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Verbotenes vom Bieter

Einen krassen Verstoß des Auslobers gegen die VOF dokumentiert ein Fall aus Celle

04.11.20115 Min. Kommentar schreiben

Von Hans Christian Schwenker

Gegen keine andere Vergabeordnung verstoßen Auftraggeber – unbewusst oder bewusst – so häufig wie gegen die VOF bei der Ausschreibung von Architekten- und Ingenieurleistungen. Die Ursache liegt häufig darin, dass die mit der Durchführung des Verfahrens befassten Personen erschreckende Defizite in der Kenntnis des Vergaberechts aufweisen. Selbst schwere Vergaberechtsverstöße werden oft nicht geahndet, weil am Auftrag interessierte Architekten und Ingenieure Angst davor haben, durch ein Nachprüfungsverfahren potenzielle Auftraggeber zu verärgern. Doch in einem besonders krassen Fall im niedersächsischen Celle klagte der Unterlegene – mit Erfolg.

Für ein Gebiet in der Celler Altstadt schrieb die Stadt europaweit per Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb den Dienstleistungsauftrag für einen Sanierungsbeauftragten aus. Mit der Vorbereitung und Durchführung dieses Ausschreibungsverfahrens wurde ein Architekt beauftragt. An dem Verfahren beteiligten sich zwei Bieter. Einer davon, die BauBeCon GmbH aus Bremen, hatte in Celle schon zuvor drei Sanierungsgebiete betreut. Der zweite Bewerber war die GOS mbH aus Kiel. Diese stellte während des Ausschreibungsverfahrens der Stadt eine Frage zum Verfahrensbetreuer: „Ist aus wettbewerbsrechtlichen Gründen sichergestellt, dass keine Unternehmen beauftragt sind, die mit zu erwartenden Bewerbern wirtschaftlich eng verflochten sind?“ Eine Antwort bekam die GOS nicht. Später erhielt die BauBeCon den Zuschlag, worauf die GOS das Verfahren rügte: Der betreuende Architekt müsse als voreingenommen gelten, da er sehr enge geschäftliche Beziehungen zur BauBeCon unterhalte.

Die Vergabekammer Niedersachsen stellte im Verfahren fest, dass der Architekt in der Vergangenheit häufig und umfangreich für den anderen Bieter tätig gewesen war. Er hatte zudem nach Feststellung der Vergabekammer die Wertungsmatrix des Verfahrens offenbar in Eigenregie geändert. Und die Kammer gewann den „Eindruck, dass die Angebote nicht mit gleichem Maßstab gemessen werden“. So hatten beide Bieter den gleichen Vorschlag für ein Internetforum gemacht. Bei der GOS wurde dies bemängelt, bei der BauBeCon nicht. Auch für die Nähe der Stadtverwaltung selbst zur BauBeCon gab es ein bizarres Indiz: Die Stadt führte ihre Vergabeakte in einem Ordner, der außen das Firmenlogo der Firma trug und in dessen Inneren die Visitenkarten zweier Führungskräfte der Firma steckten.

Die Vergabekammer stellte die Rechtswidrigkeit des Verfahrens fest und legte der Stadt nahe, es ohne Beteiligung des Architekten zu wiederholen. Der Stadt war es nicht gelungen, die Voreingenommenheits-Vermutung zu entkräften. Eine Regelung hierzu enthält die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) des Bundes in § 16 Abs. 1 Nr. 2. Sie soll sicherstellen, dass für den Auftraggeber nur Personen tätig werden, deren Interessen weder mit denen eines Bieters noch mit den Interessen eines Beauftragten des Bieters verknüpft sind. Dazu gehören der Bewerber selbst und die ihn in diesem Verfahren vertretenden oder beratenden Personen sowie deren nähere Verwandte. Der Architekt unterhielt aber durch seine häufige und umfangreiche Tätigkeit für die BauBeCon eine dauerhafte geschäftliche Beziehung zu ihr. Es ist damit seine „sonstige Unterstützung“ dieses Bieters im Sinne der VgV in diesem Verfahren zu vermuten.

„Subjektive Interessen“

Aus dem Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen |
(AZ: VgK-19/2011 vom 12.7.2011)

1. Für einen Auftraggeber ist es zulässig und häufig unumgänglich, sich die notwendigen Kenntnisse für eine ordnungsgemäße Vorbereitung und Durchführung eines Vergabeverfahrens durch die Einschaltung eines fachkundigen Dritten zu verschaffen, sofern die Auftraggeber nicht selbst personell über das notwendige Know-how verfügen.

2. Ein Auftraggeber muss aber sicherstellen, dass der herangezogene Dritte weder unmittelbar noch mittelbar an der Vergabe beteiligt ist. Es dürfen also im Einzelfall keine Umstände vorliegen, aufgrund derer der Dritte dazu neigen kann, die mit der Vergabe zusammenhängenden Fragen nicht frei von subjektiven Interessen zu betrachten. Der Auftraggeber hat dafür Sorge zu tragen, dass nicht einzelne Angebote bei der Vergabeentscheidung aufgrund eigener wirtschaftlicher Interessen der bei der Vergabe einbezogenen sachkundigen Personen bevorzugt werden.

3. Dies ist der Fall, wenn das zur Beratung herangezogene Architekturbüro zu einem der Bieter eine dauerhafte Geschäftsbeziehung unterhält.

4. Die Vermutung der Voreingenommenheit ist in den Fällen der § 16 Abs. 1 Nr. 2 VgV unwiderlegbar, wenn Beauftragte oder Mitarbeiter eines Auslobers gleichzeitig einen Bewerber beraten oder unterstützen.

Im nun fälligen neuen Vergabeverfahren steht die Stadt vor einer schwer lösbaren Aufgabe: Die BauBeCon hat durch ihre bisherigen Arbeiten in Celle einen immensen Wissensvorsprung; sie unterhält sogar in städtischen Räumen ein Büro. Die Stadt muss in dieser Situation nachweisen, dass in dem neuen Verfahren aus der objektiv vorhandenen Verflechtungssituation keine negativen Folgen für andere Bieter entstehen. Aus der Vergabedokumentation muss ersichtlich sein, auf welche Art und Weise der Wissensvorsprung des Bieters ausgeglichen wird, der mit der Stadt in ständiger Geschäftsbeziehung steht.

Hans Christian Schwenker ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Hannover.

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