unterschiede zwischen Werkvertrag BGB und VOB Vertrag erschöpfend kennen.
    Daher kann keine Aufklärung dem Kunden gegenüber erfolgen.
    Als deutliche Erleichterung würde meines Erachtens
    die Bereitstellung von Merkblättern über die einzelnen AK der Bundesländer darstellen.
    Die juristische auseinandersetzung der Architektenschaft reicht von „miserabel bis nicht vorhanden“ . Abweichende Darstellungen widersprechen der Realität in den Büros.
    Die Merkblattvariante sehe ich als banalste Möglichkeit die Architekten aus den einfachsten juristischen Fallstricken herauszuhalten.

    Mfg Pavlidis Architekt

    Antworten

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