Alexandra Seemüller
Das neue „Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts“ ist ein Reformschritt des nationalen Vergaberechts. Mit ihm werden die Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verändert und dem europäischen Recht angepasst. Betroffen von den Änderungen im Verfahren und im Rechtsschutz sind öffentliche Bauaufträge ab 5,15 Millionen Euro sowie Aufträge über Lieferungen, Dienstleistungen und freiberufliche Leistungen ab einem geschätzten Auftragswert von 206 000 Euro.
Die wichtigsten Änderungen regeln vor allem folgende Bereiche:
Für kleinere und mittlere Unternehmen soll es künftig durch eine Aufteilung in Fach- und Teillose einfacher sein, sich an größeren Aufträgen erfolgreich zu beteiligen, § 97 Abs. 3 GWB. Nichtwirtschaftliche Auswahlkriterien (wie zum Beispiel soziale, umweltbezogene oder innovative Anforderungen) können bei einer Vergabe stärker berücksichtigt werden.
Die bisher in § 13 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) geregelten Informations- und Wartefristen vor Zuschlagserteilung werden nun in § 101a GWB aufgenommen und um einen Tag auf 15 Tage verlängert. Bedeutsam sind die Regelungen zur sogenannten De-facto-Vergabe, das heißt zu Direktvergaben ohne vorhergehende Ausschreibung trotz entsprechender Ausschreibungspflicht. Direktvergaben waren bisher nur dann angreifbar, wenn Bieter vor Vertragsschluss ihr Interesse gegenüber der Vergabestelle bekundet hatten. Nun wird klargestellt, dass sog. De-facto-Vergaben schwebend unwirksam sind. Die Vergabe ist endgültig unwirksam, wenn ein Konkurrent dies in einem Nachprüfverfahren geltend gemacht hat – innerhalb von 30 Kalendertagen ab Kenntnis, spätestens jedoch sechs Monate nach Vertragsschluss.
Die Rügepflichten, also die Anforderungen an eine Rüge für unterlegene Bieter, werden über § 107 Abs. 3 GWB verschärft: Verstöße gegen das Vergaberecht, die aus der Leistungsbeschreibung erkennbar sind, müssen spätestens bis zum Ablauf der Bewerbungs- beziehungsweise Angebotsfrist bei der Vergabestelle beanstandet werden. Weist der Auftraggeber eine Rüge zurück, ist der Bieter in der Pflicht, innerhalb von 15 Kalendertagen nach Mitteilung über die Nichtabhilfe mit einem Nachprüfungsantrag zu reagieren. Bisher gab es keine Frist. Neu ist auch, dass derjenige, der einen Nachprüfungsantrag zurücknimmt, die notwendigen Aufwendungen des Auftraggebers und des Beigeladenen zu erstatten hat (§ 128 Abs. 4 GWB).
Von besonderer Bedeutung für Immobiliengeschäfte von Kommunen dürfte eine Klarstellung in § 99 GWB sein: Grundstücksverkäufe, die in Verbindung mit städtebaulichen Entwicklungsverträgen getätigt werden, müssen vergaberechtlich nicht ausgeschrieben werden. Das erleichtert die Fortführung von Entwicklungsvorhaben, die seit 2007 durch mehrere Beschlüsse der Vergabekammer des OLG Düsseldorf zur Grundstücksvergabe vorerst gestoppt worden waren (VK 23/2007-B).
Mit Spannung wird derzeit die nächste Reformstufe erwartet, nämlich die Überarbeitung des materiellen Vergaberechts in den Verdingungsordnungen VOB, VOL und VOF. Sie dürften frühestens im Sommer in Kraft treten.
Das Konjunkturprogramm II
Für die Jahre 2009 und 2010 reagiert die Bundesregierung im Konjunkturprogramm II mit Verfahrenserleichterungen auf die aktuelle Finanzkrise. Aufgrund des außergewöhnlichen Charakters der gegenwärtigen Wirtschaftslage wird Dringlichkeit für Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte unterstellt, was eine Durchführung beschleunigter Verfahren und damit Fristverkürzungen rechtfertigt. Einzelheiten ergeben sich aus den Schreiben des Bundeswirtschafts- und Finanzministeriums.
- Links dazu unter Büro + Recht
Befristet bis 31. Dezember 2010 gilt Folgendes:
Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte können wegen bestehender Dringlichkeit beschleunigt werden. § 18a Nr. 2 und 3 VOB/A und § 18a Nr. 2 und 3 VOL/A sehen Verkürzungen bei Bewerbungs- und Angebotsfristen vor, die nach den Umständen des Einzelfalles genutzt werden können. Bei der Vergabe von freiberuflichen Leistungen ist wegen der besonderen Dringlichkeit eine Fristverkürzung für den Antrag auf Teilnahme von 37 auf 15 Kalendertage, bei elektronischer Übermittlung der Bekanntmachung auf zehn Tage, möglich. Im Übrigen bleiben die Vorgaben der Vergabevorschriften unberührt.
Im EU-Unterschwellenbereich werden bei der Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen nach VOB und VOL neue Wertgrenzen eingeführt. Unterhalb dieser Grenzwerte kann die Vergabestelle ohne Nachweise eines Ausnahmetatbestandes beschränkte Ausschreibungen oder freihändige Vergaben durchführen.
Auch die Länder haben für ihre Behörden und Kommunen inzwischen eigene Verwaltungsregelungen zur Umsetzung der Konjunkturpakete beschlossen. Insgesamt ist dabei erkennbar, dass die jeweiligen Wertgrenzen bei beschränkten Ausschreibungen und freihändigen Vergaben nicht nur auf Bundes- und Landesebene differieren, sondern auch innerhalb der einzelnen Bundesländer. Wer sich zu den gültigen Regelungen in seinem Bundesland informieren möchte, kann dies über die Bekanntmachungen der Landes- oder Staatsregierungen der Länder tun.
Alexandra Seemüller ist Rechtsanwältin in München.
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: