Text: Roland Stimpel
Die Europäische Union hat die Richtlinien für die Vergabe öffentlicher Aufträge novelliert; die Mitgliedstaaten müssen bis April 2016 ihr nationales Recht anpassen. Mit der Vergaberechtsnovelle verbindet der deutsche Gesetzgeber das Ziel, das gesamte Vergaberecht zu vereinfachen. Das scheint nur halbherzig zu gelingen: Die bisherige VOL und VOF sowie die bisherige Vergabeverordnung sollen nun in einer einzigen Rechtsverordnung, der Bundestag und Bundesrat zuzustimmen haben, der neuen Vergabeverordnung (VgV) vereint werden. Nur für Bauleistungen soll die eigene Vergabeordnung (VOB/A) und damit auch deren besonderer Rechtscharakter beibehalten werden. Aus unserer Sicht aber wäre die generelle Beibehaltung der Dreigliedrigkeit klarer und transparenter, zumal die aktuell vorgesehene Zusammenfassung keineswegs zu weniger, sondern leider zu mehr Paragrafen führt.
Dazu haben wichtige Organisationen der Architekten und Ingenieure zum Regierungsentwurf eine gemeinsame Stellungnahme erarbeitet. Die Beteiligten seien aus Platzgründen hier nur mit ihren Kürzeln genannt: AHO, BAK (Bundesarchitektenkammer), BDA, BDB, BDIA, BDLA, BIngK, DAI, IfR, SRL und VFA.
Sie erkennen gemeinsam die Bestrebungen der Regierung an, den Belangen der Besonderen Leistungen der Architekten und Ingenieure gerecht werden zu wollen. Dies dokumentiert vor allem der Erhalt der bisherigen Regelung zur Schätzung des Auftragswertes. Anders als zunächst vorgesehen, werden nicht unterschiedliche freiberufliche Leistungen an einem Projekt zusammengerechnet. Damit bleiben deutlich mehr Projekte unter dem maßgeblichen Schwellenwert der EU – und die Planungsleistungen für sie müssen nicht europaweit ausgeschrieben werden.
An anderer Stelle hat der Regierungsentwurf allerdings noch große Defizite. Am wichtigsten ist die mangelnde Verankerung von Planungswettbewerben in der Verordnung. Hier drohen jedoch aktuell Regelungen, die zu einer überdurchschnittlich hohen Belastung gerade dieser Büros oder gar zu deren Ausschluss führen.
Mängel gibt es noch bei den Grundsätzen und dem vorgesehenen Anwendungsbereich für Planungswettbewerbe. Hier wollen die Architekten- und Ingenieur-Organisationen den vorgesehenen Programmsatz in der Verordnung dahingehend ergänzen, dass im Regelfall Planungswettbewerbe durchzuführen sind. In der Begründung sollte auch aufgeführt werden, dass zum Hochbau auch Innenarchitektur gehört.
Zudem sollte der Wettbewerb nicht, wie derzeit vorgesehen, außerhalb des formalen Vergabeverfahrens gestellt werden – damit wäre er kaum zu kontrollieren und zu überprüfen. Planungswettbewerbe sollten weiterhin innerhalb eines Verhandlungsverfahrens möglich sein und ihm immer vorangestellt werden. Dies ist gerade in Realisierungswettbewerben bei Projekten über der Schwelle üblich und hat sich grundsätzlich bewährt. Sichergestellt sein soll darüber hinaus, dass Verhandlungsverfahren nur mit Teilnahmewettbewerb stattfinden können.
Erfreulich ist für die Interessenvertreter der Architekten und Ingenieure, dass auch die Landschafts- und Freiraumplanung in den Anwendungsbereich für Planungswettbewerbe einbezogen ist. Kritisch sehen sie dagegen die vorgesehene Regelung zur Dokumentationspflicht. Sie allein führt nach allen Praxis-Erfahrungen nicht dazu, dass die öffentlichen Auftraggeber künftig ernsthafter die Sinnfälligkeit eines Wettbewerbs prüfen. Stattdessen würden wohl allzu viele von ihnen sich auf die nicht prüfbare Entscheidung beschränken, keinen Planungswettbewerb durchzuführen. Die Planer-Organisationen fordern das Gegenteil: Der Planungswettbewerb soll zur Regel werden und jede Abweichung davon soll begründet werden müssen. Zumindest sollen die Auslober Aussagen zum aus ihrer Sicht geeigneten Verfahren treffen müssen. Und sprechen projektspezifische Gründe gegen einen Wettbewerb, dann soll der Auslober diese vorab bekannt geben müssen.
Die Organisationen der Architekten und Ingenieure begrüßen ausdrücklich, dass nach dem Regierungsentwurf bei einem Planungswettbewerb mit beschränkter Teilnehmerzahl eindeutige und nicht diskriminierende Auswahlkriterien festzulegen sind. Eine Gefahr dagegen sehen sie in dem Vorhaben, dass Planungsleistungen in einem Verhandlungsverfahren oder wettbewerblichen Dialog zu gänzlich unangemessenen Aufwandsentschädigungen verlangt werden könnten. Sie fordern hier die Anwendung der HOAI und den vollen Urheberrechtsschutz.
Wiederum positiv sind die vorgesehenen Regelungen zur Eignung von Teilnehmern bei Planungswettbewerben – allerdings mit einer Einschränkung: Die Verordnung sieht vor, dass Eignungskriterien „bei geeigneten Aufgabenstellungen so zu wählen (sind), dass kleinere Büroorganisationen und Berufsanfänger sich beteiligen können“. Hier wollen die Planer-Organisationen auch Bürogründer ausdrücklich berücksichtigen. Und sie wollen die Worte „bei geeigneten Aufgabenstellungen“ streichen. Würden sie in der Verordnung bleiben, dann drohen nach leidvollen Erfahrungen Auslober allzu oft ihre Planungsaufgabe für ungeeignet zu erklären, um den Bewerberkreis für die Genannten zu öffnen.
Ein heikles Thema sind auch die geforderten Referenzprojekte. Einerseits begrüßen die Architekten- und Ingenieurorganisationen, dass Referenzen nicht „gleich“, sondern nur „vergleichbar“ mit der Planungsaufgabe sein müssen. Dies ist gerade für kleine und junge Büros von existenzieller Bedeutung und entspricht einer langjährigen Forderung der Kammern und Verbände. Sie fordern aber, die Vergleichbarkeit großzügiger zu definieren: Es darf nicht nur ein identisches Referenzprojekt sein, sondern es soll sich auch um eine andere Planungsaufgabe von vergleichbarer Komplexität handeln dürfen.
Zudem sollen auch Referenzen aus der Vergangenheit eingereicht werden dürfen und nicht nur aus einem definierten kurzen Zeitraum. Dies wäre ein Wettbewerbsnachteil für die gerade in Deutschland stark vertretenen kleineren Büros, die nicht in einem kurzen Zeitraum eine Vielzahl von Projektreferenzen erarbeiten können. Zudem haben gerade ältere Projekte bereits den Praxistest bestanden und eignen sich daher als Referenzen gut. Schließlich sollen auch nicht realisierte Planungen als Referenzen eingereicht werden können, zum Beispiel Beiträge zu Wettbewerben. Sollte es schließlich mehrere gleich qualifizierte Bewerber geben, dann soll allein das Los über die Auswahl des Auftragnehmers entscheiden.
Zurückhaltung erbitten die Architekten- und Ingenieur-Organisationen bei den zu verwendenden elektronischen Mitteln. Sie könnten zumindest bei Wettbewerben aus heutiger Sicht noch nicht das probate Instrument sein. Aufwand entstehe auch beim Auftraggeber, wenn er digital erhaltene Unterlagen aufwendig und mit unsicherer Qualität ausdrucken müsse.
Lange umstritten waren Regeln zur Verfahrensart – zeitweise drohte hier die Besonderheit von Planungsleistungen gar nicht berücksichtigt zu werden. Nach dem Entwurf werden das Verhandlungsverfahren und der wettbewerbliche Dialog ausdrücklich als geeignete Verfahrensarten bestimmt, wenn der Auftrag konzeptionelle oder innovative Lösungen umfasst. Die Interessenvertreter der Architekten und Ingenieure fordern jedoch, hier Planungsleistungen explizit zu erwähnen. Und es solle festgeschrieben werden, dass in Verhandlungsverfahren Architekten- und Ingenieurleistungen nie allein auf Grundlage der Erstangebote vergeben werden können, sondern stets erst nach Verhandlungen. In wettbewerblichen Dialogen sollte der Auftraggeber erst am Ende festlegen können, wie seine Anforderungen am besten erfüllt werden können. Und es sollte klargestellt sein, dass Teilnehmer nur über selbst eingereichte Lösungen verhandeln können, nicht über Ideen Dritter.
Elementar wichtig ist den Architekten- und Ingenieurvertretern auch die Unabhängigkeit von Planung und Ausführung. Hier sollte aber die Verordnung noch klarer machen, dass Aufträge und Leistungen unabhängig von Ausführungs- und Lieferinteressen vergeben werden sollen. Auch sollte bei der Vergabe von Planungsleistungen stets die Kammer beteiligt werden. Dies kann graduell geschehen – etwa mit einer rechtzeitigen Informationspflicht des öffentlichen Auslobers gegenüber der zuständigen Kammer.
Zum Schluss noch eine pessimistische Aussicht der Kammern und Verbände: Die Verquickung der verschiedenen Verfahrensarten in nur einer Verordnung macht die Regelungen nicht straffer und einfacher, sondern noch intransparenter. Rechtssicherheit werde so nicht gestärkt, sondern eher geschwächt.
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