Dieser Beirag ist unter dem Titel „Sozialversicherungspflicht bei GmbH-Gesellschaftern“ im Deutschen Architektenblatt 12.2022 erschienen.
Von Sven Kerkhoff
Das Bundessozialgericht (BSG) war in seiner Entscheidung vom 18. März 2018 (Az.: B 12 KR 13/17 R) zu dem Ergebnis gelangt, dass Gesellschafter-Geschäftsführer nur dann als selbstständig tätig im sozialversicherungsrechtlichen Sinne anzusehen sind, wenn sie mindestens 50 Prozent der Kapitalanteile besitzen oder ihnen eine echte, sich auf sämtliche Unternehmensgegenstände erstreckende Sperrminorität eingeräumt ist. Letzteres sei nur dann der Fall, wenn im Gesellschaftsvertrag ein Einstimmigkeitserfordernis für alle Beschlüsse vereinbart wurde, jeder Minderheitsgesellschafter also in der Lage ist, einen Beschluss zu verhindern. Anderenfalls, so das BSG, sei der Minderheitsgesellschafter weisungsabhängig und damit wie ein Angestellter zu behandeln.
Sozialversicherungspflicht gilt auch für freie Berufe
Diese gesellschaftsrechtliche Betrachtung gilt, wie das BSG jetzt im Kontext einer Rechtsanwalts-GmbH noch einmal deutlich gemacht hat, auch für die Angehörigen der freien Berufe, ungeachtet einer möglicherweise bestehenden fachlichen Unabhängigkeit der einzelnen Berufsträger (Urteil vom 28. Juni 2022, Az.: B 12 R 4/20 R). Sie betrifft allerdings ausschließlich Kapitalgesellschaften: Partner von Partnerschaftsgesellschaften (mit und ohne Beschränkung der Berufshaftung) sind von dieser Rechtsprechung, unabhängig von der Ausgestaltung der Mehrheitsverhältnisse, nicht betroffen, da sie stets Mitunternehmer sind.
Geschäftsführende Minderheits-Gesellschafter in Architekten-GmbHs
Folge der Rechtsprechung des BSG ist vor allem, dass geschäftsführende Minderheits-Gesellschafter in Architekten-GmbHs der Sozialversicherungspflicht unterliegen, sofern nicht gesellschaftsvertraglich gegengesteuert wird. Hinsichtlich der Rentenversicherungspflicht werden sich dadurch zwar kaum Nachteile ergeben, weil hier üblicherweise ein Befreiungsanspruch aufgrund der (Pflicht-)Mitgliedschaft im Versorgungswerk bestehen wird und die Betroffenen einen Antrag auf Befreiung stellen können, dem die Rentenversicherung aller Wahrscheinlichkeit nach stattgeben wird.
Anders sieht es aber bei der Arbeitslosenversicherung und unter Umständen auch bei der Krankenversicherung beziehungsweise Pflegeversicherung aus. Letztere sind allerdings wiederum dann nicht betroffen, wenn die Einkünfte des Gesellschafters oberhalb der Grenze liegen, ab der es möglich ist, sich privat zu versichern, und von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht wurde.
Wer gilt als abhängig beschäftigt?
Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung haben in einem Rundschreiben vom 1. April 2022 (Anlage 3), das bei Statusfeststellungsverfahren und Betriebsprüfungen regelmäßig zugrunde gelegt wird, noch einmal die Maßstäbe zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern, Fremdgeschäftsführern und mitarbeitenden Gesellschaftern einer GmbH insgesamt umrissen.
Dabei wird hervorgehoben, dass es stets auf eine Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Umstände sowie der gesellschaftsrechtlichen Regelungen ankommt. Grundsätzlich gilt aber, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bei Gesellschafter-Geschäftsführern nicht in Betracht kommt, sofern diese entweder über mindestens 50 Prozent des Stammkapitals verfügen oder aber – siehe BSG-Entscheidung von 2018 – aufgrund einer besonderen Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag sämtliche Beschlüsse der anderen Gesellschafter verhindern können (umfassende Sperrminorität).
Ebenfalls als nicht abhängig beschäftigt gelten mitarbeitende Alleingesellschafter. Bei mitarbeitenden Mehrheitsgesellschaftern, die nicht geschäftsführend tätig sind, reicht die Kapitalbeteiligung als solche hingegen nicht aus, da sie an sich gleichwohl der Weisungsmacht des Geschäftsführers unterworfen sind. Dies kann nur ausgehebelt werden, wenn die Weisungsrechte per Gesellschaftsvertrag vom Geschäftsführer auf die Gesellschafterversammlung übertragen sind.
In Fällen, in denen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis aufgrund der Kapitalbeteiligung oder besonderer Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag nicht von vornherein ausgeschlossen ist, spricht dies grundsätzlich immer für eine abhängige Beschäftigung. Es wird aber gleichwohl ergänzend individuell nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung geprüft, ob tatsächlich eine solche vorliegt.
Gesellschaftsvertrag und Sperrminorität
Im Ergebnis bleibt es damit vor allem für GmbH-Gesellschafter mit einem Kapitalanteil von unter 50 Prozent bei der Empfehlung, mit ihrem Steuerberater die Möglichkeiten und Risiken einer Anpassung des Gesellschaftsvertrages in Richtung der Verankerung einer Sperrminorität zu erörtern. Dabei sollte bedacht werden, dass das daraus resultierende Einstimmigkeitserfordernis seinerseits mit erheblichen Folgen für die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft verbunden sein kann. Mitarbeitende Mehrheitsgesellschafter, die nicht Geschäftsführer sind, sollten die gesellschaftsvertraglichen Regularien zur Geschäftsführung überprüfen.
Welche Konsequenzen der sozialversicherungsrechtliche Status als „abhängig beschäftigt“ bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer für die Einstufung beim Kammerbeitrag hat, ist übrigens eine ganz andere Frage, deren Antwort sich allein nach der Beitragsordnung der jeweiligen Länderkammer bestimmt.
Dr. Sven Kerkhoff ist Rechtsreferent bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
Das Rundschreiben, in dem auch eine Übersicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu zahlreichen gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen enthalten ist, kann online eingesehen werden.
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