Text: Volker Schnepel
Der Bundesgerichtshof hat zum Vergaberecht ein Urteil gesprochen, das eine alte Streitfrage endgültig entscheidet (Az.: X ZR 77/14). Es geht zwar um eine Regelung in der bisherigen Vergabeordnung VOF; das Urteil hat aber auch für die Praxis unter dem neuen Vergaberecht Bedeutung. Streitpunkt war § 20 Abs. 3 der VOF, wonach außerhalb von Planungswettbewerben verlangte Lösungsvorschläge nach den Grundsätzen der HOAI zu vergüten sind. Über diese Vorschrift kann nach dem Urteil des BGH nicht eigenständig Honorar eingeklagt werden. Das Urteil soll, wie der BGH selbst ausdrücklich betont, auch in den Abschnitt 6 der neuen Vergabeverordnung VgV hineinwirken, der sich mit der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen befasst. Architekten müssen daher jetzt bei europaweiten Vergabeverfahren oberhalb der sogenannten Schwellenwerte (derzeit 209.000 Euro bei Planungsaufträgen) besonders darauf achten, wie sie sich verhalten, wenn außerhalb eines Planungswettbewerbs Lösungsvorschläge verlangt werden. Zugleich gibt der BGH aber für das neue Recht einen wichtigen Hinweis für den anzusetzenden Maßstab, was die Angemessenheit der Vergütung anbelangt.
Was war der Hintergrund der Entscheidung? Die Klägerin, ein Architekturbüro, beteiligte sich an einem Vergabeverfahren nach der VOF. Im Rahmen des Verfahrens sollten die Bewerber eine Projektstudie erstellen. Hierfür sahen die Vergabeunterlagen einschließlich der Nebenkosten die Zahlung von 6.000 Euro inklusive Umsatzsteuer vor. Der öffentliche Auftraggeber, wies darauf hin, dass Grundlage für die Erstellung der Planungsstudie ausschließlich § 24 Abs. 3 VOF 2006 (entspricht § 20 Abs. 3 VOF 2009) sei. Das Architekturbüro beanstandete dies, woraufhin der Auftraggeber ausführte, keine HOAI-konformen Leistungen zu erwarten. Das Architekturbüro rief nicht die Vergabekammer an. Nachdem das Vergabeverfahren beendet worden war und das Büro den Zuschlag nicht erhalten hatte, machte es vor einem Zivilgericht unter Anrechnung der gezahlten 6.000 Euro als Honorar für die Projektstudie auf Grundlage der HOAI den Mindestsatz von knapp 251.000 Euro geltend. Im Ergebnis wurde die Zahlungsklage vom BGH wie bereits von den beiden Vorinstanzen abgewiesen.
Der BGH stellt klar: § 20 Abs. 3 VOF 2009 ist keine Vorschrift, über die Honorar eingeklagt werden kann, sondern ist ausschließlich dem Vergabeverfahrensrecht zuzuordnen. Dies war in Rechtsprechung und Literatur durchaus umstritten. Die Entscheidung des BGH hat zur Folge, dass die Klage schon deshalb abzulehnen war, weil der Kläger die 6.000 Euro Bearbeitungspauschale für die Projektstudie zwar zunächst beanstandet („gerügt“) hatte, dies aber nicht im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren weiterverfolgt hatte.
Die vergaberechtliche Bestimmung des § 20 Abs. 3 VOF läuft somit im Ergebnis jedenfalls dann leer, wenn der Bieter nicht das vergaberechtliche Rechtsschutzverfahren voll ausschöpft: Rüge, Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer – und jeweils unter Beachtung der hierfür geltenden Regeln und Fristen. Im Nachgang zum Vergabeverfahren ist ein Unterschreiten der HOAI-Mindestsätze somit nicht mehr korrigierbar.
Was bedeutet das für das neue Vergaberecht? Dieses kennt nicht mehr die bislang unterschiedlichen Vergütungsregelungen in der VOF einerseits im allgemeinen Teil für punktuelle Ausarbeitungen („Entwürfe, Pläne, Zeichnungen, Berechnungen oder andere Unterlagen“ im Sinne von § 13 Abs. 3 VOF) und andererseits im Rahmen der besonderen Vorschriften zur Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen für Lösungsvorschläge (§ 20 Abs. 3 VOF). Beide Regelungen sind nunmehr in § 77 Abs. 2 VgV miteinander verknüpft („Verlangt der öffentliche Auftraggeber außerhalb von Planungswettbewerben darüber hinaus die Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen für die gestellte Planungsaufgabe in Form von Entwürfen, Plänen, Zeichnungen, Berechnungen oder anderen Unterlagen […]“). Als Rechtsfolge sieht diese Regelung einheitlich eine „angemessene“ Vergütung vor und entspricht damit dem bisherigen § 13 Abs. 3 VOF.
Immerhin ist jetzt klar: Ein Architekt, der das vom Auftraggeber angebotene Honorar für einen Entwurf oder auch einen kompletten Lösungsvorschlag akzeptiert, kann sich im Nachgang zum Vergabeverfahren nicht darauf berufen, das Honorar sei zu niedrig bemessen. Von einem Einverständnis des Architekten ist hierbei nicht nur dann auszugehen, wenn er ausdrücklich zustimmt, sondern zum Beispiel auch dann, wenn er das Honorar zwar beanstandet, gleichwohl aber auf dieser Grundlage einen Lösungsvorschlag erarbeitet. Hält der Bewerber allerdings das angebotene Honorar für unangemessen, ist er gehalten, fristgerecht das Nachprüfungsverfahren zu beantragen. In diesem Verfahren ist, wie der BGH ausführt, sodann zu klären, „ob die festgesetzte Vergütung § 13 Abs. 3 oder § 20 Abs. 3 VOF bzw., nach neuem Recht, § 77 Abs. 2 VgV nF genügt“. Wichtig ist in Bezug auf die Höhe der Vergütung der sich anschließende Verweis des BGH auf die HOAI: „Hierbei ist gegebenenfalls auch zu prüfen, ob die Festsetzung in Einklang mit einschlägigen Honorarordnungen steht.“
Allerdings ist es nach Ansicht des BGH nicht Sache der Nachprüfungsinstanzen, selbst einen aus ihrer Sicht angemessenen Betrag festzusetzen oder auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken zu wollen, indem sie selbst das „gegebenenfalls nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure geschuldete Honorar“ anstelle des Auftraggebers festsetzen. Sollte also eine Nachprüfungsinstanz auf Anrufung eines Bieters feststellen, dass die vom Auftraggeber festgelegte Vergütung nicht den VgV-Vorgaben entspricht, muss der Auftraggeber im Anschluss nicht nur die Möglichkeit erhalten, das Honorar in der Höhe anzupassen, sondern sich stattdessen auch dafür zu entscheiden, „die im Hinblick auf die unzureichende Pauschale nicht vergaberechtskonformen Vergabeunterlagen den im Nachprüfungsverfahren gewonnenen Erkenntnissen anzupassen und seine Leistungsanforderungen in ein angemessenes Verhältnis zur Vergütung (vgl. § 77 Abs. 2 VgV neuer Fassung) zu setzen, die er aufbringen kann“.
Führt diese Anpassung aus Sicht der Bewerber wiederum nicht zu einer angemessenen Honorierung, wäre erneut der vergaberechtliche Instanzenweg zu gehen. Insofern lässt sich aus den Ausführungen des BGH immerhin der positive Rückschluss ziehen: Auch wenn der Auftraggeber die verlangte Leistung herabsetzen kann, statt das Honorar nach oben anzupassen, ist doch auch nach diesem Urteil die HOAI der Maßstab für die Angemessenheit des Honorars im Verhältnis zur letztendlich verlangten Leistung. Und das wiederum ist eine gute Nachricht!
Dr. Volker Schnepel leitet die Rechtsabteilung der Bundesarchitektenkammer.
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