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Stellplatzpflicht: ein Parkplatz zu wenig und nicht barrierefrei

Ist eine Baugenehmigung hinfällig, wenn während der Planung ein erforderlicher Stellplatz wegfällt? Und gehört zu einer barrierefreien Wohnung ein barrierefreier Parkplatz?

21.01.20255 Min. Von Andreas Koenen Kommentar schreiben

Die Stellplatzpflicht ist für Investoren nicht selten ein Ärgernis, weil hierdurch begehrter Platz für lukrative Wohn- oder Gewerbeeinheiten entfällt und eine alternative Tiefgarage die Baukosten schnell in die Höhe treibt. Umso ärgerlicher ist es, wenn die Baubehörde eine sicher geglaubte Baugenehmigung unter Verweis auf landesrechtliche Stellplatzvorgaben verwehrt.

Abweichung von der Baugenehmigung

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz hatte bei einem – abweichend von der erteilten Baugenehmigung errichteten – Bauvorhaben darüber zu entscheiden, ob notwendige Stellplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sind (Urteil vom 19. Juli 2023, Az.: 8 A 11061/22).

Im Kern ging es bei der Entscheidung um Folgendes: Die meisten Landesbauordnungen normieren, dass für bauliche Anlagen, die einen Zu- und Abgangsverkehr mit Kraftfahrzeugen erwarten lassen, Einstellplätze in solcher Anzahl und Größe zur Verfügung stehen müssen, dass sie die vorhandenen oder zu erwartenden Kraftfahrzeuge der ständigen Benutzer und der Besucher der Anlagen aufnehmen können (notwendige Stellplätze; vgl. bspw. § 47 Abs. 1 NBauO, § 52 HBO, § 48 BauO NRW, § 47 Abs. 1 LBauO Rheinland-Pfalz).

In seiner Entscheidung hat sich das OVG Koblenz zunächst mit der Frage beschäftigt, ob durch die Errichtung eines zweiten Apartments anstelle eines eigentlich geplanten barrierefreien Stellplatzes und eines Müllraums im Erdgeschoss des streitgegenständlichen Gebäudes ein sogenannter aliud errichtet worden war.

Aliud: baurechtlich relevante Kriterien verändert?

Ein aliud ist dann anzunehmen, wenn ein von dem ursprünglichen Genehmigungsgegenstand wesensverschiedenes Vorhaben errichtet wird. Dies ist dann der Fall, wenn sich das neue Vorhaben in Bezug auf baurechtlich relevante Kriterien von dem ursprünglich genehmigten Vorhaben grundlegend unterscheidet und durch die abweichende Errichtung die Frage der baurechtlichen Genehmigungsfähigkeit des Gesamtvorhabens neu aufgeworfen wird (vgl. beispielsweise VGH Mannheim, Beschluss vom 16. Februar 2016, Az.: 3 S 2303/15).

Stellplatzzahl während Planung reduziert

Nach dem OVG Koblenz ist bei einem abweichend von der Baugenehmigung errichteten Bauvorhaben – ohne abschließende Entscheidung, ob es sich um ein aliud im vorstehenden Sinne handelt – jedenfalls die Stellplatzzahl nach § 47 Abs. 1 Satz 1 LBauO (Stellplätze bei Errichtung des Vorhabens) und nicht nach § 47 Abs. 2 Satz 1 (Stellplätze bei Änderung eines Vorhabens oder seiner Nutzung) zu ermitteln.

Denn das geänderte Vorhaben sei ein erstmals errichtetes Vorhaben und es liege nicht etwa die – in § 47 Abs. 2 LBauO geregelte – Konstellation vor, dass ein Altbestand existiert hätte, für den die Stellplatzvorgaben ursprünglich erfüllt gewesen wären.

Keine nachträgliche Baugenehmigung

Die Konsequenzen dieser Unterscheidung sind erheblich: Bei der Errichtung baulicher Anlagen ist die Zahl der notwendigen Stellplätze anhand der zu erwartenden Benutzer und Besucher zu ermitteln, während bei einer Änderung baulicher Anlagen „nur“ Stellplätze in solcher Zahl herzustellen sind, dass sie die infolge der Änderung zusätzlich zu erwartenden Kfz aufnehmen können. Im vorliegenden Fall fehlten demnach zwei notwendige Stellplätze.

Das Vorhaben verstieß – die Anlage (insbesondere die nicht erweiterbare Tiefgarage mit Stellplätzen für die übrigen Wohnungen in dem Gebäude) war ja bereits errichtet – gegen § 47 LBauO, der Anspruch auf Erteilung einer nachträglichen Baugenehmigung wurde durch das OVG verneint.

Kein barrierefreier Stellplatz in Wohnungsnähe

Einen zusätzlichen Verstoß gegen § 47 Abs. 1 LBauO durch das Entfallen des barrierefreien Stellplatzes im Zuge der veränderten Ausführung des Vorhabens hat das OVG jedoch ausgeschlossen. Denn die Verpflichtung in § 47 Abs. 1 LBauO, Stellplätze in ausreichender Zahl und geeigneter Beschaffenheit herzustellen, erstrecke sich nicht darauf, für eine uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbare Wohnung im Sinne des § 51 Abs. 1 LBauO auch einen barrierefreien Stellplatz in unmittelbarer Nähe der Wohnung zu errichten.

Denn die in § 47 Abs. 1 LBauO geregelte Verpflichtung, Stellplätze „in ausreichender Größe und geeigneter Beschaffenheit“ herzustellen, könne nicht dahin interpretiert werden, dass für eine uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbare Wohnung im Sinne des § 51 Abs. 1 LBauO ein barrierefreier Stellplatz in unmittelbarer Nähe der Wohnung errichtet werden müsse.

Barrierefreie Stellplätze in Bundesländern unterschiedlich geregelt

Begründet wurde dies damit, dass in § 51 Abs. 1 LBauO für uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbare und barrierefreie Wohnungen – anders als für bestimmte allgemein zugängliche bauliche Anlagen (§ 51 Abs. 3 Satz 3 LBauO) – jegliche Vorgaben zu den Stellplätzen fehlen.

Anders beispielsweise in Niedersachen: Dort regelt § 49 Abs. 1 S. 8 NBauO ausdrücklich, dass in einem Gebäude mit mehr als 15 Wohnungen für jede Wohnung, die nach dem dortigen Satz 7 rollstuhlgerecht herzustellen ist, jeweils ein Einstellplatz barrierefrei hergerichtet und gekennzeichnet sein muss. Für Gebäude mit weniger als 15 aber mehr als 4 Wohnungen genügt insgesamt ein einziger barrierefreier Einstellplatz.

Gegen das Urteil des OVG Koblenz legte die Klägerin Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht ein.


Prof. Dr. Andreas Koenen ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie für Verwaltungsrecht bei Koenen Bauanwälte in Münster. Außerdem ist er Honorarprofessor an der EBZ Business School in Bochum.

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