Text: Hans Christian Schwenker
In einem Architektenvertrag für den Abriss und den Neubau eines Einfamilienhauses hieß es unter der Überschrift „Zusätzliche Vereinbarungen“: „Es wird ein Pauschalhonorar für die Phasen 1 bis 9 von 60.000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart. Abschlagsrechnungen werden in 10.000-Euro-Schritten zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart.“ Auf der Quittung für die letzte Zahlung heißt es „Restbetrag von der Abschlussrechnung für Architekt-Honorar“.
Ein Jahr und vier Tage später übersandte der Architekt dem Bauherrn eine „Teilschlussrechnung“ über zusätzliche 58.871,03 Euro und später eine geänderte Kostenrechnung über sogar 62.346,33 Euro. Hierzu urteilte jetzt der Bundesgerichtshof, auch nach so langer Zeit könne dem Bauherrn eine Zahlung nach HOAI-Mindestsätzen noch zumutbar sein (BGH, Urteil vom 19. November 2015 – VII ZR 151/13).
Nach der Begründung des BGH ist eine Honorarvereinbarung unwirksam, wenn die Mindestsätze der jeweils gültigen HOAI unterschritten sind. Unter dieser Voraussetzung hat der Architekt einen Anspruch auf das Honorar nach der HOAI. Das gilt auch dann, wenn er bereits eine Schlussrechnung erteilt hat, in der die Forderung nicht vollständig ausgewiesen ist.
Denn in einer solchen Schlussrechnung liegt grundsätzlich kein Verzicht auf die weitergehende Forderung; diese wird durch die Schlussrechnung auch nicht in anderer Weise verkürzt. Der Architekt ist auch nicht nach Treu und Glauben gehindert, weitergehende Ansprüche durchzusetzen, die über den vereinbarten, in Rechnung gestellten und gezahlten Pauschalpreis hinausgehen.
Der Architekt wäre an seine Schlussrechnung gebunden gewesen, wenn sein Bauherr auf eine abschließende Berechnung des Honorars vertrauen durfte und sich im berechtigten Vertrauen auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung in schutzwürdiger Weise so eingerichtet hätte, dass ihm eine Nachforderung nicht mehr zugemutet werden kann. Dann kann der Architekt nicht die Differenz nachfordern, die zwischen dem ihm nach der HOAI preisrechtlich zustehenden Honorar und dem vertraglich vereinbarten besteht. In diesem Fall sah es aber anders aus. Auch mehr als ein Jahr nach der vollständigen Bezahlung der Schlussrechnung und nach Erteilung der Zahlungsquittung kann laut BGH nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Bauherr auf den abschließenden Charakter seiner Zahlung eingerichtet hat.
Vielmehr muss der Bauherr vortragen, in welchen anderweitigen Dispositionen sich sein Vertrauen, der Architekt werde keine Nachforderungen stellen, manifestiert hat. Der Auftraggeber eines Architekten muss sich durch vorgenommene oder unterlassene Maßnahmen darauf eingerichtet haben, dass weitere Forderungen nicht erhoben werden; die bloße Zahlung auf die Schlussrechnung stellt keine solche Maßnahme dar.
Auch gibt es laut BGH keine allgemeine Lebenserfahrung, dass ein Auftraggeber sich nach einem bestimmten Zeitraum darauf eingerichtet hat, nichts mehr zu zahlen. Nur unter dieser Voraussetzung kann der Architekt nach Treu und Glauben nicht mehr den Anspruch durchsetzen. Allein der Zeitablauf hindert ihn hieran nicht.
Unzumutbar wäre die Zahlung hier für den Bauherren nur dann, wenn sie für ihn eine besondere Härte bedeuten würde. Auch hier ist zu berücksichtigen, welche Maßnahmen der Auftraggeber im Hinblick auf ein schützenswertes Vertrauen vorgenommen oder unterlassen hat.
Der Bundesgerichtshof hält mit diesem Urteil an seiner Rechtsprechung fest, dass die Nachforderung des Architekten dem Auftraggeber im Regelfall zumutbar ist. Das Oberlandesgericht Celle hat in einem vergleichbaren Fall zwar einen Verzicht des Architekten angenommen. Diese Annahme erfordert aber die Feststellung eines unmissverständlichen rechtsgeschäftlichen Willens des Gläubigers, auf die Forderung verzichten zu wollen, wobei an diese Feststellung strenge Anforderungen zu stellen sind (OLG Celle, Urteil vom 10. Juni 2014 – Az. 14 U 164/14).
Hans Christian Schwenker ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Hannover
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